VII, Verschiedenes 12, Schnitzlers Tod, Seite 284

2. Schnitzler's Death 2. Schnitzler's Death
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OBSERVER OBSERVER
I. österr. behördl. konzessioniertes I. österr. behördl. konzessioniertes
Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte
WIEN, I., WOLLZEILE 11 WIEN, I., WOLLZEILE 11
TELEPHON R-23-0-43 TELEPHON R-23-0-43
Ausschnitt aus: Ausschnitt aus:
Ausschnitt aus Ausschnitt aus
Pfälzische Rundschau Ludwigchafen Pfälzische Rundschau Ludwigchafen
Nr. hvom. Nr. hvom.
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Wissen um den Tod. Ueber all dem, was er Wissen um den Tod. Ueber all dem, was er
schrieb, könnten des alten ontane müde Worte schrieb, könnten des alten ontane müde Worte
stehen: stehen:
„Frühling. Sommer. Herbst und Winter, „Frühling. Sommer. Herbst und Winter,
Ach. es ist nicht viel dahinter. Ach. es ist nicht viel dahinter.
Man hat Schnitzler oft angegriffen. Man hat Schnitzler oft angegriffen.
man hat man hat
ihm einen bösen Zynismus in allen Liebesdingen ihm einen bösen Zynismus in allen Liebesdingen
vorgeworfen, sein „Reigen“ ist der Anlaß zu einem vorgeworfen, sein „Reigen“ ist der Anlaß zu einem
Zum Lode von Arthur Schnitzler: Zum Lode von Arthur Schnitzler:
großen Prozeß gewesen. Aber im Grunde seines großen Prozeß gewesen. Aber im Grunde seines
Herzens war er nie zynisch. Herzens war er nie zynisch.
Der letzte Besterreicher Der letzte Besterreicher
Er war ein Skeptiker, und diese Skepsis ent¬ Er war ein Skeptiker, und diese Skepsis ent¬
Man kennt sein Bild: ein etwas melancholischer Man kennt sein Bild: ein etwas melancholischer
stammte seinem Arzttum. Er hat diese Vergangen¬ stammte seinem Arzttum. Er hat diese Vergangen¬
Herr mit rotblondem Spitzbart und einer schönen Herr mit rotblondem Spitzbart und einer schönen
heit nie verleugnen können. So wie er in seiner heit nie verleugnen können. So wie er in seiner
Locke, die kokett in die Stirn fällt. Die schwer¬ Locke, die kokett in die Stirn fällt. Die schwer¬
ersten Novelle „Sterben“ mit dem unerbittlichen ersten Novelle „Sterben“ mit dem unerbittlichen
mütigen Augen, die manchmar einen recht zynischen mütigen Augen, die manchmar einen recht zynischen
Messer des erfahrenen Chirurgen die letzten Stun¬ Messer des erfahrenen Chirurgen die letzten Stun¬
Ausdruck annehmen konnten, haben ihre Wirkung den eines Menschen seziert, genau so betrachtet Ausdruck annehmen konnten, haben ihre Wirkung den eines Menschen seziert, genau so betrachtet
auf die Frauen nie verfehlt. Erst in den letzten auf die Frauen nie verfehlt. Erst in den letzten
er mit dem forschenden und zugleich wissenden er mit dem forschenden und zugleich wissenden
Jahren, als er die Sechzig schon längst überschritten Jahren, als er die Sechzig schon längst überschritten
Blicke des Klinikers die Probleme der Liebe und Blicke des Klinikers die Probleme der Liebe und
hatte, tauchten die weißen Strähnen auf, und die der Ehe. Es ist fast ein physiologisches Interesse, hatte, tauchten die weißen Strähnen auf, und die der Ehe. Es ist fast ein physiologisches Interesse,
Koketterie verschwand. Koketterie verschwand.
das er diesen Dingen entgegenbringt; er spricht das er diesen Dingen entgegenbringt; er spricht
„Flucht in die Finsternis“ „Flucht in die Finsternis“
von der Liebe, aber wie einer, der sie nie in von der Liebe, aber wie einer, der sie nie in
heißt sein heißt sein
Wahrheit erfahren hat. Wahrheit erfahren hat.
letztes Werk. Nun hat er selbst die Flucht er¬ letztes Werk. Nun hat er selbst die Flucht er¬
griffen. Er stard, wie er es sich wohl gewünscht griffen. Er stard, wie er es sich wohl gewünscht
Wie so viele Aerzte, besaß er ein starkes Ge¬ Wie so viele Aerzte, besaß er ein starkes Ge¬
haben mag: nach einem Spaziergang zwischen haben mag: nach einem Spaziergang zwischen
fühl für Musik. Die Melodie seiner Heimat, fühl für Musik. Die Melodie seiner Heimat,
Kahlenberg und Hermannskogel. mitten durch den Kahlenberg und Hermannskogel. mitten durch den
diese seltsame Mischung zwischen Leichtsinn und diese seltsame Mischung zwischen Leichtsinn und
herrlichen Herbst des Wiener Waldes, der sein letz¬ herrlichen Herbst des Wiener Waldes, der sein letz¬
Dekadenz, diese so ganz österreichische Dekadenz, diese so ganz österreichische
ter Trost geblieben war. ter Trost geblieben war.
Atmosphäre hat er getroffen wie kein zweiter. Atmosphäre hat er getroffen wie kein zweiter.
Der Junggeselle Anatol und das süße Mädel Der Junggeselle Anatol und das süße Mädel
Sein Tod ist von der gleichen Tragik umwittert, Sein Tod ist von der gleichen Tragik umwittert,
es sind eigentlich immer dieselben Wiener es sind eigentlich immer dieselben Wiener
die diesen graziösen Wiener Kavalier immer zum die diesen graziösen Wiener Kavalier immer zum
Gestalten, die in allen seinen Werken wieder¬ Gestalten, die in allen seinen Werken wieder¬
Melancholiker stempelte. Wenige Monate Melancholiker stempelte. Wenige Monate
kehren, in anderer Verkleidung, in anderer Um¬ kehren, in anderer Verkleidung, in anderer Um¬
vor seinem siebzigsten Geburtstag, der ihn mit vor seinem siebzigsten Geburtstag, der ihn mit
gebung, in anderer Handlung. Aber ihr Herz gebung, in anderer Handlung. Aber ihr Herz
reichsten Ehrungen erwartete, mußte er aus dem reichsten Ehrungen erwartete, mußte er aus dem
ist das gleiche: es ist das Herz des alten Oester¬ ist das gleiche: es ist das Herz des alten Oester¬
Leben gehen. Freilich. Arthur Schnitzler wäre Leben gehen. Freilich. Arthur Schnitzler wäre
reich, Schnitzlers eigenes Herz. reich, Schnitzlers eigenes Herz.
dem offiziellen Prunk dieser Maitage auch so aus¬ dem offiziellen Prunk dieser Maitage auch so aus¬
gewichen, er war ein stiller, einsamer, alter Mann gewichen, er war ein stiller, einsamer, alter Mann
Die junge Generation hat sich anderen, neuen Die junge Generation hat sich anderen, neuen
geworden, aber diese Bestätigung seines Daseins geworden, aber diese Bestätigung seines Daseins
Göttern zugewandt. Für sie verkörperte Schnitz¬ Göttern zugewandt. Für sie verkörperte Schnitz¬
und seiner Werke hätte ihn doch erfreut. und seiner Werke hätte ihn doch erfreut.
ler eine aussterbende, dekadente Generation. Ver¬ ler eine aussterbende, dekadente Generation. Ver¬
ständnislos steht sie diesem sentimentalen Spiel ständnislos steht sie diesem sentimentalen Spiel
Im Schaffen Schnitzlers gab es zwei Pole, die Im Schaffen Schnitzlers gab es zwei Pole, die
ihn mit einer seltsamen magischen Gewalt im ner um Liebe und Tod gegenüber, dieser inneren ihn mit einer seltsamen magischen Gewalt im ner um Liebe und Tod gegenüber, dieser inneren
Ausgeglichenheit und Harmonie, die seine Werke Ausgeglichenheit und Harmonie, die seine Werke
wieder anzogen: Sterben und Liebelei. wieder anzogen: Sterben und Liebelei.
so klar und einfach gestalteten. Er war kein Re¬ so klar und einfach gestalteten. Er war kein Re¬
„Gibt es einen anständigen Menschen. der in ir¬ „Gibt es einen anständigen Menschen. der in ir¬
volutionär, er war ein Einsamer, ein Einzel¬ volutionär, er war ein Einsamer, ein Einzel¬
gend einer guten Stunde in tiefster Seele an et¬ gend einer guten Stunde in tiefster Seele an et¬
ganger, dem das private Schicksal mehr bedeutete ganger, dem das private Schicksal mehr bedeutete
was anderes denkt als an das Sterben?“. schrieb was anderes denkt als an das Sterben?“. schrieb
als das allgemeine. Aber vielleicht ist gerade als das allgemeine. Aber vielleicht ist gerade
er einmal. Dieser anständige Mensch hatte viele er einmal. Dieser anständige Mensch hatte viele
das der tiefere Grund dafür, daß man seine Stücke das der tiefere Grund dafür, daß man seine Stücke
gute Stunden in seinem Leben. Eine leise gute Stunden in seinem Leben. Eine leise
noch immer spielt, daß sie uns immer noch er¬ noch immer spielt, daß sie uns immer noch er¬
Resignation liegt über all seinen Romanen, No¬ Resignation liegt über all seinen Romanen, No¬
greifen. greifen.
vellen und Theaterstücken; Menschen und Dinge vellen und Theaterstücken; Menschen und Dinge
sind von einem eigentümlichen herbstlichen Hauche sind von einem eigentümlichen herbstlichen Hauche
In den letzten Jahren ist es stiller geworden In den letzten Jahren ist es stiller geworden
umweht, sie leben, aber dieses Leben ist ein um Schnitzler, und auch der Dichter selbst tu umweht, sie leben, aber dieses Leben ist ein um Schnitzler, und auch der Dichter selbst tu