VII, Verschiedenes 12, Schnitzlers Tod, Seite 126

12. Schnitzle 12. Schnitzle
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Vorwarts, Berlin Vorwarts, Berlin

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92. OKT. 193 92. OKT. 193
Arthur-Schnitzler. Arthur-Schnitzler.
Dem Gedächtnis eines Dichters. Dem Gedächtnis eines Dichters.
Was war das für eine Beglückung, als Arthur Schnitzler die Was war das für eine Beglückung, als Arthur Schnitzler die
„Liebelei“ und den „Anatol“ auf die Bühne brachte. Haupt¬ „Liebelei“ und den „Anatol“ auf die Bühne brachte. Haupt¬
mann, auch Sudermann und Halbe hatten das junge Mädchen aus mann, auch Sudermann und Halbe hatten das junge Mädchen aus
dem Volk ganz tragisch aufgefaßt. Sie hatten den Instinkt, die dem Volk ganz tragisch aufgefaßt. Sie hatten den Instinkt, die
Freude am Ausleben des Sinnes, wie einen Fluch dargestellt. Sie Freude am Ausleben des Sinnes, wie einen Fluch dargestellt. Sie
hatten erzählt, wie schwer, wie dunkel alles Leben dann sein wird, hatten erzählt, wie schwer, wie dunkel alles Leben dann sein wird,
wenn das junge Mädchen aufwacht. Bei Schnitzler fehlen die Tra¬ wenn das junge Mädchen aufwacht. Bei Schnitzler fehlen die Tra¬
gödien nicht. Sie waren naturalistisch beobachtet. Es konnte auch gödien nicht. Sie waren naturalistisch beobachtet. Es konnte auch
nicht anders sein. Denn Schnitzler war ja ein Arzt, und er verstand nicht anders sein. Denn Schnitzler war ja ein Arzt, und er verstand
sich auf das Trauerspiel des kleinen und großen Lebens. Aber seine sich auf das Trauerspiel des kleinen und großen Lebens. Aber seine
Frauengestalten sind sanft. Selbst dann, wenn sie sich nach dem Frauengestalten sind sanft. Selbst dann, wenn sie sich nach dem
Tode sehnen, ist noch nicht alle Heiterkeit in ihnen eingeschlummert. Tode sehnen, ist noch nicht alle Heiterkeit in ihnen eingeschlummert.
Verzückt wollen sie sterben; nicht als Anklägerinnen der sozialen Ge¬ Verzückt wollen sie sterben; nicht als Anklägerinnen der sozialen Ge¬
sellschaftsordnung, sondern in der Schönheit eines Engels, der zu¬ sellschaftsordnung, sondern in der Schönheit eines Engels, der zu¬
fällig entgleiste. Das war der wienerische Naturalismus der fällig entgleiste. Das war der wienerische Naturalismus der
Empfindsamkeit. Es war ein Naturalismus, der über die Empfindsamkeit. Es war ein Naturalismus, der über die
ganze Welt siegte und besonders in romanischen Ländern verstanden ganze Welt siegte und besonders in romanischen Ländern verstanden
wurde, wo man für den herben, sachlichen norddeutschen Naturalis wurde, wo man für den herben, sachlichen norddeutschen Naturalis
mnus nicht viel Verständnis aufbrachte. mnus nicht viel Verständnis aufbrachte.
„Anatol": Ein junger Herr, der nichts anderes zu tun hat, „Anatol": Ein junger Herr, der nichts anderes zu tun hat,
als sich der Liebe zu widmen, der eleganten Liebe wie der aus dem als sich der Liebe zu widmen, der eleganten Liebe wie der aus dem
Volk geholten. Sein Sinnspruch: „Sie hat in meinen Armen ge¬ Volk geholten. Sein Sinnspruch: „Sie hat in meinen Armen ge¬
legen, sie ist heilig.“ Das ist Mut, das ist Uebermut, aber es legen, sie ist heilig.“ Das ist Mut, das ist Uebermut, aber es
ist auch eine große Gutmütigkeit. Zwischen den Geschlechtern wird ist auch eine große Gutmütigkeit. Zwischen den Geschlechtern wird
kein leidenschaftlicher Kampf ausgekämpft, sondern man verständigt kein leidenschaftlicher Kampf ausgekämpft, sondern man verständigt
sich in Zärtlichkeit. Manchmal geht hier und da ein Mensch in die sich in Zärtlichkeit. Manchmal geht hier und da ein Mensch in die
Brüche, doch alles geschieht artig, manierlich und auch — ope¬ Brüche, doch alles geschieht artig, manierlich und auch — ope¬
rettenmäßig. rettenmäßig.
Schnitzlers Sanftheit, die Anmut, mit der er Lebensrätsel löst, Schnitzlers Sanftheit, die Anmut, mit der er Lebensrätsel löst,
verrät stets, daß er sehr niel Musik im Blut hatte: eine leichte verrät stets, daß er sehr niel Musik im Blut hatte: eine leichte