Zu Schnitzlers Tod Zu Schnitzlers Tod
Turückdenkend Turückdenkend
an Arthur an Arthur
Schnitzler und an die Freu¬ Schnitzler und an die Freu¬
den, die er uns ein Menschenalter den, die er uns ein Menschenalter
hindurch erleben ließ, überfällt hindurch erleben ließ, überfällt
mich die Trauer: was wird mit mich die Trauer: was wird mit
Österreich? Es ist nicht die ge¬ Österreich? Es ist nicht die ge¬
peinigte kleine Zwangsrepublik, peinigte kleine Zwangsrepublik,
nicht die Doppelmonarchie, die, nicht die Doppelmonarchie, die,
es ist eine allgemeine Weisheit, es ist eine allgemeine Weisheit,
auch für die meisten Bewohner auch für die meisten Bewohner
ein Zwangsstaat war, was ich ein Zwangsstaat war, was ich
meine, für das zu fürchten, um meine, für das zu fürchten, um
das zu trauern wäre, — es ist der das zu trauern wäre, — es ist der
Geist Österreichs. „Das ist kein Geist Österreichs. „Das ist kein
Staat, das ist ein Zustand", hat Staat, das ist ein Zustand", hat
ein Österreicher gesagt, natürlich ein Österreicher gesagt, natürlich
voll Bitterkeit hat er es gesagt, voll Bitterkeit hat er es gesagt,
als eine Verurteilung des Staats als eine Verurteilung des Staats
wie des Zustands. Da der eine wie des Zustands. Da der eine
vergangen, der andre im Verge¬ vergangen, der andre im Verge¬
hen ist, versteht man nicht mehr hen ist, versteht man nicht mehr
die bittere Selbstverurteilung. die bittere Selbstverurteilung.
Denn was bleibt, auch bei den Denn was bleibt, auch bei den
Österreichern? Heimatliebe ohne Österreichern? Heimatliebe ohne
Gleichen und die schmerzende Gleichen und die schmerzende
Sehnsucht nach der Vergangen¬ Sehnsucht nach der Vergangen¬
heit. heit.
Immer haben Nicht-Österrei Immer haben Nicht-Österrei
cher, „gelernte Österreicher“ ge¬ cher, „gelernte Österreicher“ ge¬
rechter geurteilt und sich offener rechter geurteilt und sich offener
zu jenem Geist bekannt, — wenn zu jenem Geist bekannt, — wenn
sie ihn nicht schlechthin verwar sie ihn nicht schlechthin verwar
fen und verdammten. Die das fen und verdammten. Die das
taten, waren meist Preußen, die taten, waren meist Preußen, die
mit ihrem Ideal Bismarck den mit ihrem Ideal Bismarck den
Bayern „den Übergang vom Men¬ Bayern „den Übergang vom Men¬
schen zum Österreicher“ nannten. schen zum Österreicher“ nannten.
Für das Nicht-Verstehen Andrer Für das Nicht-Verstehen Andrer
sind sie nicht ohne Grund be¬ sind sie nicht ohne Grund be¬
rühmt. rühmt.
Vom Anatol und dem süßen Vom Anatol und dem süßen
Mädel, dem Leutnant Gustl, dem Mädel, dem Leutnant Gustl, dem
Fabrikanten Reithofer und dem Fabrikanten Reithofer und dem
Professor Bernhardi die unüber Professor Bernhardi die unüber
sehbare Reihe von Frauen und sehbare Reihe von Frauen und
Dichter, Dichter,
Männern, Bankiers, Männern, Bankiers,
Schauspieler, Aristokraten, Ärzte, Schauspieler, Aristokraten, Ärzte,
Beamte, Offiziere — alle Oster¬ Beamte, Offiziere — alle Oster¬
reicher, Österreicher, nur gedacht, reicher, Österreicher, nur gedacht,
nur denkbar in dem seltsamen nur denkbar in dem seltsamen
Staatsgebilde, das zusammener¬ Staatsgebilde, das zusammener¬
obert und -geheiratet, inhomogen obert und -geheiratet, inhomogen
im Nationalen wie im Kulturel- im Nationalen wie im Kulturel-
len, endlich doch eine Mittel len, endlich doch eine Mittel
schicht erzeugt hatte, die nur hier schicht erzeugt hatte, die nur hier
und so sein konnte und die, wie und so sein konnte und die, wie
sie war, weit mehr gute, liebens¬ sie war, weit mehr gute, liebens¬
würdige, treffliche Eigenschaften würdige, treffliche Eigenschaften
hatte, als Fehler. Spanisches Hof¬ hatte, als Fehler. Spanisches Hof¬
zeremoniell und östliche Juden zeremoniell und östliche Juden
schaft hatten, sie zu bilden ge schaft hatten, sie zu bilden ge
holfen, alpines Deutschtum, ma¬ holfen, alpines Deutschtum, ma¬
gyarisches Talent, süd- und west¬ gyarisches Talent, süd- und west¬
slawische Bauernschlichtheit, Ge slawische Bauernschlichtheit, Ge
neräle und Abenteurer aus Irland neräle und Abenteurer aus Irland
und Frankreich, süddeutsche und und Frankreich, süddeutsche und
italienische Einflüsse, Rumänen, italienische Einflüsse, Rumänen,
Albanier, Türken, Katholizismus Albanier, Türken, Katholizismus
und Freigeisterei, Absolutismus und Freigeisterei, Absolutismus
und Sozialdemokratie, Gelehrtheit und Sozialdemokratie, Gelehrtheit
und Analphabetentum, und Analphabetentum,
zum zum
Schluß aber grade ehe ihr Nähr¬ Schluß aber grade ehe ihr Nähr¬
boden zerrissen ward, stand sie boden zerrissen ward, stand sie
fest, zwar undefinierbar aber für fest, zwar undefinierbar aber für
das Gefühl, fremdes wie eignes, das Gefühl, fremdes wie eignes,
unverkennbar. Und wenn nichts unverkennbar. Und wenn nichts
ihre Existenz und Eigenheit be ihre Existenz und Eigenheit be
wiese, so wäre sie, als abgegrenzte wiese, so wäre sie, als abgegrenzte
Erscheinung, dargetan dadurch, Erscheinung, dargetan dadurch,
daß sie ihre Dichter fand, daß daß sie ihre Dichter fand, daß
sie Stoff ward für Kunstwerke. sie Stoff ward für Kunstwerke.
Ob sie aber die Dichtung, die sie Ob sie aber die Dichtung, die sie
hervorbrachte, überleben wird? hervorbrachte, überleben wird?
Arthur Schnitzler betrauerte Arthur Schnitzler betrauerte
einmal eine Tote. Zu einem, der, einmal eine Tote. Zu einem, der,
verzweifelt wegen desselben Ver verzweifelt wegen desselben Ver
lustes, zu ihm kam, sagte er trö¬ lustes, zu ihm kam, sagte er trö¬
stend: „Nun, da ihr Körper nicht stend: „Nun, da ihr Körper nicht
mehr lebt, wird ihr Geist immer mehr lebt, wird ihr Geist immer
lebendiger werden. Aber das lebendiger werden. Aber das
Band zwischen den beiden Trau¬ Band zwischen den beiden Trau¬
ernden, das die Freundschaft für ernden, das die Freundschaft für
eine Frau knüpfte, war zerrissen. eine Frau knüpfte, war zerrissen.
Daran mußte ich denken, als ich Daran mußte ich denken, als ich
jetzt las, wie sehr Schnitzler auf jetzt las, wie sehr Schnitzler auf
die Zukunft gerechnet hat. Der die Zukunft gerechnet hat. Der
zeitlebens nie ohne Todesfurcht zeitlebens nie ohne Todesfurcht
ühne Porlin ühne Porlin
Die Veltb Die Veltb
war, hat unter andern hinter¬ war, hat unter andern hinter¬
lassenen Manuskripten eines zur lassenen Manuskripten eines zur
Veröffentlichung „in fünfzig Jah- Veröffentlichung „in fünfzig Jah-
ren" bestimmt. Er glaubte an das ren" bestimmt. Er glaubte an das
Weiterleben im Geist, er wollte Weiterleben im Geist, er wollte
mit aller Geistesmacht daran mit aller Geistesmacht daran
glauben. glauben.
Der ich wehmütig zurückdenke Der ich wehmütig zurückdenke
an die Welt, in der Arthur an die Welt, in der Arthur
Schnitzler wuchs, die er innig um¬ Schnitzler wuchs, die er innig um¬
faßte, die er neu erschuf, ich faßte, die er neu erschuf, ich
zweifle. Ich habe mich nicht ge¬ zweifle. Ich habe mich nicht ge¬
wundert, daß des Dichters letzte wundert, daß des Dichters letzte
Stücke an einem Theater und Stücke an einem Theater und
dann nicht mehr gegeben wurden, dann nicht mehr gegeben wurden,
daß seine frühern viel bewährten daß seine frühern viel bewährten
keine Reprisen mehr fanden. Wer keine Reprisen mehr fanden. Wer
weiß noch von dem alten Öster¬ weiß noch von dem alten Öster¬
reich, wer kennt es noch? Ver¬ reich, wer kennt es noch? Ver¬
standen haben es auch früher we¬ standen haben es auch früher we¬
nige, aber es war ihnen als Reali¬ nige, aber es war ihnen als Reali¬
tät bewußt, sie nahmen es, oft tät bewußt, sie nahmen es, oft
widerwillig, hin. Da es als Staat widerwillig, hin. Da es als Staat
zerschlagen ist, wird es auch als zerschlagen ist, wird es auch als
Zustand hinfällig. Zustand hinfällig.
Wie stark es war, wie fesselnd, Wie stark es war, wie fesselnd,
wie vielfältig, wie bindend, zwin- wie vielfältig, wie bindend, zwin-
gend, das zeigt das Epos, das ein gend, das zeigt das Epos, das ein
Jüngerer, Robert Musil, mit ihm Jüngerer, Robert Musil, mit ihm
erfüllte: „Der Mann ohne Eigen¬ erfüllte: „Der Mann ohne Eigen¬
schaften", von dem ein Band mit schaften", von dem ein Band mit
tausend Seiten vor einem Jahr er¬ tausend Seiten vor einem Jahr er¬
schien, ein zweiter stärkerer be¬ schien, ein zweiter stärkerer be¬
vorsteht. Hier schillert, glitzert, vorsteht. Hier schillert, glitzert,
spiegelt sich, hier verdunkelt sich, spiegelt sich, hier verdunkelt sich,
sinkt ab und fällt dahin: Öster¬ sinkt ab und fällt dahin: Öster¬
reich, ein großes, mächtiges und reich, ein großes, mächtiges und
shvaches, elastisch - zähes und shvaches, elastisch - zähes und
zerfallendes, vielgespalten - ein¬ zerfallendes, vielgespalten - ein¬
heitliches Gebilde, feindlich in heitliches Gebilde, feindlich in
sich zerrissen und doch von einem sich zerrissen und doch von einem
Geist. Ich kann die alten Ge¬ Geist. Ich kann die alten Ge¬
neräle und Grafen gut verstehen, neräle und Grafen gut verstehen,
die den Narren-Putsch des Pfri¬ die den Narren-Putsch des Pfri¬
mer mitmachten, weil sie meinen, mer mitmachten, weil sie meinen,
man müsse nur wollen, so werde man müsse nur wollen, so werde
das Alte neu erstehen. Und ich das Alte neu erstehen. Und ich
kenne deutschnationale Sozialde¬ kenne deutschnationale Sozialde¬
mokraten, die mitmarschieren mokraten, die mitmarschieren
Turückdenkend Turückdenkend
an Arthur an Arthur
Schnitzler und an die Freu¬ Schnitzler und an die Freu¬
den, die er uns ein Menschenalter den, die er uns ein Menschenalter
hindurch erleben ließ, überfällt hindurch erleben ließ, überfällt
mich die Trauer: was wird mit mich die Trauer: was wird mit
Österreich? Es ist nicht die ge¬ Österreich? Es ist nicht die ge¬
peinigte kleine Zwangsrepublik, peinigte kleine Zwangsrepublik,
nicht die Doppelmonarchie, die, nicht die Doppelmonarchie, die,
es ist eine allgemeine Weisheit, es ist eine allgemeine Weisheit,
auch für die meisten Bewohner auch für die meisten Bewohner
ein Zwangsstaat war, was ich ein Zwangsstaat war, was ich
meine, für das zu fürchten, um meine, für das zu fürchten, um
das zu trauern wäre, — es ist der das zu trauern wäre, — es ist der
Geist Österreichs. „Das ist kein Geist Österreichs. „Das ist kein
Staat, das ist ein Zustand", hat Staat, das ist ein Zustand", hat
ein Österreicher gesagt, natürlich ein Österreicher gesagt, natürlich
voll Bitterkeit hat er es gesagt, voll Bitterkeit hat er es gesagt,
als eine Verurteilung des Staats als eine Verurteilung des Staats
wie des Zustands. Da der eine wie des Zustands. Da der eine
vergangen, der andre im Verge¬ vergangen, der andre im Verge¬
hen ist, versteht man nicht mehr hen ist, versteht man nicht mehr
die bittere Selbstverurteilung. die bittere Selbstverurteilung.
Denn was bleibt, auch bei den Denn was bleibt, auch bei den
Österreichern? Heimatliebe ohne Österreichern? Heimatliebe ohne
Gleichen und die schmerzende Gleichen und die schmerzende
Sehnsucht nach der Vergangen¬ Sehnsucht nach der Vergangen¬
heit. heit.
Immer haben Nicht-Österrei Immer haben Nicht-Österrei
cher, „gelernte Österreicher“ ge¬ cher, „gelernte Österreicher“ ge¬
rechter geurteilt und sich offener rechter geurteilt und sich offener
zu jenem Geist bekannt, — wenn zu jenem Geist bekannt, — wenn
sie ihn nicht schlechthin verwar sie ihn nicht schlechthin verwar
fen und verdammten. Die das fen und verdammten. Die das
taten, waren meist Preußen, die taten, waren meist Preußen, die
mit ihrem Ideal Bismarck den mit ihrem Ideal Bismarck den
Bayern „den Übergang vom Men¬ Bayern „den Übergang vom Men¬
schen zum Österreicher“ nannten. schen zum Österreicher“ nannten.
Für das Nicht-Verstehen Andrer Für das Nicht-Verstehen Andrer
sind sie nicht ohne Grund be¬ sind sie nicht ohne Grund be¬
rühmt. rühmt.
Vom Anatol und dem süßen Vom Anatol und dem süßen
Mädel, dem Leutnant Gustl, dem Mädel, dem Leutnant Gustl, dem
Fabrikanten Reithofer und dem Fabrikanten Reithofer und dem
Professor Bernhardi die unüber Professor Bernhardi die unüber
sehbare Reihe von Frauen und sehbare Reihe von Frauen und
Dichter, Dichter,
Männern, Bankiers, Männern, Bankiers,
Schauspieler, Aristokraten, Ärzte, Schauspieler, Aristokraten, Ärzte,
Beamte, Offiziere — alle Oster¬ Beamte, Offiziere — alle Oster¬
reicher, Österreicher, nur gedacht, reicher, Österreicher, nur gedacht,
nur denkbar in dem seltsamen nur denkbar in dem seltsamen
Staatsgebilde, das zusammener¬ Staatsgebilde, das zusammener¬
obert und -geheiratet, inhomogen obert und -geheiratet, inhomogen
im Nationalen wie im Kulturel- im Nationalen wie im Kulturel-
len, endlich doch eine Mittel len, endlich doch eine Mittel
schicht erzeugt hatte, die nur hier schicht erzeugt hatte, die nur hier
und so sein konnte und die, wie und so sein konnte und die, wie
sie war, weit mehr gute, liebens¬ sie war, weit mehr gute, liebens¬
würdige, treffliche Eigenschaften würdige, treffliche Eigenschaften
hatte, als Fehler. Spanisches Hof¬ hatte, als Fehler. Spanisches Hof¬
zeremoniell und östliche Juden zeremoniell und östliche Juden
schaft hatten, sie zu bilden ge schaft hatten, sie zu bilden ge
holfen, alpines Deutschtum, ma¬ holfen, alpines Deutschtum, ma¬
gyarisches Talent, süd- und west¬ gyarisches Talent, süd- und west¬
slawische Bauernschlichtheit, Ge slawische Bauernschlichtheit, Ge
neräle und Abenteurer aus Irland neräle und Abenteurer aus Irland
und Frankreich, süddeutsche und und Frankreich, süddeutsche und
italienische Einflüsse, Rumänen, italienische Einflüsse, Rumänen,
Albanier, Türken, Katholizismus Albanier, Türken, Katholizismus
und Freigeisterei, Absolutismus und Freigeisterei, Absolutismus
und Sozialdemokratie, Gelehrtheit und Sozialdemokratie, Gelehrtheit
und Analphabetentum, und Analphabetentum,
zum zum
Schluß aber grade ehe ihr Nähr¬ Schluß aber grade ehe ihr Nähr¬
boden zerrissen ward, stand sie boden zerrissen ward, stand sie
fest, zwar undefinierbar aber für fest, zwar undefinierbar aber für
das Gefühl, fremdes wie eignes, das Gefühl, fremdes wie eignes,
unverkennbar. Und wenn nichts unverkennbar. Und wenn nichts
ihre Existenz und Eigenheit be ihre Existenz und Eigenheit be
wiese, so wäre sie, als abgegrenzte wiese, so wäre sie, als abgegrenzte
Erscheinung, dargetan dadurch, Erscheinung, dargetan dadurch,
daß sie ihre Dichter fand, daß daß sie ihre Dichter fand, daß
sie Stoff ward für Kunstwerke. sie Stoff ward für Kunstwerke.
Ob sie aber die Dichtung, die sie Ob sie aber die Dichtung, die sie
hervorbrachte, überleben wird? hervorbrachte, überleben wird?
Arthur Schnitzler betrauerte Arthur Schnitzler betrauerte
einmal eine Tote. Zu einem, der, einmal eine Tote. Zu einem, der,
verzweifelt wegen desselben Ver verzweifelt wegen desselben Ver
lustes, zu ihm kam, sagte er trö¬ lustes, zu ihm kam, sagte er trö¬
stend: „Nun, da ihr Körper nicht stend: „Nun, da ihr Körper nicht
mehr lebt, wird ihr Geist immer mehr lebt, wird ihr Geist immer
lebendiger werden. Aber das lebendiger werden. Aber das
Band zwischen den beiden Trau¬ Band zwischen den beiden Trau¬
ernden, das die Freundschaft für ernden, das die Freundschaft für
eine Frau knüpfte, war zerrissen. eine Frau knüpfte, war zerrissen.
Daran mußte ich denken, als ich Daran mußte ich denken, als ich
jetzt las, wie sehr Schnitzler auf jetzt las, wie sehr Schnitzler auf
die Zukunft gerechnet hat. Der die Zukunft gerechnet hat. Der
zeitlebens nie ohne Todesfurcht zeitlebens nie ohne Todesfurcht
ühne Porlin ühne Porlin
Die Veltb Die Veltb
war, hat unter andern hinter¬ war, hat unter andern hinter¬
lassenen Manuskripten eines zur lassenen Manuskripten eines zur
Veröffentlichung „in fünfzig Jah- Veröffentlichung „in fünfzig Jah-
ren" bestimmt. Er glaubte an das ren" bestimmt. Er glaubte an das
Weiterleben im Geist, er wollte Weiterleben im Geist, er wollte
mit aller Geistesmacht daran mit aller Geistesmacht daran
glauben. glauben.
Der ich wehmütig zurückdenke Der ich wehmütig zurückdenke
an die Welt, in der Arthur an die Welt, in der Arthur
Schnitzler wuchs, die er innig um¬ Schnitzler wuchs, die er innig um¬
faßte, die er neu erschuf, ich faßte, die er neu erschuf, ich
zweifle. Ich habe mich nicht ge¬ zweifle. Ich habe mich nicht ge¬
wundert, daß des Dichters letzte wundert, daß des Dichters letzte
Stücke an einem Theater und Stücke an einem Theater und
dann nicht mehr gegeben wurden, dann nicht mehr gegeben wurden,
daß seine frühern viel bewährten daß seine frühern viel bewährten
keine Reprisen mehr fanden. Wer keine Reprisen mehr fanden. Wer
weiß noch von dem alten Öster¬ weiß noch von dem alten Öster¬
reich, wer kennt es noch? Ver¬ reich, wer kennt es noch? Ver¬
standen haben es auch früher we¬ standen haben es auch früher we¬
nige, aber es war ihnen als Reali¬ nige, aber es war ihnen als Reali¬
tät bewußt, sie nahmen es, oft tät bewußt, sie nahmen es, oft
widerwillig, hin. Da es als Staat widerwillig, hin. Da es als Staat
zerschlagen ist, wird es auch als zerschlagen ist, wird es auch als
Zustand hinfällig. Zustand hinfällig.
Wie stark es war, wie fesselnd, Wie stark es war, wie fesselnd,
wie vielfältig, wie bindend, zwin- wie vielfältig, wie bindend, zwin-
gend, das zeigt das Epos, das ein gend, das zeigt das Epos, das ein
Jüngerer, Robert Musil, mit ihm Jüngerer, Robert Musil, mit ihm
erfüllte: „Der Mann ohne Eigen¬ erfüllte: „Der Mann ohne Eigen¬
schaften", von dem ein Band mit schaften", von dem ein Band mit
tausend Seiten vor einem Jahr er¬ tausend Seiten vor einem Jahr er¬
schien, ein zweiter stärkerer be¬ schien, ein zweiter stärkerer be¬
vorsteht. Hier schillert, glitzert, vorsteht. Hier schillert, glitzert,
spiegelt sich, hier verdunkelt sich, spiegelt sich, hier verdunkelt sich,
sinkt ab und fällt dahin: Öster¬ sinkt ab und fällt dahin: Öster¬
reich, ein großes, mächtiges und reich, ein großes, mächtiges und
shvaches, elastisch - zähes und shvaches, elastisch - zähes und
zerfallendes, vielgespalten - ein¬ zerfallendes, vielgespalten - ein¬
heitliches Gebilde, feindlich in heitliches Gebilde, feindlich in
sich zerrissen und doch von einem sich zerrissen und doch von einem
Geist. Ich kann die alten Ge¬ Geist. Ich kann die alten Ge¬
neräle und Grafen gut verstehen, neräle und Grafen gut verstehen,
die den Narren-Putsch des Pfri¬ die den Narren-Putsch des Pfri¬
mer mitmachten, weil sie meinen, mer mitmachten, weil sie meinen,
man müsse nur wollen, so werde man müsse nur wollen, so werde
das Alte neu erstehen. Und ich das Alte neu erstehen. Und ich
kenne deutschnationale Sozialde¬ kenne deutschnationale Sozialde¬
mokraten, die mitmarschieren mokraten, die mitmarschieren