VII, Verschiedenes 12, Schnitzlers Tod, Seite 192

12. 12.
Schnitzler's Death Schnitzler's Death
AUSSCHNTT VOM AUSSCHNTT VOM
22 UKI.1931 22 UKI.1931
Tilsiter Allg. Zeitung, Tilsit Tilsiter Allg. Zeitung, Tilsit
Zum Tode Arthur Schnitzlers Zum Tode Arthur Schnitzlers
45 45
Der große österreichische Dichter Artur Schnitz¬ Der große österreichische Dichter Artur Schnitz¬
ler ist, wie wir gestern meldeten, wenige Monate vor ler ist, wie wir gestern meldeten, wenige Monate vor
seinem 70. Geburtstag in Wien gestorben. Schnitzler seinem 70. Geburtstag in Wien gestorben. Schnitzler
war ein Dichter des alten Wien, dessen Menschen und war ein Dichter des alten Wien, dessen Menschen und
Atmosphäre er in seinen melancholisch=heiteren Dramen Atmosphäre er in seinen melancholisch=heiteren Dramen
in Romanen und Novellen von höchster Meisterschaft mit in Romanen und Novellen von höchster Meisterschaft mit
tiefem psychologischen Gefühl literarisch gestaltet und tiefem psychologischen Gefühl literarisch gestaltet und
fixiert hat. fixiert hat.
Wien, 22. Okt. Wien, 22. Okt.
Die Leiche Dr. Arthur Schnitzlers wird am Freitag Die Leiche Dr. Arthur Schnitzlers wird am Freitag
11,30 Uhr vom Trauerhause in der Sternwartestraße auf 11,30 Uhr vom Trauerhause in der Sternwartestraße auf
den Zentralfriedhof gebracht und auf dem israelitischen den Zentralfriedhof gebracht und auf dem israelitischen
Friedhof beigesetzt. Friedhof beigesetzt.
Der Sohn Schnitzlers teilt die letztwillige Der Sohn Schnitzlers teilt die letztwillige
Verfügung mit, die sich im Nachlaß seines Vaters Verfügung mit, die sich im Nachlaß seines Vaters
vorgefunden habe, und bittet im Namen der Hinter¬ vorgefunden habe, und bittet im Namen der Hinter¬
bliebenen, diese Wünsche zu achten. Sie sind am 29. April bliebenen, diese Wünsche zu achten. Sie sind am 29. April
1912 niedergeschrieben worden und lauten wörtlich: 1912 niedergeschrieben worden und lauten wörtlich:
„Bestimmungen, die ich nach meinem Ableben zu „Bestimmungen, die ich nach meinem Ableben zu
erfüllen bitte. Herzstich, keine Kränze, keine Parte erfüllen bitte. Herzstich, keine Kränze, keine Parte
(Traueranzeige), auch in den Zeitungen nicht. Be¬ (Traueranzeige), auch in den Zeitungen nicht. Be¬
gräbnis letzter Klasse. Das durch Befolgung gräbnis letzter Klasse. Das durch Befolgung
dieser Bestimmungen erübrigte Geld ist Spitalzwecken dieser Bestimmungen erübrigte Geld ist Spitalzwecken
zuzuwenden. Keine Reden, Vermeidung allen zuzuwenden. Keine Reden, Vermeidung allen
rituellen Beiwerks (insbesondere Leichenwärter usw.) rituellen Beiwerks (insbesondere Leichenwärter usw.)
keine Trauer tragen nach meinem Tode; absolut keine Trauer tragen nach meinem Tode; absolut
keine. Arthur Schnitzler. keine. Arthur Schnitzler.
box 42/9 box 42/9
OBSERVER OBSERVER
I. österr. behördl. konzessioniertes I. österr. behördl. konzessioniertes
Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte
WIEN, I., WOLLZEILE 11 WIEN, I., WOLLZEILE 11
TELEPHON R-23-0-43 TELEPHON R-23-0-43
Ausschnitt aus: Ausschnitt aus:


23. 0KT. 1931 23. 0KT. 1931
Freitag, 23. Oktober 1931. Freitag, 23. Oktober 1931.
Arthur Schnitzler gestorben Arthur Schnitzler gestorben
(E). Wien. 21. Oktober (E). Wien. 21. Oktober
Arthur Schnitzler ist nach kurzem Leiden Arthur Schnitzler ist nach kurzem Leiden
gestorben. gestorben.
Arthur Schnitzler wurde am 15. 5 1862 in Arthur Schnitzler wurde am 15. 5 1862 in
Wien geboren, als Sohn des ord. Professors Wien geboren, als Sohn des ord. Professors
an der Wiener Universität, Dr. Johann an der Wiener Universität, Dr. Johann
Schnitzler, eines Laryngologen von Bedeu¬ Schnitzler, eines Laryngologen von Bedeu¬
tung, zu dessen Patientenkreis viele promi¬ tung, zu dessen Patientenkreis viele promi¬
nente Schauspieler und Sänger gehörten. nente Schauspieler und Sänger gehörten.
Schnitzler studierte gleichfalls Medizin in Schnitzler studierte gleichfalls Medizin in
Wien, promovierte 1885 und war, nachdem Wien, promovierte 1885 und war, nachdem
er (1886—1889) auf verschiedenen Kliniken er (1886—1889) auf verschiedenen Kliniken
praktiziert und auch eine Reise zum Studi¬ praktiziert und auch eine Reise zum Studi¬
um der hygienischen Einrichtungen nach um der hygienischen Einrichtungen nach
London und Paris unternommen latte, bis London und Paris unternommen latte, bis
1893 Assistent seines Vatexs an der Wiener 1893 Assistent seines Vatexs an der Wiener
allgemeinen Poliklinik. Den militärärztlichen allgemeinen Poliklinik. Den militärärztlichen
Dienst, in den Schnitzler später trat, mußte Dienst, in den Schnitzler später trat, mußte
er nach der Publikation seines »Leutnant er nach der Publikation seines »Leutnant
Gustle aufgeben und bald widmete er sich Gustle aufgeben und bald widmete er sich
ausschließlich der Literatur. ausschließlich der Literatur.
Die Atmosphäre der Geistigkeit, die in Die Atmosphäre der Geistigkeit, die in
Schnitzlers Vaterhaus herrschte, die enge Schnitzlers Vaterhaus herrschte, die enge
Berührung mit der sogenannten guten Ge¬ Berührung mit der sogenannten guten Ge¬
sellschaft der 80er und 90er Jahre, einer ei¬ sellschaft der 80er und 90er Jahre, einer ei¬
genartigen spezifisch österreichischen Mi¬ genartigen spezifisch österreichischen Mi¬
schung von heterogenen Elementen, von schung von heterogenen Elementen, von
Gelebrten, Großkaufleuten, Advokaten Gelebrten, Großkaufleuten, Advokaten
Künstlern, Bankiers u. a., der enge Kontakt Künstlern, Bankiers u. a., der enge Kontakt
mit den Größen der »ersten deutschen Büh¬ mit den Größen der »ersten deutschen Büh¬
ne«, des Burgtheaters, die in seines Vaters ne«, des Burgtheaters, die in seines Vaters
Hause aus- und eingingen, beeinflußten Hause aus- und eingingen, beeinflußten
Schnitzlers Entwicklung; dieses Jugendmi¬ Schnitzlers Entwicklung; dieses Jugendmi¬
lieu drückt seinem späteren Schaffen nicht lieu drückt seinem späteren Schaffen nicht
weniger den Stempel auf wie sein ärztlicher weniger den Stempel auf wie sein ärztlicher
Beruf. Beruf.
Von kleineren, längst vergessenen Früh¬ Von kleineren, längst vergessenen Früh¬
produkten, die in der »Deutschen Wochen¬ produkten, die in der »Deutschen Wochen¬
schrift (1886) und in der lange nicht mehr schrift (1886) und in der lange nicht mehr
bestehenden Zeitschrift »An der schönen bestehenden Zeitschrift »An der schönen
blauen Donau« (1889) erschienen sind, ist blauen Donau« (1889) erschienen sind, ist
sein erstes, aufsehenerregendes und in der sein erstes, aufsehenerregendes und in der
damaligen Zeit als kühn empfundenes Werk damaligen Zeit als kühn empfundenes Werk
»Anatole, eine Reibe von dramatischen Dia¬ »Anatole, eine Reibe von dramatischen Dia¬
logen, die mit ihren scharf beobachteten logen, die mit ihren scharf beobachteten
Menschen und deren graziöser Sprache in Menschen und deren graziöser Sprache in
einer fast spielerischen Art schon die Ei¬ einer fast spielerischen Art schon die Ei¬
genart von Schnitzlers Talent zeigen. Sein genart von Schnitzlers Talent zeigen. Sein
nächstes und zugleich das erste aufgeführte nächstes und zugleich das erste aufgeführte
Werk war »Das Märchen« (1893). In der Werk war »Das Märchen« (1893). In der
gleich den vorgenannten Schöpfungen dem gleich den vorgenannten Schöpfungen dem
Wiener Milieu entnommenen »Liebeleis, Wiener Milieu entnommenen »Liebeleis,
Schnitzlers seinerzeit meistgespieltem Schnitzlers seinerzeit meistgespieltem
Schauspiel, klingt das Anatolmotiv wieder Schauspiel, klingt das Anatolmotiv wieder
Dessen Uraufführung (1895) am Burgthea¬ Dessen Uraufführung (1895) am Burgthea¬
ter war Schnitzlers erster großer Bühnen¬ ter war Schnitzlers erster großer Bühnen¬
erfolg. In Wien spielt auch das nächste erfolg. In Wien spielt auch das nächste