VII, Verschiedenes 12, Schnitzlers Tod, Seite 311

2. Schnitzler s Death 2. Schnitzler s Death
In dem motivischen Dreiklang dieser Dich¬ In dem motivischen Dreiklang dieser Dich¬
Erkennt Erkennt
tung dominieren Drama und novellistische Epik, tung dominieren Drama und novellistische Epik,
Gesichter Gesichter
und bliebe nichts aus seiner Schöpfermacht als und bliebe nichts aus seiner Schöpfermacht als
un wagt un wagt
„Liebelei", ein dramatisches Volkslied unsäglich „Liebelei", ein dramatisches Volkslied unsäglich
g könne g könne
weher Süße; „Der grüne Kakadu", ein einaktiger weher Süße; „Der grüne Kakadu", ein einaktiger
führen: führen:
Epochenbau, in den der Blitz des Genies schlägt: Epochenbau, in den der Blitz des Genies schlägt:
Daseins. Daseins.
„Professor Bernhardi“, der vorurteilslose Prozeß „Professor Bernhardi“, der vorurteilslose Prozeß
itzler, so itzler, so
zugunsten der vorurteilslosen Humanität; blieben zugunsten der vorurteilslosen Humanität; blieben
nichts als die Wunder seiner Novellenzauberei: nichts als die Wunder seiner Novellenzauberei:
er Sinn er Sinn
es wäre übergenug, um dem Dreiklang Ewig¬ es wäre übergenug, um dem Dreiklang Ewig¬
sid, ehrte sid, ehrte
keitsmelodie zu geben. keitsmelodie zu geben.
ar er in ar er in
War aber seine Dichtung ein harmonischer War aber seine Dichtung ein harmonischer
ds ver¬ ds ver¬
Dreiklang, so war Arthur Schnitzlers Dasein ein Dreiklang, so war Arthur Schnitzlers Dasein ein
sondern sondern
Einklang. Einklang sublimer Uebereinstimmung. Einklang. Einklang sublimer Uebereinstimmung.
Indi¬ Indi¬
Nie und mit nichts hat er sich befleckt. Konzessio¬ Nie und mit nichts hat er sich befleckt. Konzessio¬
einzelne, einzelne,
nen kannte er nicht, keine des Betriebs, keine des nen kannte er nicht, keine des Betriebs, keine des
machen, machen,
Prosits; er hat sich beiseite gehalten, ohne sich zu Prosits; er hat sich beiseite gehalten, ohne sich zu
ste unter ste unter
entziehen. Unantastbar ging er seinen einsamen entziehen. Unantastbar ging er seinen einsamen
leuchten; leuchten;
Weg, dessen Schicksalhaftigkeit Richard Beer¬ Weg, dessen Schicksalhaftigkeit Richard Beer¬
auf stür¬ auf stür¬
Hofmann, sein Weggenosse, verständnisinniger Hofmann, sein Weggenosse, verständnisinniger
Ironie Ironie
als sonst jemand es vermöchte, in diesem bisher als sonst jemand es vermöchte, in diesem bisher
Sordine Sordine
unveröffentlichten, Schnitzler gewidmeten Ge¬ unveröffentlichten, Schnitzler gewidmeten Ge¬
gewesen, gewesen,
dichte den Ausdruck fand: dichte den Ausdruck fand:
seben, der seben, der
Alle Wege, die wir treten, Alle Wege, die wir treten,
ihn mi߬ ihn mi߬
Münden in die Einsamkeit Münden in die Einsamkeit
gten ihm gten ihm
Nimmermüde Stunden jäten Nimmermüde Stunden jäten
peit vom peit vom
Aus — was wuchs an Lust und Leid. Aus — was wuchs an Lust und Leid.
entfernt entfernt
Alles Glück und alles Elend Alles Glück und alles Elend
emut vor emut vor
Blatzt zu fernem Widerschein; Blatzt zu fernem Widerschein;
Herkunft Herkunft
Was beseligenb, was quälend Was beseligenb, was quälend
epische epische
Geht — läßt uns mit uns allein. Geht — läßt uns mit uns allein.
„Armen „Armen
Schritt ich eben nicht im Reigen? Schritt ich eben nicht im Reigen?
Sie ist Sie ist
Und was traf, das traf gemeinsam Und was traf, das traf gemeinsam
helei ent- helei ent-
Bietet keine Hand sich? — Schweigen Bietet keine Hand sich? — Schweigen
schaft im schaft im
Sieht mich an — der Weg wird einsam! Sieht mich an — der Weg wird einsam!
sehmliche¬ sehmliche¬
Ob ich stieg von Glückes=Thronen, Ob ich stieg von Glückes=Thronen,
Wedekind Wedekind
Ob ich klomm aus Leidens=Gründen- Ob ich klomm aus Leidens=Gründen-
ndenkbar ndenkbar
Dort, wohin ich geb, zu wohnen, Dort, wohin ich geb, zu wohnen,
neuzeit¬ neuzeit¬
Will sich keines zu mir finden. Will sich keines zu mir finden.
süler ge¬ süler ge¬
Ein Erkennen nur, mit klaren Ein Erkennen nur, mit klaren
sie ihm. sie ihm.
Augen will mich hingeleiten: Augen will mich hingeleiten:
n. Aber n. Aber
Daß auch vorher um mich waren — Daß auch vorher um mich waren —
te und te und
Unerkannt — nur Einsamkeiten. Unerkannt — nur Einsamkeiten.
abhielt, abhielt,
So einsam ging er durch die Zeit, distan¬ So einsam ging er durch die Zeit, distan¬
genblick genblick
ziert von ihr, hingezogen zu ihr ... durch Güte. ziert von ihr, hingezogen zu ihr ... durch Güte.
anderer anderer
Da ist das Wort gesprochen, das bei Arthur Da ist das Wort gesprochen, das bei Arthur
her von her von
Schnitzlers Gedächtnis seine volle seltene Be¬ Schnitzlers Gedächtnis seine volle seltene Be¬
ich, die ich, die
deutung gewinnt: Güte. In dem schönen Antlitz, deutung gewinnt: Güte. In dem schönen Antlitz,
Belt zu Belt zu
dessen überbuschte Augen so dringend=klar zu dessen überbuschte Augen so dringend=klar zu
schehen. schehen.
schauen wußten, so fragend: wie geht es dir? schauen wußten, so fragend: wie geht es dir?
o die o die
Leidest du? stand sie, in dem Munde, der mit Leidest du? stand sie, in dem Munde, der mit
Pelt der Pelt der
solcher unvergeßlich wohllautenden weichen solcher unvergeßlich wohllautenden weichen
r kämpfte. r kämpfte.
Stimme sprach, so ärztlich beruhigend und mit Stimme sprach, so ärztlich beruhigend und mit
rchsichtig rchsichtig
solchem Anteil, als spräche jedes Wort: Ich will solchem Anteil, als spräche jedes Wort: Ich will
,daß es ,daß es
dir helfen ... auch darin war die Güte un¬ dir helfen ... auch darin war die Güte un¬
evor die evor die
überhörbar. Mit dieser klingenden Stimme ver¬ überhörbar. Mit dieser klingenden Stimme ver¬
ychologie ychologie
kündete ein großer Dichter den Einklang seines kündete ein großer Dichter den Einklang seines
sie, Hell¬ sie, Hell¬
edlen Menschentums. edlen Menschentums.
box 43/9 box 43/9
Und ... seines tiefwurzelnden Oesterreicher¬ Und ... seines tiefwurzelnden Oesterreicher¬
tums. Hier redete und blickte einer, der Oesterreich tums. Hier redete und blickte einer, der Oesterreich
sah, wie keiner vor ihm. Deshalb ließ er in sah, wie keiner vor ihm. Deshalb ließ er in
seinem Werke Oesterreich sehen und sprechen wie seinem Werke Oesterreich sehen und sprechen wie
nach ihm keiner es vermögen wird. Alles Oester¬ nach ihm keiner es vermögen wird. Alles Oester¬
reichische war in dieser redenden Bildnerschaft, reichische war in dieser redenden Bildnerschaft,
das Oesterreich Mozarts und das Oesterreich das Oesterreich Mozarts und das Oesterreich
Grillparzers, die Größe der Anmut, der Zauber Grillparzers, die Größe der Anmut, der Zauber
der Pathoslosigkeit, die Glorie des Gefühls, die der Pathoslosigkeit, die Glorie des Gefühls, die
Inbrunst der Kritik. So waren auch die Schatten Inbrunst der Kritik. So waren auch die Schatten
des Bildes darin nicht schöngefärbt, nicht ge¬ des Bildes darin nicht schöngefärbt, nicht ge¬
hässig verfinstert. Ja! In seinem Werke hässig verfinstert. Ja! In seinem Werke
war Oesterreich! Das versunkene, das halb¬ war Oesterreich! Das versunkene, das halb¬
Meinhard und Bernauer Meinhard und Bernauer
wieder Berliner Theaterdirektoren. wieder Berliner Theaterdirektoren.
Berlin, im Oktober. Berlin, im Oktober.
Carl Meinhard und Rudolf Bernauer Carl Meinhard und Rudolf Bernauer
eröffneten wieder als selbständige Direktoren eröffneten wieder als selbständige Direktoren
ihr Theater in der Stresemannstraße. ihr Theater in der Stresemannstraße.
Durch den Auszug Barnowskys in das Deutsche Durch den Auszug Barnowskys in das Deutsche
Künstlertheater sind sie gezwungen, die beiden Künstlertheater sind sie gezwungen, die beiden
ihnen gehörenden Häuser, das Theater in der ihnen gehörenden Häuser, das Theater in der
Stresemannstraße und das Komödienhaus am Stresemannstraße und das Komödienhaus am
Schiffbauerdamm, künstlerisch selbst zu führen. Schiffbauerdamm, künstlerisch selbst zu führen.
Meinhard und Bernauer vertraten früher Meinhard und Bernauer vertraten früher
das gute, traditionelle Theater. Ob sie, vor das gute, traditionelle Theater. Ob sie, vor
langen Jahren, im Berliner Theater die Posse langen Jahren, im Berliner Theater die Posse
„Einer von unsere Leut" aufführten, ob sie in „Einer von unsere Leut" aufführten, ob sie in
der Stresemannstraße Wedekind und Strindberg der Stresemannstraße Wedekind und Strindberg
spielten: man wußte immer, woran man war. spielten: man wußte immer, woran man war.
Es wurde nichts vorgetäuscht, nichts kaschiert. Es wurde nichts vorgetäuscht, nichts kaschiert.
Gutes, solides Theater, das sogar bei der Gutes, solides Theater, das sogar bei der
„Kronbraut" und beim „Traumspiel“ in diese „Kronbraut" und beim „Traumspiel“ in diese
Bezirke durchstieß. Bezirke durchstieß.
Bewahrende, handwerkliche Begabungen Bewahrende, handwerkliche Begabungen
haben es in der Zeit der verändernden Krise haben es in der Zeit der verändernden Krise
doppelt schwer. Umstellen können sie sich nicht. doppelt schwer. Umstellen können sie sich nicht.
Was also sollen sie spielen? Wahrscheinlich die Was also sollen sie spielen? Wahrscheinlich die
Literatur, mit der sie hochgekommen sind. Wahr¬ Literatur, mit der sie hochgekommen sind. Wahr¬
scheinlich (für eine Generation, die diese Stücke scheinlich (für eine Generation, die diese Stücke
nicht mehr kennt) die Wedekind= und Strind¬ nicht mehr kennt) die Wedekind= und Strind¬
berg= und Hauptmann=Stücke, in schnell wech¬ berg= und Hauptmann=Stücke, in schnell wech¬
selndem Spielplan. Man kann überprüfen, was selndem Spielplan. Man kann überprüfen, was
noch wirkt. Meinhard und Bernauer spielen mit noch wirkt. Meinhard und Bernauer spielen mit
Recht zu außerordentlich billigen Preisen; sie Recht zu außerordentlich billigen Preisen; sie
haben sich mit Recht keiner Abonnementsorgani¬ haben sich mit Recht keiner Abonnementsorgani¬
sation angeschlossen. Sie sind selbständig, aus¬ sation angeschlossen. Sie sind selbständig, aus¬
gezeichnet. Aber ich glaube nicht, daß es richtig gezeichnet. Aber ich glaube nicht, daß es richtig
ist, billiges Theater mit Luxusstücken zu spielen, ist, billiges Theater mit Luxusstücken zu spielen,
billige Aufführungen zu machen mit mondänen billige Aufführungen zu machen mit mondänen
Gesellschaftskomödien. Alles gehört zusammen: Gesellschaftskomödien. Alles gehört zusammen:
versunkene, das unvergeßliche, das, worin wir versunkene, das unvergeßliche, das, worin wir
geboren waren, und dessengleichen es nicht gibt. geboren waren, und dessengleichen es nicht gibt.
Deshalb brauchte Arthur Schnitzler weder Wür¬ Deshalb brauchte Arthur Schnitzler weder Wür¬
den noch Ehren. Man hat ihm keinen Orden ver¬ den noch Ehren. Man hat ihm keinen Orden ver¬
liehen, aber er hat sich ein Denkmal gesetzt: den liehen, aber er hat sich ein Denkmal gesetzt: den
Wienerwald. So lange diese sanften Hügel grün Wienerwald. So lange diese sanften Hügel grün
oder entlaubt am Horizonte stehen: jeder grüne oder entlaubt am Horizonte stehen: jeder grüne
und entlaubte Baum, jedes Hügels sanfter Auf¬ und entlaubte Baum, jedes Hügels sanfter Auf¬
schwung wird sein unvergängliches Denkmal schwung wird sein unvergängliches Denkmal
sein. Und wir werden stehenbleiben und die Un¬ sein. Und wir werden stehenbleiben und die Un¬
sterblichkeit dessen sehen, dessen Tod uns heute sterblichkeit dessen sehen, dessen Tod uns heute
Tränen in die Augen treibt: Arthur Schnitzlers, Tränen in die Augen treibt: Arthur Schnitzlers,