VII, Verschiedenes 12, Schnitzlers Tod, Seite 406

2. 2.
Schnitzler's Death Schnitzler's Death
ing ins Ausland und nach Persien. ing ins Ausland und nach Persien.
'ersien! — die Ruhe und Ordnung 'ersien! — die Ruhe und Ordnung
ahr unterstellt werden. Daß sie aber ahr unterstellt werden. Daß sie aber
an habe, daß hier durch ein persisch an habe, daß hier durch ein persisch
Ordnung“ gefährdet worden sei, Ordnung“ gefährdet worden sei,
den Schah von Persien geschimpft den Schah von Persien geschimpft
ger Mensch glauben oder behaupten ger Mensch glauben oder behaupten
die Begründung des Verbots folgen¬ die Begründung des Verbots folgen¬
fe des ,Peykar' auf den Schah sind fe des ,Peykar' auf den Schah sind
hlands zu Persien getrübt. Dadurch hlands zu Persien getrübt. Dadurch
Deutschland gefährdet.“ Wenn das Deutschland gefährdet.“ Wenn das
erbots ist, so kann man nur mit dem erbots ist, so kann man nur mit dem
fel, hoffen, daß das Reichsgericht fel, hoffen, daß das Reichsgericht
jen solchen Mißbrauch der Notver jen solchen Mißbrauch der Notver
pot aufheben wird. Denn mit dieser pot aufheben wird. Denn mit dieser
Zeitung verbieten, die irgend etwas Zeitung verbieten, die irgend etwas
ändischen Regierung nicht gefällt. ändischen Regierung nicht gefällt.
Gesandter mit einer Beschwerde ins Gesandter mit einer Beschwerde ins
aucht, um ein Zeitungsverbot zu er¬ aucht, um ein Zeitungsverbot zu er¬
sumph des Perserschahs“ die völlige sumph des Perserschahs“ die völlige
deutscher Preßfreiheit. deutscher Preßfreiheit.
SCHNITZLER SCHNITZLER
Arthur Schnitzler von uns gegangen. Arthur Schnitzler von uns gegangen.
Dichter gewesen ist: voll Reife und Dichter gewesen ist: voll Reife und
Ahnung und stets nahe dem Ende. Ahnung und stets nahe dem Ende.
Garten seines Landhauses gestreift Garten seines Landhauses gestreift
herabsieht. Er war menschlich wie herabsieht. Er war menschlich wie
Ausdruck dieser Stadt, ihrer Men¬ Ausdruck dieser Stadt, ihrer Men¬
le sie ganz in sich und war darüber le sie ganz in sich und war darüber
lichkeit, unzerstörbar und einmalig. lichkeit, unzerstörbar und einmalig.
hinabzusehen und sagte mir einmal, hinabzusehen und sagte mir einmal,
und Stadt wie Land durch die und Stadt wie Land durch die
s ich hier einzog, da dachte ich mir, s ich hier einzog, da dachte ich mir,
gehen, dort arbeiten. Ich habe ihn gehen, dort arbeiten. Ich habe ihn
hat ihn mehr, wenn man ihn von hat ihn mehr, wenn man ihn von
ps Wort, durch das man in ihn selbst ps Wort, durch das man in ihn selbst
ir im September schrieb in einem ir im September schrieb in einem
fühl stehe ich nahe bei Ihnen, daher fühl stehe ich nahe bei Ihnen, daher
er Ahnung. Aber das Genie ist in¬ er Ahnung. Aber das Genie ist in¬
cht geborene erst recht. So lassen Sie cht geborene erst recht. So lassen Sie
hem Glauben an die Gewalt der Per¬ hem Glauben an die Gewalt der Per¬
ismus, der zweifelfroh zum Opti- ismus, der zweifelfroh zum Opti-
ganze Schnitzler enthalten. Seine ganze Schnitzler enthalten. Seine
die er dichterisch umfaßt hatte, die er dichterisch umfaßt hatte,
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ihr geistiges und sittliches Klima hatte sich verändert, und sein ihr geistiges und sittliches Klima hatte sich verändert, und sein
bei aller Weichheit unerbittlicher Spott, sein Spiel zwischen den bei aller Weichheit unerbittlicher Spott, sein Spiel zwischen den
Gefühlen geborgener und durch Reichtum und alte Kultur be¬ Gefühlen geborgener und durch Reichtum und alte Kultur be¬
hüteter Menschen schien ins Leere zu fallen; sie waren nicht mehr. hüteter Menschen schien ins Leere zu fallen; sie waren nicht mehr.
Und dennoch erneuerte sich sein Ruhm immer noch, sind dem Und dennoch erneuerte sich sein Ruhm immer noch, sind dem
mehr als Sechzigjährigen gerade in seinen letzten Greisenjahren mehr als Sechzigjährigen gerade in seinen letzten Greisenjahren
nachhallende Erfolge geworden: sein Roman „Therese , seine nachhallende Erfolge geworden: sein Roman „Therese , seine
Meisternovellen „Spiel im Morgengrauen", „Fräulein Else“, andere. Meisternovellen „Spiel im Morgengrauen", „Fräulein Else“, andere.
Er nahm sie hin ohne Illusionen, erwies einer seiner Feinheit ent¬ Er nahm sie hin ohne Illusionen, erwies einer seiner Feinheit ent¬
fremdeten Welt nicht einmal die Ehre, verbittert zu sein. Nur fremdeten Welt nicht einmal die Ehre, verbittert zu sein. Nur
polarkalt, tausendjährig, wie aus unüberbrückbarer Ferne, seinen polarkalt, tausendjährig, wie aus unüberbrückbarer Ferne, seinen
Ruhm verachtend, stand er ihr in seiner letzten Zeit gegenüber. Ruhm verachtend, stand er ihr in seiner letzten Zeit gegenüber.
Rettete sich aus schwerem Leid, das ihn als Mann und Vater Rettete sich aus schwerem Leid, das ihn als Mann und Vater
getroffen hatte, in epikuräische Genüsse des Körpers und in die getroffen hatte, in epikuräische Genüsse des Körpers und in die
gefrorene Lust geistiger und künstlerischer Betrachtung. Schrieb gefrorene Lust geistiger und künstlerischer Betrachtung. Schrieb
immer seltsamer, immer vollkommener; in dunklem Glanz schim¬ immer seltsamer, immer vollkommener; in dunklem Glanz schim¬
merte unter seinen Meisterhänden das kostbare, geliebte und nun merte unter seinen Meisterhänden das kostbare, geliebte und nun
so zuchtlos verdorbene Geschmeide der deutschen Sprache. Er liebte so zuchtlos verdorbene Geschmeide der deutschen Sprache. Er liebte
das Leben nicht mehr, aber, wie er es ausdrückte, „er stand dem das Leben nicht mehr, aber, wie er es ausdrückte, „er stand dem
Tod ohne Sympathie gegenüber“. Für ihn, den Voltaireaner, den Tod ohne Sympathie gegenüber“. Für ihn, den Voltaireaner, den
alten Arzt, den dichterischen Anreger der Psychoanalyse wartete alten Arzt, den dichterischen Anreger der Psychoanalyse wartete
kein Jenseits, und alle Eitelkeiten von sich abtuend, glaubte er kein Jenseits, und alle Eitelkeiten von sich abtuend, glaubte er
nicht an literarische Unsterblichkeit. Prüfte eher eine wohlgeratene nicht an literarische Unsterblichkeit. Prüfte eher eine wohlgeratene
Speise, sah kennerisch auf eine schöne Frau ... Speise, sah kennerisch auf eine schöne Frau ...
Mit Hofmannsthal ist er so recht der Dichter Österreichs ge- Mit Hofmannsthal ist er so recht der Dichter Österreichs ge-
wesen, er, der Kulturjude aus feinstem Gelehrtenhause. Beides war wesen, er, der Kulturjude aus feinstem Gelehrtenhause. Beides war
untrennbar in ihm gemischt. Er hatte die jüdische Verstandes¬ untrennbar in ihm gemischt. Er hatte die jüdische Verstandes¬
schärfe, die Freude an Dialektik und schonungslosem Witz. Und die schärfe, die Freude an Dialektik und schonungslosem Witz. Und die
verschwimmende Weichheit des Gefühls, den Scherz, der Leben verschwimmende Weichheit des Gefühls, den Scherz, der Leben
und Gefühl niemals ernsthaft nahm. Nichts konnte ja bleiben, diese und Gefühl niemals ernsthaft nahm. Nichts konnte ja bleiben, diese
Stadt, dieses Reich war ersichtlich nicht dauerhaft. Aber was es Stadt, dieses Reich war ersichtlich nicht dauerhaft. Aber was es
an Bewegtheit, an Verfeinerung besaß, die herbstliche bunte an Bewegtheit, an Verfeinerung besaß, die herbstliche bunte
Melancholie seines Welkens, dies war in ihm. Diese jungen Lebe- Melancholie seines Welkens, dies war in ihm. Diese jungen Lebe-
männer, die kleinen Öffiziere, die Haltung einer erzogenen Klasse, männer, die kleinen Öffiziere, die Haltung einer erzogenen Klasse,
ihre lautlose Vornehmheit, die Diskretion und Kompliziertheit ihrer ihre lautlose Vornehmheit, die Diskretion und Kompliziertheit ihrer
Passionen: sie sind das Kennzeichen seiner Gestalten von den An- Passionen: sie sind das Kennzeichen seiner Gestalten von den An-
fängen in seinem „Anatol“, wo noch französische Vorbilder dem fängen in seinem „Anatol“, wo noch französische Vorbilder dem
jungen Arzt in die Feder liefen, aber er doch schon ganz Wien. jungen Arzt in die Feder liefen, aber er doch schon ganz Wien.
ganz Österreich und ganz Schnitzler war, bis zu seinen Gestalten ganz Österreich und ganz Schnitzler war, bis zu seinen Gestalten
im „Einsamen Weg“, im „Ruf des Lebens , im „Zwischenspiel“, in im „Einsamen Weg“, im „Ruf des Lebens , im „Zwischenspiel“, in
seinen Meistergeschichten, und immer wieder ist der liebesuchende. seinen Meistergeschichten, und immer wieder ist der liebesuchende.
zweifelnde Selbstling, dem am Ende das Glück doch entgleitet, die zweifelnde Selbstling, dem am Ende das Glück doch entgleitet, die
dominierende Gestalt seines Werkes. Stets steht auch neben dem dominierende Gestalt seines Werkes. Stets steht auch neben dem
Zweifelnden der Tod, und diese beiden Motive, Tod und Spiel mit Zweifelnden der Tod, und diese beiden Motive, Tod und Spiel mit
dem Schicksal, füllen in stets erneuerten, immer kunstvollen und dem Schicksal, füllen in stets erneuerten, immer kunstvollen und
manchmal auch gekünstelten Verwandlungen sein „oeuvre“. Er manchmal auch gekünstelten Verwandlungen sein „oeuvre“. Er
war wohl bestimmt, eine verfeinerte und zum Untergang vor¬ war wohl bestimmt, eine verfeinerte und zum Untergang vor¬
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