2. Schnitzler's Death 2. Schnitzler's Death
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der Liebe, da stirbt gelehrte Fremdworte für zerfaserte Empfindungen der Liebe, da stirbt gelehrte Fremdworte für zerfaserte Empfindungen
sondern löffelt erst mit wucherten, die nach einem Beschwörer riefen, der ihnen sondern löffelt erst mit wucherten, die nach einem Beschwörer riefen, der ihnen
andern) im Chambre andern) im Chambre
in Freud förmlich folgerichtig erstand. Eine Gesellschaft, in Freud förmlich folgerichtig erstand. Eine Gesellschaft,
nicht zu Unrecht jener der französischen Vorrevolution nicht zu Unrecht jener der französischen Vorrevolution
s und folgt dann dem s und folgt dann dem
mmer (damals sind die mmer (damals sind die
verwandt, degeneriert, im Ueberfluß an Zeit und Geld verwandt, degeneriert, im Ueberfluß an Zeit und Geld
inkel gewesen), und man inkel gewesen), und man
lebend, sich selbst unsäglich bedeutsam. Dabei leicht, lebend, sich selbst unsäglich bedeutsam. Dabei leicht,
nicht die einzigen sin nicht die einzigen sin
liebenswürdig, geistig interessant, ohne Erdenschwere liebenswürdig, geistig interessant, ohne Erdenschwere
das süße Mädel sein. das süße Mädel sein.
grradezu bedenklich unbeschwert. Nicht was sich grradezu bedenklich unbeschwert. Nicht was sich
Durst nach Erleben, Durst nach Erleben,
draußen in der Welt begibt, ist wichtig. Wichtig ist nur draußen in der Welt begibt, ist wichtig. Wichtig ist nur
schön. Die Mutter schön. Die Mutter
die Liebe und die Liebelei, die Komödie der Verführung die Liebe und die Liebelei, die Komödie der Verführung
sem Blumengeschäft, der sem Blumengeschäft, der
und die Komödie der Worte, die Zwischenspiele des und die Komödie der Worte, die Zwischenspiele des
te Schwester, der Fratz, te Schwester, der Fratz,
Herzens und daraus der Weg ins Freie, wohl auch der Herzens und daraus der Weg ins Freie, wohl auch der
linem Schulbuben schon linem Schulbuben schon
einsame Weg. Man horcht zu viel in sich hinein, in einsame Weg. Man horcht zu viel in sich hinein, in
Seel', sie ist nur mit ins Seel', sie ist nur mit ins
und den andern, daß man darüber die Stimmen der und den andern, daß man darüber die Stimmen der
atte (der andern) ihrem atte (der andern) ihrem
Welt überhört, deren Aufheulen dann plötzlich all die Welt überhört, deren Aufheulen dann plötzlich all die
lich schaut. ... Er darf lich schaut. ... Er darf
feinen, überzüchteten Leute jäh verstummen läßt. feinen, überzüchteten Leute jäh verstummen läßt.
Es ist so bezeichnend, daß man Schnitzler schon im Es ist so bezeichnend, daß man Schnitzler schon im
algestalt ist Schnitzlers algestalt ist Schnitzlers
Zeitkostüm der Vorkriegstage spielt. Seine Stücke sind, Zeitkostüm der Vorkriegstage spielt. Seine Stücke sind,
weder äußerlich noch weder äußerlich noch
gleich seinen unendlich reizvollen Novellen, in denen gleich seinen unendlich reizvollen Novellen, in denen
elnde Wehmut des glück¬ elnde Wehmut des glück¬
es auch um bittersüßes, melancholisch verspieltes Lieben es auch um bittersüßes, melancholisch verspieltes Lieben
de Melodie der Stadt, de Melodie der Stadt,
und Sterben geht, zum Kulturspiegel ihrer Epoche ge¬ und Sterben geht, zum Kulturspiegel ihrer Epoche ge¬
war, und dieses Singen war, und dieses Singen
worden und also, über dichterischen Wert und Zauber worden und also, über dichterischen Wert und Zauber
das sich ohne Bedenken, das sich ohne Bedenken,
hinaus, zum Kulturwert. Schnitzler ist nicht unmodern, hinaus, zum Kulturwert. Schnitzler ist nicht unmodern,
er Liebe gibt, wenn die er Liebe gibt, wenn die
er ist nur zeitgebunden, was etwas ganz andres ist. er ist nur zeitgebunden, was etwas ganz andres ist.
sotut, manchmal, wie bei sotut, manchmal, wie bei
Sein Leben selbst war in die bewegenden Kräfte Sein Leben selbst war in die bewegenden Kräfte
a nicht mehr leben mag a nicht mehr leben mag
jener Zeit gestellt, die in sein Schicksal eingriffen wie jener Zeit gestellt, die in sein Schicksal eingriffen wie
aus der Vorstadt wohl aus der Vorstadt wohl
in das seiner Geschöpfe. Die eigene Tochter liebt, in das seiner Geschöpfe. Die eigene Tochter liebt,
den mondänen und¬ den mondänen und¬
heiratet und geht dahin wie eines der aparten, leise an¬ heiratet und geht dahin wie eines der aparten, leise an¬
die durch seine Werke die durch seine Werke
gekränkelten Schnitzler=Figürchen, die ihr Leben nicht gekränkelten Schnitzler=Figürchen, die ihr Leben nicht
ticht den Mut zur Liebe ticht den Mut zur Liebe
zu Ende zu leben vermögen. Und er selbst war ein zu Ende zu leben vermögen. Und er selbst war ein
Coras, den Emilien, Coras, den Emilien,
vornehmer, geistvoller Schnitzler=Herr intellektueller vornehmer, geistvoller Schnitzler=Herr intellektueller
goistisch waren und feig goistisch waren und feig
Kreise, der so sehr begriff, so tief in die Menschen Kreise, der so sehr begriff, so tief in die Menschen
en Luft ihrer vornehmen en Luft ihrer vornehmen
schaute, daß oft wie Schwäche wirken mochte, was nur schaute, daß oft wie Schwäche wirken mochte, was nur
und schwere Portieren und schwere Portieren
verstehendes Wissen war. Ein echt österreichisches verstehendes Wissen war. Ein echt österreichisches
gestimmt waren. Man gab gestimmt waren. Man gab
Antlitz und ein österreichisches Schicksal: Begnadet, ge¬ Antlitz und ein österreichisches Schicksal: Begnadet, ge¬
man war geistvoll, subtil, man war geistvoll, subtil,
lieht, erhöht und heimgesucht — ein Schnitzler=Schicksal lieht, erhöht und heimgesucht — ein Schnitzler=Schicksal
man diskutierte, analy man diskutierte, analy
Die Verfügungen über seinen letzten Weg, seine Die Verfügungen über seinen letzten Weg, seine
Elementares zu Sen Elementares zu Sen
„Flucht in die Finsternis" haben bewiesen, wieviel Sehn¬ „Flucht in die Finsternis" haben bewiesen, wieviel Sehn¬
elungen der Urgefühle, elungen der Urgefühle,
sucht nach Einfachheit, wieviel Abkehr von der Phrase sucht nach Einfachheit, wieviel Abkehr von der Phrase
war jene überkultivierte und dem Dekor des Lebens in ihm war trotz aller war jene überkultivierte und dem Dekor des Lebens in ihm war trotz aller
Gefühlen, in der taufend psychischen Hochzucht. Und ein Kind dieser Schlichtheits¬ Gefühlen, in der taufend psychischen Hochzucht. Und ein Kind dieser Schlichtheits¬
träume, dieses Wunsches, Urwüchsigem näherzurücken, träume, dieses Wunsches, Urwüchsigem näherzurücken,
war das süße Mädel, das nichts kannte als die Gesetz¬ war das süße Mädel, das nichts kannte als die Gesetz¬
mäßigkeit seines Blutes und seines unkomplizierten, mäßigkeit seines Blutes und seines unkomplizierten,
geradlinigen Weibtums. „Freilich bist du dumm, sagt geradlinigen Weibtums. „Freilich bist du dumm, sagt
im „Reigen“ der Dichter zum süßen Mädel. „Aber im „Reigen“ der Dichter zum süßen Mädel. „Aber
gerade darum hab' ich dich lieb. Ach, das ist so schön, gerade darum hab' ich dich lieb. Ach, das ist so schön,
wenn ihr dumm seid. Ich mein' in der Art wie du“... wenn ihr dumm seid. Ich mein' in der Art wie du“...
Und später noch einmal: „Göttlich, diese Dumm¬ Und später noch einmal: „Göttlich, diese Dumm¬
heit!... Ach, wenn du ahntest, was du für mich bist..., heit!... Ach, wenn du ahntest, was du für mich bist...,
du bist schön, du bist die Schönheit, du bist vielleicht so¬ du bist schön, du bist die Schönheit, du bist vielleicht so¬
gar die Natur, du bist die heilige Einfalt..., du bist das, gar die Natur, du bist die heilige Einfalt..., du bist das,
was ich seit langem gesucht habe. Du liebst nur mich, was ich seit langem gesucht habe. Du liebst nur mich,
du würdest mich auch lieben, wenn ich Schnittwaren¬ du würdest mich auch lieben, wenn ich Schnittwaren¬
kommis wäre. Das tut wohl. kommis wäre. Das tut wohl.
Es ist, als hätte sich das Schaffen Schnitzlers immer Es ist, als hätte sich das Schaffen Schnitzlers immer
wieder zur Naturhaftigkeit des süßen Mädels gerettet, wieder zur Naturhaftigkeit des süßen Mädels gerettet,
als hätte er nach all den verhangenen, verschleierten als hätte er nach all den verhangenen, verschleierten
irisierenden Blicken seiner Salondamen ihres lieben irisierenden Blicken seiner Salondamen ihres lieben
G'schaus bedurft. Gewiß hätte er damit nie sein Aus¬ G'schaus bedurft. Gewiß hätte er damit nie sein Aus¬
langen gefunden, ihre Quellfrische war der Kontrapunkt langen gefunden, ihre Quellfrische war der Kontrapunkt
zur degenerativen Kultur seiner Epoche, bei ihrer zur degenerativen Kultur seiner Epoche, bei ihrer
„göttlichen Dummheit“ ruhte seine Bildnerhand von „göttlichen Dummheit“ ruhte seine Bildnerhand von
dem oft strapaziösen Geist der Boudoirs und Winter¬ dem oft strapaziösen Geist der Boudoirs und Winter¬
gärten. In der großen Welt, siehst du, da werden wir gärten. In der großen Welt, siehst du, da werden wir
verstanden, sagt Anatol irgendwo einmal, aber in der verstanden, sagt Anatol irgendwo einmal, aber in der
kleinen Welt, da werden wir geliebt. kleinen Welt, da werden wir geliebt.
„Wo lernten Sie sie kennen?" fragt die elegante „Wo lernten Sie sie kennen?" fragt die elegante
Gabriele den Anatol. „Gott, wie man jemand kennen¬ Gabriele den Anatol. „Gott, wie man jemand kennen¬
lernt!... Auf der Straße..., beim Tanz..., in einem lernt!... Auf der Straße..., beim Tanz..., in einem
Omnibus..., unter einem Regenschirm. Alles an dem Omnibus..., unter einem Regenschirm. Alles an dem
süßen Mädel ist unkompliziert: Bekanntschaft, Wesen süßen Mädel ist unkompliziert: Bekanntschaft, Wesen
und Liebe. und Liebe.
Welches seiner Geschöpfe dem Dichter näherstand, Welches seiner Geschöpfe dem Dichter näherstand,
die fesselnde Dame der Gesellschaft oder das Vorstadt¬ die fesselnde Dame der Gesellschaft oder das Vorstadt¬
mädel? Orchidee oder Maßliebchen? Er, der gleich mädel? Orchidee oder Maßliebchen? Er, der gleich
Ibsen die große, verwirrende Lehre der Ambivalenz Ibsen die große, verwirrende Lehre der Ambivalenz
kündete, nach der in einer Empfindung gleichermaßen kündete, nach der in einer Empfindung gleichermaßen
auch ihr Gegensatz wahr ist, er hat Gabriele und das auch ihr Gegensatz wahr ist, er hat Gabriele und das
süße Mädel geliebt, beide gekannt und beide unsterblich süße Mädel geliebt, beide gekannt und beide unsterblich
gemacht, die Dame im schwülen Duft dekadenten Geistes gemacht, die Dame im schwülen Duft dekadenten Geistes
und das Grisettchen Wiens in seiner bezwingenden und das Grisettchen Wiens in seiner bezwingenden
Warmherzigkeit, das süße Mädel. Warmherzigkeit, das süße Mädel.
Helene Tuschal. Helene Tuschal.
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der Liebe, da stirbt gelehrte Fremdworte für zerfaserte Empfindungen der Liebe, da stirbt gelehrte Fremdworte für zerfaserte Empfindungen
sondern löffelt erst mit wucherten, die nach einem Beschwörer riefen, der ihnen sondern löffelt erst mit wucherten, die nach einem Beschwörer riefen, der ihnen
andern) im Chambre andern) im Chambre
in Freud förmlich folgerichtig erstand. Eine Gesellschaft, in Freud förmlich folgerichtig erstand. Eine Gesellschaft,
nicht zu Unrecht jener der französischen Vorrevolution nicht zu Unrecht jener der französischen Vorrevolution
s und folgt dann dem s und folgt dann dem
mmer (damals sind die mmer (damals sind die
verwandt, degeneriert, im Ueberfluß an Zeit und Geld verwandt, degeneriert, im Ueberfluß an Zeit und Geld
inkel gewesen), und man inkel gewesen), und man
lebend, sich selbst unsäglich bedeutsam. Dabei leicht, lebend, sich selbst unsäglich bedeutsam. Dabei leicht,
nicht die einzigen sin nicht die einzigen sin
liebenswürdig, geistig interessant, ohne Erdenschwere liebenswürdig, geistig interessant, ohne Erdenschwere
das süße Mädel sein. das süße Mädel sein.
grradezu bedenklich unbeschwert. Nicht was sich grradezu bedenklich unbeschwert. Nicht was sich
Durst nach Erleben, Durst nach Erleben,
draußen in der Welt begibt, ist wichtig. Wichtig ist nur draußen in der Welt begibt, ist wichtig. Wichtig ist nur
schön. Die Mutter schön. Die Mutter
die Liebe und die Liebelei, die Komödie der Verführung die Liebe und die Liebelei, die Komödie der Verführung
sem Blumengeschäft, der sem Blumengeschäft, der
und die Komödie der Worte, die Zwischenspiele des und die Komödie der Worte, die Zwischenspiele des
te Schwester, der Fratz, te Schwester, der Fratz,
Herzens und daraus der Weg ins Freie, wohl auch der Herzens und daraus der Weg ins Freie, wohl auch der
linem Schulbuben schon linem Schulbuben schon
einsame Weg. Man horcht zu viel in sich hinein, in einsame Weg. Man horcht zu viel in sich hinein, in
Seel', sie ist nur mit ins Seel', sie ist nur mit ins
und den andern, daß man darüber die Stimmen der und den andern, daß man darüber die Stimmen der
atte (der andern) ihrem atte (der andern) ihrem
Welt überhört, deren Aufheulen dann plötzlich all die Welt überhört, deren Aufheulen dann plötzlich all die
lich schaut. ... Er darf lich schaut. ... Er darf
feinen, überzüchteten Leute jäh verstummen läßt. feinen, überzüchteten Leute jäh verstummen läßt.
Es ist so bezeichnend, daß man Schnitzler schon im Es ist so bezeichnend, daß man Schnitzler schon im
algestalt ist Schnitzlers algestalt ist Schnitzlers
Zeitkostüm der Vorkriegstage spielt. Seine Stücke sind, Zeitkostüm der Vorkriegstage spielt. Seine Stücke sind,
weder äußerlich noch weder äußerlich noch
gleich seinen unendlich reizvollen Novellen, in denen gleich seinen unendlich reizvollen Novellen, in denen
elnde Wehmut des glück¬ elnde Wehmut des glück¬
es auch um bittersüßes, melancholisch verspieltes Lieben es auch um bittersüßes, melancholisch verspieltes Lieben
de Melodie der Stadt, de Melodie der Stadt,
und Sterben geht, zum Kulturspiegel ihrer Epoche ge¬ und Sterben geht, zum Kulturspiegel ihrer Epoche ge¬
war, und dieses Singen war, und dieses Singen
worden und also, über dichterischen Wert und Zauber worden und also, über dichterischen Wert und Zauber
das sich ohne Bedenken, das sich ohne Bedenken,
hinaus, zum Kulturwert. Schnitzler ist nicht unmodern, hinaus, zum Kulturwert. Schnitzler ist nicht unmodern,
er Liebe gibt, wenn die er Liebe gibt, wenn die
er ist nur zeitgebunden, was etwas ganz andres ist. er ist nur zeitgebunden, was etwas ganz andres ist.
sotut, manchmal, wie bei sotut, manchmal, wie bei
Sein Leben selbst war in die bewegenden Kräfte Sein Leben selbst war in die bewegenden Kräfte
a nicht mehr leben mag a nicht mehr leben mag
jener Zeit gestellt, die in sein Schicksal eingriffen wie jener Zeit gestellt, die in sein Schicksal eingriffen wie
aus der Vorstadt wohl aus der Vorstadt wohl
in das seiner Geschöpfe. Die eigene Tochter liebt, in das seiner Geschöpfe. Die eigene Tochter liebt,
den mondänen und¬ den mondänen und¬
heiratet und geht dahin wie eines der aparten, leise an¬ heiratet und geht dahin wie eines der aparten, leise an¬
die durch seine Werke die durch seine Werke
gekränkelten Schnitzler=Figürchen, die ihr Leben nicht gekränkelten Schnitzler=Figürchen, die ihr Leben nicht
ticht den Mut zur Liebe ticht den Mut zur Liebe
zu Ende zu leben vermögen. Und er selbst war ein zu Ende zu leben vermögen. Und er selbst war ein
Coras, den Emilien, Coras, den Emilien,
vornehmer, geistvoller Schnitzler=Herr intellektueller vornehmer, geistvoller Schnitzler=Herr intellektueller
goistisch waren und feig goistisch waren und feig
Kreise, der so sehr begriff, so tief in die Menschen Kreise, der so sehr begriff, so tief in die Menschen
en Luft ihrer vornehmen en Luft ihrer vornehmen
schaute, daß oft wie Schwäche wirken mochte, was nur schaute, daß oft wie Schwäche wirken mochte, was nur
und schwere Portieren und schwere Portieren
verstehendes Wissen war. Ein echt österreichisches verstehendes Wissen war. Ein echt österreichisches
gestimmt waren. Man gab gestimmt waren. Man gab
Antlitz und ein österreichisches Schicksal: Begnadet, ge¬ Antlitz und ein österreichisches Schicksal: Begnadet, ge¬
man war geistvoll, subtil, man war geistvoll, subtil,
lieht, erhöht und heimgesucht — ein Schnitzler=Schicksal lieht, erhöht und heimgesucht — ein Schnitzler=Schicksal
man diskutierte, analy man diskutierte, analy
Die Verfügungen über seinen letzten Weg, seine Die Verfügungen über seinen letzten Weg, seine
Elementares zu Sen Elementares zu Sen
„Flucht in die Finsternis" haben bewiesen, wieviel Sehn¬ „Flucht in die Finsternis" haben bewiesen, wieviel Sehn¬
elungen der Urgefühle, elungen der Urgefühle,
sucht nach Einfachheit, wieviel Abkehr von der Phrase sucht nach Einfachheit, wieviel Abkehr von der Phrase
war jene überkultivierte und dem Dekor des Lebens in ihm war trotz aller war jene überkultivierte und dem Dekor des Lebens in ihm war trotz aller
Gefühlen, in der taufend psychischen Hochzucht. Und ein Kind dieser Schlichtheits¬ Gefühlen, in der taufend psychischen Hochzucht. Und ein Kind dieser Schlichtheits¬
träume, dieses Wunsches, Urwüchsigem näherzurücken, träume, dieses Wunsches, Urwüchsigem näherzurücken,
war das süße Mädel, das nichts kannte als die Gesetz¬ war das süße Mädel, das nichts kannte als die Gesetz¬
mäßigkeit seines Blutes und seines unkomplizierten, mäßigkeit seines Blutes und seines unkomplizierten,
geradlinigen Weibtums. „Freilich bist du dumm, sagt geradlinigen Weibtums. „Freilich bist du dumm, sagt
im „Reigen“ der Dichter zum süßen Mädel. „Aber im „Reigen“ der Dichter zum süßen Mädel. „Aber
gerade darum hab' ich dich lieb. Ach, das ist so schön, gerade darum hab' ich dich lieb. Ach, das ist so schön,
wenn ihr dumm seid. Ich mein' in der Art wie du“... wenn ihr dumm seid. Ich mein' in der Art wie du“...
Und später noch einmal: „Göttlich, diese Dumm¬ Und später noch einmal: „Göttlich, diese Dumm¬
heit!... Ach, wenn du ahntest, was du für mich bist..., heit!... Ach, wenn du ahntest, was du für mich bist...,
du bist schön, du bist die Schönheit, du bist vielleicht so¬ du bist schön, du bist die Schönheit, du bist vielleicht so¬
gar die Natur, du bist die heilige Einfalt..., du bist das, gar die Natur, du bist die heilige Einfalt..., du bist das,
was ich seit langem gesucht habe. Du liebst nur mich, was ich seit langem gesucht habe. Du liebst nur mich,
du würdest mich auch lieben, wenn ich Schnittwaren¬ du würdest mich auch lieben, wenn ich Schnittwaren¬
kommis wäre. Das tut wohl. kommis wäre. Das tut wohl.
Es ist, als hätte sich das Schaffen Schnitzlers immer Es ist, als hätte sich das Schaffen Schnitzlers immer
wieder zur Naturhaftigkeit des süßen Mädels gerettet, wieder zur Naturhaftigkeit des süßen Mädels gerettet,
als hätte er nach all den verhangenen, verschleierten als hätte er nach all den verhangenen, verschleierten
irisierenden Blicken seiner Salondamen ihres lieben irisierenden Blicken seiner Salondamen ihres lieben
G'schaus bedurft. Gewiß hätte er damit nie sein Aus¬ G'schaus bedurft. Gewiß hätte er damit nie sein Aus¬
langen gefunden, ihre Quellfrische war der Kontrapunkt langen gefunden, ihre Quellfrische war der Kontrapunkt
zur degenerativen Kultur seiner Epoche, bei ihrer zur degenerativen Kultur seiner Epoche, bei ihrer
„göttlichen Dummheit“ ruhte seine Bildnerhand von „göttlichen Dummheit“ ruhte seine Bildnerhand von
dem oft strapaziösen Geist der Boudoirs und Winter¬ dem oft strapaziösen Geist der Boudoirs und Winter¬
gärten. In der großen Welt, siehst du, da werden wir gärten. In der großen Welt, siehst du, da werden wir
verstanden, sagt Anatol irgendwo einmal, aber in der verstanden, sagt Anatol irgendwo einmal, aber in der
kleinen Welt, da werden wir geliebt. kleinen Welt, da werden wir geliebt.
„Wo lernten Sie sie kennen?" fragt die elegante „Wo lernten Sie sie kennen?" fragt die elegante
Gabriele den Anatol. „Gott, wie man jemand kennen¬ Gabriele den Anatol. „Gott, wie man jemand kennen¬
lernt!... Auf der Straße..., beim Tanz..., in einem lernt!... Auf der Straße..., beim Tanz..., in einem
Omnibus..., unter einem Regenschirm. Alles an dem Omnibus..., unter einem Regenschirm. Alles an dem
süßen Mädel ist unkompliziert: Bekanntschaft, Wesen süßen Mädel ist unkompliziert: Bekanntschaft, Wesen
und Liebe. und Liebe.
Welches seiner Geschöpfe dem Dichter näherstand, Welches seiner Geschöpfe dem Dichter näherstand,
die fesselnde Dame der Gesellschaft oder das Vorstadt¬ die fesselnde Dame der Gesellschaft oder das Vorstadt¬
mädel? Orchidee oder Maßliebchen? Er, der gleich mädel? Orchidee oder Maßliebchen? Er, der gleich
Ibsen die große, verwirrende Lehre der Ambivalenz Ibsen die große, verwirrende Lehre der Ambivalenz
kündete, nach der in einer Empfindung gleichermaßen kündete, nach der in einer Empfindung gleichermaßen
auch ihr Gegensatz wahr ist, er hat Gabriele und das auch ihr Gegensatz wahr ist, er hat Gabriele und das
süße Mädel geliebt, beide gekannt und beide unsterblich süße Mädel geliebt, beide gekannt und beide unsterblich
gemacht, die Dame im schwülen Duft dekadenten Geistes gemacht, die Dame im schwülen Duft dekadenten Geistes
und das Grisettchen Wiens in seiner bezwingenden und das Grisettchen Wiens in seiner bezwingenden
Warmherzigkeit, das süße Mädel. Warmherzigkeit, das süße Mädel.
Helene Tuschal. Helene Tuschal.