2. Schnitzler's Death 2. Schnitzler's Death
box 43/8 box 43/8
DOBSI DOBSI
RVER RVER
I. österr. behördl. konzessioniertes I. österr. behördl. konzessioniertes
Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte
WIEN, I., WOLLZEILE 11 WIEN, I., WOLLZEILE 11
TELEPHON R-23-0-43 TELEPHON R-23-0-43
Ausschnitt aus: Ausschnitt aus:
Die Weltbühne, Berlla Die Weltbühne, Berlla
vom: vom:
27 OKT. 1931 27 OKT. 1931
Zu Schnitzlers Tod Zu Schnitzlers Tod
Turückdenkend an Arthur Turückdenkend an Arthur
Schnitzler und an die Freu¬ Schnitzler und an die Freu¬
den, die er uns ein Menschenalter den, die er uns ein Menschenalter
hindurch erleben ließ, überfällt hindurch erleben ließ, überfällt
mich die Trauer: was wird mit mich die Trauer: was wird mit
Österreich? Es ist nicht die ge¬ Österreich? Es ist nicht die ge¬
peinigte kleine Zwangsrepublik, peinigte kleine Zwangsrepublik,
nicht die Doppelmonarchie, die, nicht die Doppelmonarchie, die,
es ist eine allgemeine Weisheit, es ist eine allgemeine Weisheit,
auch für die meisten Bewohner auch für die meisten Bewohner
ein Zwangsstaat war, was ich ein Zwangsstaat war, was ich
meine, für das zu fürchten, um meine, für das zu fürchten, um
das zu trauern wäre, — es ist der das zu trauern wäre, — es ist der
Geist Österreichs. „Das ist kein Geist Österreichs. „Das ist kein
Staat, das ist ein Zustand", hat Staat, das ist ein Zustand", hat
ein Österreicher gesagt, natürlich ein Österreicher gesagt, natürlich
voll Bitterkeit hat er es gesagt, voll Bitterkeit hat er es gesagt,
als eine Verurteilung des Staats als eine Verurteilung des Staats
wie des Zustands. Da der eine wie des Zustands. Da der eine
vergangen, der andre im Verge¬ vergangen, der andre im Verge¬
hen ist, versteht man nicht mehr hen ist, versteht man nicht mehr
die bittere Selbstverurteilung. die bittere Selbstverurteilung.
Denn was bleibt, auch bei den Denn was bleibt, auch bei den
Österreichern? Heimatliebe ohne Österreichern? Heimatliebe ohne
Gleichen und die schmerzende Gleichen und die schmerzende
Sehnsucht nach der Vergangen¬ Sehnsucht nach der Vergangen¬
heit. heit.
Immer haben Nicht-Österrei¬ Immer haben Nicht-Österrei¬
cher, „gelernte Österreicher ge¬ cher, „gelernte Österreicher ge¬
rechter geurteilt und sich offener rechter geurteilt und sich offener
zu jenem Geist bekannt, — wenn zu jenem Geist bekannt, — wenn
sie ihn nicht schlechthin verwar¬ sie ihn nicht schlechthin verwar¬
fen und verdammten. Die das fen und verdammten. Die das
taten, waren meist Preußen, die taten, waren meist Preußen, die
mit ihrem Ideal Bismarck den mit ihrem Ideal Bismarck den
Bayern „den Übergang vom Men¬ Bayern „den Übergang vom Men¬
schen zum Österreicher“ nannten. schen zum Österreicher“ nannten.
Für das Nicht-Verstehen Andrer Für das Nicht-Verstehen Andrer
sind sie nicht ohne Grund be¬ sind sie nicht ohne Grund be¬
rühmt. rühmt.
Vom Anatol und dem süßen Vom Anatol und dem süßen
Mädel, dem Leutnant Gustl, dem Mädel, dem Leutnant Gustl, dem
Fabrikanten Reithofer und dem Fabrikanten Reithofer und dem
Professor Bernhardi die unüber¬ Professor Bernhardi die unüber¬
sehbare Reihe von Frauen und sehbare Reihe von Frauen und
Männern, Bankiers, Dichter, Männern, Bankiers, Dichter,
Schauspieler, Aristokraten, Ärzte, Schauspieler, Aristokraten, Ärzte,
alle Oster¬ alle Oster¬
Beamte, Offiziere Beamte, Offiziere
reicher, Österreicher, nur gedacht, reicher, Österreicher, nur gedacht,
nur denkbar in dem seltsamen nur denkbar in dem seltsamen
Staatsgebilde, das zusammener¬ Staatsgebilde, das zusammener¬
obert und -geheiratet, inhomogen obert und -geheiratet, inhomogen
im Nationalen wie im Kulturel¬ im Nationalen wie im Kulturel¬
len, endlich doch eine Mittel¬ len, endlich doch eine Mittel¬
schicht erzeugt hatte, die nur hier schicht erzeugt hatte, die nur hier
und so sein konnte und die, wie und so sein konnte und die, wie
sie war, weit mehr gute, liebens¬ sie war, weit mehr gute, liebens¬
würdige, treffliche Eigenschaften würdige, treffliche Eigenschaften
hatte, als Fehler. Spanisches Hof¬ hatte, als Fehler. Spanisches Hof¬
zeremoniell und östliche Juden¬ zeremoniell und östliche Juden¬
schaft hatten, sie zu bilden ge schaft hatten, sie zu bilden ge
holfen, alpines Deutschtum, ma¬ holfen, alpines Deutschtum, ma¬
gyarisches Talent, süd- und west¬ gyarisches Talent, süd- und west¬
slawische Bauernschlichtheit, Ge¬ slawische Bauernschlichtheit, Ge¬
neräle und Abenteurer aus Irland neräle und Abenteurer aus Irland
und Frankreich, süddeutsche und und Frankreich, süddeutsche und
n n
Die Veltbüorlin Die Veltbüorlin
war, hat unter andern hinter¬ war, hat unter andern hinter¬
lassenen Manuskripten eines zur lassenen Manuskripten eines zur
Veröffentlichung „in fünfzig Jah- Veröffentlichung „in fünfzig Jah-
ren" bestimmt. Er glaubte an das ren" bestimmt. Er glaubte an das
Weiterleben im Geist, er wollte Weiterleben im Geist, er wollte
mit aller Geistesmacht daran mit aller Geistesmacht daran
glauben. glauben.
Der ich wehmütig zurückdenke Der ich wehmütig zurückdenke
an die Welt, in der Arthur an die Welt, in der Arthur
Schnitzler wuchs, die er innig um¬ Schnitzler wuchs, die er innig um¬
faßte, die er neu erschuf, ich faßte, die er neu erschuf, ich
zweifle. Ich habe mich nicht ge¬ zweifle. Ich habe mich nicht ge¬
wundert, daß des Dichters letzte wundert, daß des Dichters letzte
Stücke an einem Theater und Stücke an einem Theater und
dann nicht mehr gegeben wurden, dann nicht mehr gegeben wurden,
daß seine frühern viel bewährten daß seine frühern viel bewährten
keine Reprisen mehr fanden. Wer keine Reprisen mehr fanden. Wer
on dem allen Oster- on dem allen Oster-
box 43/8 box 43/8
DOBSI DOBSI
RVER RVER
I. österr. behördl. konzessioniertes I. österr. behördl. konzessioniertes
Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte
WIEN, I., WOLLZEILE 11 WIEN, I., WOLLZEILE 11
TELEPHON R-23-0-43 TELEPHON R-23-0-43
Ausschnitt aus: Ausschnitt aus:
Die Weltbühne, Berlla Die Weltbühne, Berlla
vom: vom:
27 OKT. 1931 27 OKT. 1931
Zu Schnitzlers Tod Zu Schnitzlers Tod
Turückdenkend an Arthur Turückdenkend an Arthur
Schnitzler und an die Freu¬ Schnitzler und an die Freu¬
den, die er uns ein Menschenalter den, die er uns ein Menschenalter
hindurch erleben ließ, überfällt hindurch erleben ließ, überfällt
mich die Trauer: was wird mit mich die Trauer: was wird mit
Österreich? Es ist nicht die ge¬ Österreich? Es ist nicht die ge¬
peinigte kleine Zwangsrepublik, peinigte kleine Zwangsrepublik,
nicht die Doppelmonarchie, die, nicht die Doppelmonarchie, die,
es ist eine allgemeine Weisheit, es ist eine allgemeine Weisheit,
auch für die meisten Bewohner auch für die meisten Bewohner
ein Zwangsstaat war, was ich ein Zwangsstaat war, was ich
meine, für das zu fürchten, um meine, für das zu fürchten, um
das zu trauern wäre, — es ist der das zu trauern wäre, — es ist der
Geist Österreichs. „Das ist kein Geist Österreichs. „Das ist kein
Staat, das ist ein Zustand", hat Staat, das ist ein Zustand", hat
ein Österreicher gesagt, natürlich ein Österreicher gesagt, natürlich
voll Bitterkeit hat er es gesagt, voll Bitterkeit hat er es gesagt,
als eine Verurteilung des Staats als eine Verurteilung des Staats
wie des Zustands. Da der eine wie des Zustands. Da der eine
vergangen, der andre im Verge¬ vergangen, der andre im Verge¬
hen ist, versteht man nicht mehr hen ist, versteht man nicht mehr
die bittere Selbstverurteilung. die bittere Selbstverurteilung.
Denn was bleibt, auch bei den Denn was bleibt, auch bei den
Österreichern? Heimatliebe ohne Österreichern? Heimatliebe ohne
Gleichen und die schmerzende Gleichen und die schmerzende
Sehnsucht nach der Vergangen¬ Sehnsucht nach der Vergangen¬
heit. heit.
Immer haben Nicht-Österrei¬ Immer haben Nicht-Österrei¬
cher, „gelernte Österreicher ge¬ cher, „gelernte Österreicher ge¬
rechter geurteilt und sich offener rechter geurteilt und sich offener
zu jenem Geist bekannt, — wenn zu jenem Geist bekannt, — wenn
sie ihn nicht schlechthin verwar¬ sie ihn nicht schlechthin verwar¬
fen und verdammten. Die das fen und verdammten. Die das
taten, waren meist Preußen, die taten, waren meist Preußen, die
mit ihrem Ideal Bismarck den mit ihrem Ideal Bismarck den
Bayern „den Übergang vom Men¬ Bayern „den Übergang vom Men¬
schen zum Österreicher“ nannten. schen zum Österreicher“ nannten.
Für das Nicht-Verstehen Andrer Für das Nicht-Verstehen Andrer
sind sie nicht ohne Grund be¬ sind sie nicht ohne Grund be¬
rühmt. rühmt.
Vom Anatol und dem süßen Vom Anatol und dem süßen
Mädel, dem Leutnant Gustl, dem Mädel, dem Leutnant Gustl, dem
Fabrikanten Reithofer und dem Fabrikanten Reithofer und dem
Professor Bernhardi die unüber¬ Professor Bernhardi die unüber¬
sehbare Reihe von Frauen und sehbare Reihe von Frauen und
Männern, Bankiers, Dichter, Männern, Bankiers, Dichter,
Schauspieler, Aristokraten, Ärzte, Schauspieler, Aristokraten, Ärzte,
alle Oster¬ alle Oster¬
Beamte, Offiziere Beamte, Offiziere
reicher, Österreicher, nur gedacht, reicher, Österreicher, nur gedacht,
nur denkbar in dem seltsamen nur denkbar in dem seltsamen
Staatsgebilde, das zusammener¬ Staatsgebilde, das zusammener¬
obert und -geheiratet, inhomogen obert und -geheiratet, inhomogen
im Nationalen wie im Kulturel¬ im Nationalen wie im Kulturel¬
len, endlich doch eine Mittel¬ len, endlich doch eine Mittel¬
schicht erzeugt hatte, die nur hier schicht erzeugt hatte, die nur hier
und so sein konnte und die, wie und so sein konnte und die, wie
sie war, weit mehr gute, liebens¬ sie war, weit mehr gute, liebens¬
würdige, treffliche Eigenschaften würdige, treffliche Eigenschaften
hatte, als Fehler. Spanisches Hof¬ hatte, als Fehler. Spanisches Hof¬
zeremoniell und östliche Juden¬ zeremoniell und östliche Juden¬
schaft hatten, sie zu bilden ge schaft hatten, sie zu bilden ge
holfen, alpines Deutschtum, ma¬ holfen, alpines Deutschtum, ma¬
gyarisches Talent, süd- und west¬ gyarisches Talent, süd- und west¬
slawische Bauernschlichtheit, Ge¬ slawische Bauernschlichtheit, Ge¬
neräle und Abenteurer aus Irland neräle und Abenteurer aus Irland
und Frankreich, süddeutsche und und Frankreich, süddeutsche und
n n
Die Veltbüorlin Die Veltbüorlin
war, hat unter andern hinter¬ war, hat unter andern hinter¬
lassenen Manuskripten eines zur lassenen Manuskripten eines zur
Veröffentlichung „in fünfzig Jah- Veröffentlichung „in fünfzig Jah-
ren" bestimmt. Er glaubte an das ren" bestimmt. Er glaubte an das
Weiterleben im Geist, er wollte Weiterleben im Geist, er wollte
mit aller Geistesmacht daran mit aller Geistesmacht daran
glauben. glauben.
Der ich wehmütig zurückdenke Der ich wehmütig zurückdenke
an die Welt, in der Arthur an die Welt, in der Arthur
Schnitzler wuchs, die er innig um¬ Schnitzler wuchs, die er innig um¬
faßte, die er neu erschuf, ich faßte, die er neu erschuf, ich
zweifle. Ich habe mich nicht ge¬ zweifle. Ich habe mich nicht ge¬
wundert, daß des Dichters letzte wundert, daß des Dichters letzte
Stücke an einem Theater und Stücke an einem Theater und
dann nicht mehr gegeben wurden, dann nicht mehr gegeben wurden,
daß seine frühern viel bewährten daß seine frühern viel bewährten
keine Reprisen mehr fanden. Wer keine Reprisen mehr fanden. Wer
on dem allen Oster- on dem allen Oster-