12. Schnitzler's Death 12. Schnitzler's Death
die illegitime Liebe sozusagen gesell¬ die illegitime Liebe sozusagen gesell¬
ftsfähig gemacht, daß er sie, und hier :st ftsfähig gemacht, daß er sie, und hier :st
das Wort wirklich zuständig, eingebür¬ das Wort wirklich zuständig, eingebür¬
hat, eine Revolution der Sexualmoral, hat, eine Revolution der Sexualmoral,
man sich heute kaum vorstellen kann. man sich heute kaum vorstellen kann.
ne Schnitzler hätte es keinen Wedekind ne Schnitzler hätte es keinen Wedekind
eben, ja Schnitzler selbst greift über die¬ eben, ja Schnitzler selbst greift über die¬
manchmal und wiederum blitzartig weit manchmal und wiederum blitzartig weit
aus bis in die Gefilde der neuesten aus bis in die Gefilde der neuesten
chlichkeit. Er tut das namentlich dort, wo chlichkeit. Er tut das namentlich dort, wo
wie im „Reigen“ die intimsten und dar¬ wie im „Reigen“ die intimsten und dar¬
oft ergreifendsten Wahrheiten gewagt oft ergreifendsten Wahrheiten gewagt
die freilich von der verblüfften Mitwelt die freilich von der verblüfften Mitwelt
ort als Pornographie verleumdet wur¬ ort als Pornographie verleumdet wur¬
Auch mit dem Bürgerdichter stimmt es Auch mit dem Bürgerdichter stimmt es
cht. Arthur Schnitzler hat nicht nur Dir¬ cht. Arthur Schnitzler hat nicht nur Dir¬
n und Soldaten schärfer, lebendiger, über¬ n und Soldaten schärfer, lebendiger, über¬
agender geschildert als irgend ein be¬ agender geschildert als irgend ein be¬
jener Volksdichter, er hat, als er jenes jener Volksdichter, er hat, als er jenes
box 42/9 box 42/9
„süße" Mädchen aus dem Volke schuf, die „süße" Mädchen aus dem Volke schuf, die
sanfte liebesselige Christine etwa, sich mit sanfte liebesselige Christine etwa, sich mit
einem Glanz und einer Wehmut ohne¬ einem Glanz und einer Wehmut ohne¬
gleichen zu der großen Demokratie des Her¬ gleichen zu der großen Demokratie des Her¬
zens bekannt. zens bekannt.
Arthur Schnitzler ist auch einer der Arthur Schnitzler ist auch einer der
„verbotensten“, österreichischen Dichter ge¬ „verbotensten“, österreichischen Dichter ge¬
wesen. Immer wieder erregte er Anstoß, wesen. Immer wieder erregte er Anstoß,
Zensurbedenken, ja sogar öffentliche Ma߬ Zensurbedenken, ja sogar öffentliche Ma߬
regelung. Immer wieder bewies sein Werk, regelung. Immer wieder bewies sein Werk,
daß es sich ihm in jedem einzelnen dieser daß es sich ihm in jedem einzelnen dieser
Fälle nur um reine Menschlichkeit und nur Fälle nur um reine Menschlichkeit und nur
um deren höchste und freieste Moral gehan¬ um deren höchste und freieste Moral gehan¬
delt hat. Vielleicht wird man erst wirklich delt hat. Vielleicht wird man erst wirklich
viel, viel später diesen „Tendenzdichter viel, viel später diesen „Tendenzdichter
Arthur Schnitzler erkennen, wie man auch Arthur Schnitzler erkennen, wie man auch
erst lange nach Friedrich Schillers Tod die erst lange nach Friedrich Schillers Tod die
sittliche und politische Sprengkraft etwa sittliche und politische Sprengkraft etwa
seiner „Kabale und Liebe“ erkannt hat. seiner „Kabale und Liebe“ erkannt hat.
Arthur Schnitzler, der angeblich zeit¬ Arthur Schnitzler, der angeblich zeit¬
lebens Weltabgekehrte, hat allen diesen lebens Weltabgekehrte, hat allen diesen
Konventionen, freilich auf seine überaus Konventionen, freilich auf seine überaus
grandseigneurale Art den Krieg erklärt: grandseigneurale Art den Krieg erklärt:
dem Uniformwahn, der Kriegslüge, der dem Uniformwahn, der Kriegslüge, der
Sexualheuchelei, dem Familienterror. Viel¬ Sexualheuchelei, dem Familienterror. Viel¬
leicht dünkte sich die Gesellschaft, für die er leicht dünkte sich die Gesellschaft, für die er
schreiben mußte, wirklich zu vornehm, um schreiben mußte, wirklich zu vornehm, um
diese Ketzereien zu bemerken. Aber diefe diese Ketzereien zu bemerken. Aber diefe
Gesellschaft ist dahin und die Ketzereien Gesellschaft ist dahin und die Ketzereien
sind geblieben. Im Gegenteil, sie wachfen sind geblieben. Im Gegenteil, sie wachfen
über den Tod des Dichters hinaus wie Vor¬ über den Tod des Dichters hinaus wie Vor¬
zeichen auf einem immer noch dunklen, un¬ zeichen auf einem immer noch dunklen, un¬
gewissen und von allerlei Spuk der Ver¬ gewissen und von allerlei Spuk der Ver¬
gangenheit bedrohten Weg. Es ist ein ein¬ gangenheit bedrohten Weg. Es ist ein ein¬
samer Weg, wie der Weg aller großen samer Weg, wie der Weg aller großen
Dichter und Vorausdenker, den Arthur Dichter und Vorausdenker, den Arthur
Schnitzler seinerzeit eingeschlagen hat. Schnitzler seinerzeit eingeschlagen hat.
Aber wie gesagt, er war uns auf diesem Aber wie gesagt, er war uns auf diesem
Weg um ein gewaltiges Stück voraus. Weg um ein gewaltiges Stück voraus.
k k
die illegitime Liebe sozusagen gesell¬ die illegitime Liebe sozusagen gesell¬
ftsfähig gemacht, daß er sie, und hier :st ftsfähig gemacht, daß er sie, und hier :st
das Wort wirklich zuständig, eingebür¬ das Wort wirklich zuständig, eingebür¬
hat, eine Revolution der Sexualmoral, hat, eine Revolution der Sexualmoral,
man sich heute kaum vorstellen kann. man sich heute kaum vorstellen kann.
ne Schnitzler hätte es keinen Wedekind ne Schnitzler hätte es keinen Wedekind
eben, ja Schnitzler selbst greift über die¬ eben, ja Schnitzler selbst greift über die¬
manchmal und wiederum blitzartig weit manchmal und wiederum blitzartig weit
aus bis in die Gefilde der neuesten aus bis in die Gefilde der neuesten
chlichkeit. Er tut das namentlich dort, wo chlichkeit. Er tut das namentlich dort, wo
wie im „Reigen“ die intimsten und dar¬ wie im „Reigen“ die intimsten und dar¬
oft ergreifendsten Wahrheiten gewagt oft ergreifendsten Wahrheiten gewagt
die freilich von der verblüfften Mitwelt die freilich von der verblüfften Mitwelt
ort als Pornographie verleumdet wur¬ ort als Pornographie verleumdet wur¬
Auch mit dem Bürgerdichter stimmt es Auch mit dem Bürgerdichter stimmt es
cht. Arthur Schnitzler hat nicht nur Dir¬ cht. Arthur Schnitzler hat nicht nur Dir¬
n und Soldaten schärfer, lebendiger, über¬ n und Soldaten schärfer, lebendiger, über¬
agender geschildert als irgend ein be¬ agender geschildert als irgend ein be¬
jener Volksdichter, er hat, als er jenes jener Volksdichter, er hat, als er jenes
box 42/9 box 42/9
„süße" Mädchen aus dem Volke schuf, die „süße" Mädchen aus dem Volke schuf, die
sanfte liebesselige Christine etwa, sich mit sanfte liebesselige Christine etwa, sich mit
einem Glanz und einer Wehmut ohne¬ einem Glanz und einer Wehmut ohne¬
gleichen zu der großen Demokratie des Her¬ gleichen zu der großen Demokratie des Her¬
zens bekannt. zens bekannt.
Arthur Schnitzler ist auch einer der Arthur Schnitzler ist auch einer der
„verbotensten“, österreichischen Dichter ge¬ „verbotensten“, österreichischen Dichter ge¬
wesen. Immer wieder erregte er Anstoß, wesen. Immer wieder erregte er Anstoß,
Zensurbedenken, ja sogar öffentliche Ma߬ Zensurbedenken, ja sogar öffentliche Ma߬
regelung. Immer wieder bewies sein Werk, regelung. Immer wieder bewies sein Werk,
daß es sich ihm in jedem einzelnen dieser daß es sich ihm in jedem einzelnen dieser
Fälle nur um reine Menschlichkeit und nur Fälle nur um reine Menschlichkeit und nur
um deren höchste und freieste Moral gehan¬ um deren höchste und freieste Moral gehan¬
delt hat. Vielleicht wird man erst wirklich delt hat. Vielleicht wird man erst wirklich
viel, viel später diesen „Tendenzdichter viel, viel später diesen „Tendenzdichter
Arthur Schnitzler erkennen, wie man auch Arthur Schnitzler erkennen, wie man auch
erst lange nach Friedrich Schillers Tod die erst lange nach Friedrich Schillers Tod die
sittliche und politische Sprengkraft etwa sittliche und politische Sprengkraft etwa
seiner „Kabale und Liebe“ erkannt hat. seiner „Kabale und Liebe“ erkannt hat.
Arthur Schnitzler, der angeblich zeit¬ Arthur Schnitzler, der angeblich zeit¬
lebens Weltabgekehrte, hat allen diesen lebens Weltabgekehrte, hat allen diesen
Konventionen, freilich auf seine überaus Konventionen, freilich auf seine überaus
grandseigneurale Art den Krieg erklärt: grandseigneurale Art den Krieg erklärt:
dem Uniformwahn, der Kriegslüge, der dem Uniformwahn, der Kriegslüge, der
Sexualheuchelei, dem Familienterror. Viel¬ Sexualheuchelei, dem Familienterror. Viel¬
leicht dünkte sich die Gesellschaft, für die er leicht dünkte sich die Gesellschaft, für die er
schreiben mußte, wirklich zu vornehm, um schreiben mußte, wirklich zu vornehm, um
diese Ketzereien zu bemerken. Aber diefe diese Ketzereien zu bemerken. Aber diefe
Gesellschaft ist dahin und die Ketzereien Gesellschaft ist dahin und die Ketzereien
sind geblieben. Im Gegenteil, sie wachfen sind geblieben. Im Gegenteil, sie wachfen
über den Tod des Dichters hinaus wie Vor¬ über den Tod des Dichters hinaus wie Vor¬
zeichen auf einem immer noch dunklen, un¬ zeichen auf einem immer noch dunklen, un¬
gewissen und von allerlei Spuk der Ver¬ gewissen und von allerlei Spuk der Ver¬
gangenheit bedrohten Weg. Es ist ein ein¬ gangenheit bedrohten Weg. Es ist ein ein¬
samer Weg, wie der Weg aller großen samer Weg, wie der Weg aller großen
Dichter und Vorausdenker, den Arthur Dichter und Vorausdenker, den Arthur
Schnitzler seinerzeit eingeschlagen hat. Schnitzler seinerzeit eingeschlagen hat.
Aber wie gesagt, er war uns auf diesem Aber wie gesagt, er war uns auf diesem
Weg um ein gewaltiges Stück voraus. Weg um ein gewaltiges Stück voraus.
k k