VII, Verschiedenes 12, Schnitzlers Tod, Seite 124

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chnitzler's Death chnitzler's Death
box 42/7 box 42/7
OBSERVER OBSERVER
I. österr. behördl. konzessioniertes I. österr. behördl. konzessioniertes
Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte
WIEN, I., WOLLZEILE 11 WIEN, I., WOLLZEILE 11
TELEPHON R-23-0-43 TELEPHON R-23-0-43
AUSSCh Aan AUSSCh Aan
nant. nant.
9 2 OKT. 1931 9 2 OKT. 1931

Zum Tode Arthur Schnitzlers. Zum Tode Arthur Schnitzlers.
Der Dichter des sterbenden Oesterreichs. Der Dichter des sterbenden Oesterreichs.
„Frübgereift und zart und traurig. „Frübgereift und zart und traurig.
die Kämpfe, die dem Leben seinen Sinn und die Kämpfe, die dem Leben seinen Sinn und
Hugo von Hofmannsthal über Hugo von Hofmannsthal über
dem Menschen seinen inneren Halt wiedergeben dem Menschen seinen inneren Halt wiedergeben
den jungen Schnitzler. den jungen Schnitzler.
könnten, so hat sich Schnitzler doch sehr bald könnten, so hat sich Schnitzler doch sehr bald
Ganz unerwartet ist gestern nachmittag um Ganz unerwartet ist gestern nachmittag um
wieder in sein Selbst zurückgezogen, von dem er wieder in sein Selbst zurückgezogen, von dem er
6 Uhr 15 Arthur Schnitzler, der seine 6 Uhr 15 Arthur Schnitzler, der seine
nicht frei konnte — und wollte. Und wir, die nicht frei konnte — und wollte. Und wir, die
Dichter und Psycholog, in seinem Heim in Wien Dichter und Psycholog, in seinem Heim in Wien
Nachlebenden, freuen uns, daß er dem Bild seiner Nachlebenden, freuen uns, daß er dem Bild seiner
einem Schlaganfall erlegen. Am Vormittag noch einem Schlaganfall erlegen. Am Vormittag noch
Jugend treu geblieben ist. Denn seine verfeiner¬ Jugend treu geblieben ist. Denn seine verfeiner¬
hatte er einen Spaziergang unternommen, von hatte er einen Spaziergang unternommen, von
ten Organe haben es ihm, der das Wien ten Organe haben es ihm, der das Wien
dem er etwas erschöpft heimkehrte; kurz darauf dem er etwas erschöpft heimkehrte; kurz darauf
der Jahrhundertwende als kulturgeschichtliches der Jahrhundertwende als kulturgeschichtliches
fand man ihn in seinem Arbeitszimmer bewußtlos fand man ihn in seinem Arbeitszimmer bewußtlos
Kuriosum in reifer, echtester, lebendigster Gestaltung Kuriosum in reifer, echtester, lebendigster Gestaltung
am Boden liegen. Eine Gehirnblutung war ein¬ am Boden liegen. Eine Gehirnblutung war ein¬
zu konservieren vermocht hat, ermöglicht, auch im zu konservieren vermocht hat, ermöglicht, auch im
getreten, so daß er das Bewußtsein nicht wieder¬ getreten, so daß er das Bewußtsein nicht wieder¬
Dienst des modernen Lebens eine schöne Funktion Dienst des modernen Lebens eine schöne Funktion
erlangte. Eine Atemlähmung ließ ihn sanft und erlangte. Eine Atemlähmung ließ ihn sanft und
zu erfüllen: Schnitzler, dessen psychologischer Ties¬ zu erfüllen: Schnitzler, dessen psychologischer Ties¬
leise in das Dunkel der Ewigkeit zurückgleiten. leise in das Dunkel der Ewigkeit zurückgleiten.
blick immer wieder bewundernswert ist, hat blick immer wieder bewundernswert ist, hat
„Wir spielen immer; wer es weiß, ist klug „Wir spielen immer; wer es weiß, ist klug
— so — so
seinen gleichaltrigen Fachkollegen und Lands¬ seinen gleichaltrigen Fachkollegen und Lands¬
hatte er einst in den Tagen der Jugendzeit mit hatte er einst in den Tagen der Jugendzeit mit
mann Sigmund Freud — wenn auch nicht aus¬ mann Sigmund Freud — wenn auch nicht aus¬
leichter Resignation gesungen: und ebenso, wie er leichter Resignation gesungen: und ebenso, wie er
drücklich, so doch im Effekt — in dem bitteren drücklich, so doch im Effekt — in dem bitteren
zum Leben stand, näherte sich ihm der Tod, der zum Leben stand, näherte sich ihm der Tod, der
Kampf um eine schmiegsamere Seelenkunde, die Kampf um eine schmiegsamere Seelenkunde, die
ihn still und ohne Schmerz hinüberführte, ihn still und ohne Schmerz hinüberführte,
vor der Dunkelkammer unseres Unterbewußtseins vor der Dunkelkammer unseres Unterbewußtseins
Arthur Schnitzler hat dem alten, heute längst Arthur Schnitzler hat dem alten, heute längst
nicht haltmacht, aufs Kräftigste unterstützt und die nicht haltmacht, aufs Kräftigste unterstützt und die
versunkenen Oesterreich das Schwanenlied ge versunkenen Oesterreich das Schwanenlied ge
rechte Wirkung der Leisiung Freuds im Bewußt¬ rechte Wirkung der Leisiung Freuds im Bewußt¬
dichtet. Die Werke des Künstlers, der einst Arzt dichtet. Die Werke des Künstlers, der einst Arzt
sein der Allgemeinheit vorbereitet. sein der Allgemeinheit vorbereitet.
gewesen war, spiegeln sast alle das Wien der gewesen war, spiegeln sast alle das Wien der
Aber nicht nur das: auch die Aesthetik und Aber nicht nur das: auch die Aesthetik und
Jahrhundertwende wieder: eine Zeit, da ein Jahrhundertwende wieder: eine Zeit, da ein
Technik der modernen Novelle ist von Arthur Technik der modernen Novelle ist von Arthur
junger, zarter Mensch mit wissenden, leicht er junger, zarter Mensch mit wissenden, leicht er
Schnitzler befruchtet worden. Was man bei Schnitzler befruchtet worden. Was man bei
müdeten Augen in die Welt blickte und dort trotz müdeten Augen in die Welt blickte und dort trotz
Marcel Proust und James Jovce als unerhörten Marcel Proust und James Jovce als unerhörten
anderen Scheins, trotz Fröhlichkeit und Uebermut, anderen Scheins, trotz Fröhlichkeit und Uebermut,
Fortschritt gepriesen hat, findet sich auch — und Fortschritt gepriesen hat, findet sich auch — und
nur Schmerz und leises Weinen sah. Hinter dem nur Schmerz und leises Weinen sah. Hinter dem
vielleicht schon bevor die beiden Genannten „ent¬ vielleicht schon bevor die beiden Genannten „ent¬
bunt fluktuierenden, noch immer faszinierenden bunt fluktuierenden, noch immer faszinierenden
deckt“ wurden — bei Schnitzler aufs meisterlichste deckt“ wurden — bei Schnitzler aufs meisterlichste
Treiben, dem jedoch der starke Sinn sehlte, grinste Treiben, dem jedoch der starke Sinn sehlte, grinste
verwirklicht: jene eigentümliche Form des Prosa¬ verwirklicht: jene eigentümliche Form des Prosa¬
dem Tieferblickenden die Fratze der Verzweiflung dem Tieferblickenden die Fratze der Verzweiflung
kunstwerkes, die das äußere Geschehen in einem kunstwerkes, die das äußere Geschehen in einem
e. gegen. Unter der Schminke die gähnende Leere e. gegen. Unter der Schminke die gähnende Leere
„inneren Monolog" sich spiegeln läßt. Dadurch „inneren Monolog" sich spiegeln läßt. Dadurch
einer Welt, die sachte und unmerklich einstürzt. einer Welt, die sachte und unmerklich einstürzt.
werden der Epik, die nach einer Bemerkung werden der Epik, die nach einer Bemerkung
Schnitzler hat dieses Bild, das der erste be¬ Schnitzler hat dieses Bild, das der erste be¬
Orteaas sich stofflich erschöpft hat, neue Inhalte Orteaas sich stofflich erschöpft hat, neue Inhalte
wußte Blick in die Welt seinen Sinnen bot, wußte Blick in die Welt seinen Sinnen bot,
zugeführt. Gerade um dieser Bereicherung willen, zugeführt. Gerade um dieser Bereicherung willen,
niemals vergessen. Wenn er sich auch um 1910 niemals vergessen. Wenn er sich auch um 1910
die scheinbar rein formaler Natur, in Wahrheit die scheinbar rein formaler Natur, in Wahrheit
als Fünfziger eine Weile aufzurafsen sucht, um als Fünfziger eine Weile aufzurafsen sucht, um
aber — im Sinne der Psychoanalyse — substanz¬ aber — im Sinne der Psychoanalyse — substanz¬
Anschluß zu finden an die Jugend, die die be¬ Anschluß zu finden an die Jugend, die die be¬
bildend ist, fühlt sich auch die junge Generation bildend ist, fühlt sich auch die junge Generation
äubenden Farben des Herbstes nicht mehr ge¬ äubenden Farben des Herbstes nicht mehr ge¬
Arthur Schnitzler aufs tiefste verpflichtet. Arthur Schnitzler aufs tiefste verpflichtet.
ehen hat, an das neuentstehende Leben, das dem ehen hat, an das neuentstehende Leben, das dem
Schnitzler war ein Erzähler von Rana, doch Schnitzler war ein Erzähler von Rana, doch
etörenden Zauber des fin de siècle nicht verfallen etörenden Zauber des fin de siècle nicht verfallen
nur scheinbar auch ein Dramatiker von Geblüt nur scheinbar auch ein Dramatiker von Geblüt
ist, wenn er damals auch eingreifen möchte in 1 Seine Arbeiten für die Bühne, die viel auf¬ ist, wenn er damals auch eingreifen möchte in 1 Seine Arbeiten für die Bühne, die viel auf¬
geführt worden sind, haben nicht den rechten geführt worden sind, haben nicht den rechten
dramatischen Puls. Psychologie im Drama kann dramatischen Puls. Psychologie im Drama kann
sich nämlich auch als verderblich erweisen: wenn sich nämlich auch als verderblich erweisen: wenn
sie es verhindert, daß die Gegensätze, jeder für sie es verhindert, daß die Gegensätze, jeder für
sich in voller Ausschließlichkeit, als solche in Er¬ sich in voller Ausschließlichkeit, als solche in Er¬
scheinung und Aktion treten. Ein Psychologe wie scheinung und Aktion treten. Ein Psychologe wie
Schnitzler — und darin liegen die Mängel be¬ Schnitzler — und darin liegen die Mängel be¬
gründet — sieht aber gerade das Gleitende und gründet — sieht aber gerade das Gleitende und
die Uebergänge; und so steht der Seelenkünstler die Uebergänge; und so steht der Seelenkünstler
dem dramatischen Dichter im Wege. Dennoch: dem dramatischen Dichter im Wege. Dennoch:
Schnitzlers dramatische Arbeiten behalten ihren Schnitzlers dramatische Arbeiten behalten ihren
Reiz, weil das Atmosphärische, das allen Arbeiten Reiz, weil das Atmosphärische, das allen Arbeiten
Schnitzlers in so hohem Maße zu eigen ist, eber Schnitzlers in so hohem Maße zu eigen ist, eber
auch zur Bühnenwirksamkeit gehört. auch zur Bühnenwirksamkeit gehört.
Aus der langen Liste der Werke Arthur Aus der langen Liste der Werke Arthur
Schnitzlers nur ein paar bezeichnende Namen. Schnitzlers nur ein paar bezeichnende Namen.
Der Weg der Arbeiten für die Bühne führt von Der Weg der Arbeiten für die Bühne führt von
„Ana.ol" „Ana.ol"
„Einsam. „Einsam.
(1913); d. (1913); d.
und „Lei und „Lei
fahrt" z fahrt" z
novelle“ novelle“
Weg ins Weg ins
war wei war wei
als So als So
Johani Johani
Assistel Assistel
lichen lichen
er „Le er „Le
war war
Zeit Zeit