VII, Verschiedenes 12, Schnitzlers Tod, Seite 258

Sitler sat Sitler sat
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AUSSCHNITT VOM. AUSSCHNITT VOM.
24 0KT. 83 24 0KT. 83
Würzburger General-Anz. Würzburger General-Anz.
Arthur Schnitzler . Arthur Schnitzler .
Zum Tode des Wiener Schriftstellers. Zum Tode des Wiener Schriftstellers.
Ane Persönlichkeit der Vorkriegszeit, deren Leben¬ Ane Persönlichkeit der Vorkriegszeit, deren Leben¬
abend kampflos und ruhig dahinglitt, hat Abschied genom¬ abend kampflos und ruhig dahinglitt, hat Abschied genom¬
men von einer Epoche, die dem Stil des geistreichen Wiener men von einer Epoche, die dem Stil des geistreichen Wiener
Dichters fremd geworden ist. Der bürgerliche Verfall und Dichters fremd geworden ist. Der bürgerliche Verfall und
die müde Anmut des alten Oesterreichs waren das Gebiet, die müde Anmut des alten Oesterreichs waren das Gebiet,
das Arthur Schnitzler Probleme zu lösen gab. Die Zeit das Arthur Schnitzler Probleme zu lösen gab. Die Zeit
von 1890 bis 1914 war ein geistiges Kampffeld, dessen von 1890 bis 1914 war ein geistiges Kampffeld, dessen
Helden Frank Wedekind, Arthur Schnitzler, Hugo von Hoff¬ Helden Frank Wedekind, Arthur Schnitzler, Hugo von Hoff¬
mannsthal und viele andere waren, denen unsere junge mannsthal und viele andere waren, denen unsere junge
Generation ein wenig verständnislos gegenübersteht, well Generation ein wenig verständnislos gegenübersteht, well
das, wofür diese Menschen ihre Schlachten schlugen, gegen¬ das, wofür diese Menschen ihre Schlachten schlugen, gegen¬
standolos geworden ist. Es wäre undankbar, zu sagen. standolos geworden ist. Es wäre undankbar, zu sagen.
diese Führer von damals hätten sich überlebt. Die Zeiten diese Führer von damals hätten sich überlebt. Die Zeiten
nach uns werden in ihnen lebendige Schilderer einer Epochs nach uns werden in ihnen lebendige Schilderer einer Epochs
finden, die ebenso unerfreulich wie wichtig war. finden, die ebenso unerfreulich wie wichtig war.
Arthur Schnitzler errang seinen ersten großen Bühnen¬ Arthur Schnitzler errang seinen ersten großen Bühnen¬
erfolg mit der Tragödie „Liebelet“. Die Sinnlosigheit einer erfolg mit der Tragödie „Liebelet“. Die Sinnlosigheit einer
sorglosen Zeit, ihre versteinerten Gesetze und die revolutio¬ sorglosen Zeit, ihre versteinerten Gesetze und die revolutio¬
näre Jugend, die nicht mit sich und ihrer Umwelt fertig näre Jugend, die nicht mit sich und ihrer Umwelt fertig
wird, gibt das Thema. Ueber weitere Theatererfolge „Frei¬ wird, gibt das Thema. Ueber weitere Theatererfolge „Frei¬
wild", „Vermächtnis", „Der Grüne Kakadu", „Professor wild", „Vermächtnis", „Der Grüne Kakadu", „Professor
Bernhardi“ gelangt der Autor zu einem etwas bitteren Ton Bernhardi“ gelangt der Autor zu einem etwas bitteren Ton
der sozialen Tragödie, die schwermütig und ein wenig sen¬ der sozialen Tragödie, die schwermütig und ein wenig sen¬
timental in den meisten seiner Werhe vorherrscht. Die timental in den meisten seiner Werhe vorherrscht. Die
Erfolge seiner erzählenden Schriften sind vielleicht weniges Erfolge seiner erzählenden Schriften sind vielleicht weniges
eindrucksvoll, aber gewiß nachhaltiger in ihrer Wirkung. eindrucksvoll, aber gewiß nachhaltiger in ihrer Wirkung.
Seine zahlreichen Novellen, seine Romane enthalten einen Seine zahlreichen Novellen, seine Romane enthalten einen
so bedeutenden Schatz an Menschenkenntnio, Beobachtung so bedeutenden Schatz an Menschenkenntnio, Beobachtung
und eigenartiger Darstellung, daß hier erst seine besondere und eigenartiger Darstellung, daß hier erst seine besondere
Persönlichkeit sich voll auswirkt. Der Mensch Schnitzler Persönlichkeit sich voll auswirkt. Der Mensch Schnitzler
war ein innerlich Einsamer, der beobachtend in seiner Um¬ war ein innerlich Einsamer, der beobachtend in seiner Um¬
gebung lebte, die er nie bekämpfte, die er nur erkannte. gebung lebte, die er nie bekämpfte, die er nur erkannte.
Sein Geschmack, sein Takt und sein Stilgefühl, welche Sein Geschmack, sein Takt und sein Stilgefühl, welche
Eigenschaften seinen Werken ihren besonderen Reiz geben, Eigenschaften seinen Werken ihren besonderen Reiz geben,
machten ihn für den Alltag sensibel und zurückhaltend. Die machten ihn für den Alltag sensibel und zurückhaltend. Die
Jahre bedeuteten ihm keine Last, doch traurige Erlednisse Jahre bedeuteten ihm keine Last, doch traurige Erlednisse
in seiner Familie drückten auf sein Gemüt. Der Tod - in seiner Familie drückten auf sein Gemüt. Der Tod -
ein Schlaganfall — nahm ihn schnell und schmerzloo hin¬ ein Schlaganfall — nahm ihn schnell und schmerzloo hin¬
weg. Er war gerade von einem Spaziergang gekommen weg. Er war gerade von einem Spaziergang gekommen
und hatte am Abend vorher bei bestem Wohlsein das und hatte am Abend vorher bei bestem Wohlsein das
Theater besucht. Theater besucht.
Sein Name trug das Wesen des alten Oesterreich durch Sein Name trug das Wesen des alten Oesterreich durch
die ganze Welt. Seine Stücke wurden in allen Ländern die ganze Welt. Seine Stücke wurden in allen Ländern
aufgeführt, seine erzählenden Schriften in allen Sprachen aufgeführt, seine erzählenden Schriften in allen Sprachen
übersetzt. Wien stimmte schon die Instrumente, um seinen übersetzt. Wien stimmte schon die Instrumente, um seinen
Dichter zu Beginn des 70. Geburtstages zu begrüßen. Der Dichter zu Beginn des 70. Geburtstages zu begrüßen. Der
Tod trat dazwischen. Die Geigen werden Trauerlieder Tod trat dazwischen. Die Geigen werden Trauerlieder
spielen ... „Wir spielen immer. Wer es weiß, ist klug. spielen ... „Wir spielen immer. Wer es weiß, ist klug.
Eva Schauwecker. Eva Schauwecker.
Der lachende Schnitzler.. Der lachende Schnitzler..
Charakteristische Anekdoten um den toten Dichter. Charakteristische Anekdoten um den toten Dichter.
Schnitzler, auch im Freundeskreis häufig mohr als Schnitzler, auch im Freundeskreis häufig mohr als
bissig, sitzt mit Bekannten in Wien plaudernd zusemmen. bissig, sitzt mit Bekannten in Wien plaudernd zusemmen.
In angeregter Stimmung erzählt Schnitzler einen Wiz den In angeregter Stimmung erzählt Schnitzler einen Wiz den
er kürzlich irgendwo gehört hat. er kürzlich irgendwo gehört hat.
Schallendes Gelächter; plötzlich sagt M. P., der nicht Schallendes Gelächter; plötzlich sagt M. P., der nicht
ganz unbekannte Mitarbeiter Wiener Blätter und Vater ganz unbekannte Mitarbeiter Wiener Blätter und Vater
zahlreicher Aphorismen und Paradoxe: „Glänzend, wirklich zahlreicher Aphorismen und Paradoxe: „Glänzend, wirklich
glänzend! Diese Pointe! Ich wünschte wirklich, diesen Witz glänzend! Diese Pointe! Ich wünschte wirklich, diesen Witz
hätte ich gemacht!“ hätte ich gemacht!“
Darauf Schnitzler, mit todernstem Gesicht: Darauf Schnitzler, mit todernstem Gesicht:
„Du wirst ihn machen, lieber Freund!“ „Du wirst ihn machen, lieber Freund!“
Arthur Schnitzler kommt von einer längeren Vortrags¬ Arthur Schnitzler kommt von einer längeren Vortrags¬
reise zurück und wird nach seinem Erfolg gefragt. Müde reise zurück und wird nach seinem Erfolg gefragt. Müde
winkt er ab: winkt er ab:
„Ach, laßts mich zufrieden. Zwei Sekretäre hab ich „Ach, laßts mich zufrieden. Zwei Sekretäre hab ich
gebraucht während der Reise! Der eine beantwortete die gebraucht während der Reise! Der eine beantwortete die
Briefe, die ich erhielt, der andere versandte Haarlocken an Briefe, die ich erhielt, der andere versandte Haarlocken an
meine Verehrer und Verehrerinnen. Aber beide habe ich meine Verehrer und Verehrerinnen. Aber beide habe ich
leider unterwegs zurücklassen müssen!“ leider unterwegs zurücklassen müssen!“
„Ach, warum denn? „Ach, warum denn?
„Nun, der eine liegt im Spital mit einem Schreib¬ „Nun, der eine liegt im Spital mit einem Schreib¬
krampf, und der andere ist kahlköpfig geworden!“ krampf, und der andere ist kahlköpfig geworden!“