VII, Verschiedenes 12, Schnitzlers Tod, Seite 666

e. e.
die nicht gestôrt sein wollen, in das kleine die nicht gestôrt sein wollen, in das kleine
Maschinenohr flistern zu müssen. — Der Maschinenohr flistern zu müssen. — Der
Schwank „Der ungetreue Eckehart“ unter¬ Schwank „Der ungetreue Eckehart“ unter¬
hielt uns, es sei gleich festgestellt, ganz hielt uns, es sei gleich festgestellt, ganz
famos. Die Handlung leistet sich die tollsten famos. Die Handlung leistet sich die tollsten
Unmöglichkeiten, aber sie kämpft gegen das Unmöglichkeiten, aber sie kämpft gegen das
logische Gewissen mit einer treffsicheren Ar¬ logische Gewissen mit einer treffsicheren Ar¬
mada von Gelächtern. Einige Stellen sind mada von Gelächtern. Einige Stellen sind
hinreißend lustig bei aller Kurtosität. Das hinreißend lustig bei aller Kurtosität. Das
kosten bei, um seinem Pariser Erstling einen kosten bei, um seinem Pariser Erstling einen
glatten Stapellauf zu ermöglichen. Das glatten Stapellauf zu ermöglichen. Das
Stüek wurde ein Bombenerfolg. Meyerbeer Stüek wurde ein Bombenerfolg. Meyerbeer
war, was er gewollt hatte: Publikumsliebling. war, was er gewollt hatte: Publikumsliebling.
Für l'ublikumslieblinge hat der Theater- Für l'ublikumslieblinge hat der Theater-
kassier natürlich immer viel übrig. Und kassier natürlich immer viel übrig. Und
selbstverständlich auch jede Theaterdirek- selbstverständlich auch jede Theaterdirek-
tion, deren Liebe zum Autor durch die Kassa tion, deren Liebe zum Autor durch die Kassa
geht. Man wollte also den goldenen Vogel, geht. Man wollte also den goldenen Vogel,
als welcher sich der ausgezeichnete und als welcher sich der ausgezeichnete und
großzügige Selbstmanager Meyerbeer plötz- großzügige Selbstmanager Meyerbeer plötz-
lich für die kapitaldürstende Große Oper lich für die kapitaldürstende Große Oper
entpuppt hatte, nicht davonfliegen lassen, entpuppt hatte, nicht davonfliegen lassen,
sondern band ihn durch eine geschickte kon¬ sondern band ihn durch eine geschickte kon¬
traktliche Fußfessel auch für die nächste traktliche Fußfessel auch für die nächste
Zeit fest. Eugen Sribe hatte bereits wieder Zeit fest. Eugen Sribe hatte bereits wieder
einen sensationellen Stoff, den er schon mit einen sensationellen Stoff, den er schon mit
Hinblick auf Meyerbeer bearbeitet hatte: die Hinblick auf Meyerbeer bearbeitet hatte: die
blutigen Greuel der Bartholomäusnacht von blutigen Greuel der Bartholomäusnacht von
1572. Eine Novelle Prosper Merimées hatte 1572. Eine Novelle Prosper Merimées hatte
die Grundlage gegeben. Es waren eben die Grundlage gegeben. Es waren eben
unsere später so benannten „Hugenot- unsere später so benannten „Hugenot-
ten“. Und dieses Werk verpflichtete ten“. Und dieses Werk verpflichtete
sich Meyerbeer, bei einer Konventional¬ sich Meyerbeer, bei einer Konventional¬
strafe von 30.000 Franken bis zum Herbst strafe von 30.000 Franken bis zum Herbst
1834 für die Große Oper zu vertonen. 1834 für die Große Oper zu vertonen.
Er arbeitete kräftig darauf los, bat aber um Er arbeitete kräftig darauf los, bat aber um
Terminaufschub, da er mit seiner lungenlei¬ Terminaufschub, da er mit seiner lungenlei¬
denden Frau nach dem Süden fuhr. Die denden Frau nach dem Süden fuhr. Die
Große Oper bestand wie Shylock auf ihrem Große Oper bestand wie Shylock auf ihrem
Schein. Meyerbeer zahlte ohne Federlesen Schein. Meyerbeer zahlte ohne Federlesen
das hohe Pönale, zog seine Oper zurück und das hohe Pönale, zog seine Oper zurück und
ging nach Italien. Sein Geld zeigte der Di¬ ging nach Italien. Sein Geld zeigte der Di¬
rektion den Herren. Meyerbeer blieb Sieger, rektion den Herren. Meyerbeer blieb Sieger,
der neue Direktor der Großen Oper, ein Ge¬ der neue Direktor der Großen Oper, ein Ge¬
schöpf des energischen Komponisten, gul schöpf des energischen Komponisten, gul
de- und wehmütig das Pönale zurück — und de- und wehmütig das Pönale zurück — und
die „Hugenotten“ auf den Spielplan. Wieder die „Hugenotten“ auf den Spielplan. Wieder
brachte der Theaterroutinier Meyerbeer die brachte der Theaterroutinier Meyerbeer die
Oper buchstäblich während der Proben In Oper buchstäblich während der Proben In
die letzte, das heißt: effektsicherste Fas¬ die letzte, das heißt: effektsicherste Fas¬
sung. Interessant ist, daß gerade der vierte sung. Interessant ist, daß gerade der vierte
Akt, der heute am stärksten wirkt, erst auf Akt, der heute am stärksten wirkt, erst auf
Anraten des berühmten Sängers Nourrit, der Anraten des berühmten Sängers Nourrit, der
den Raoul sang, in seine heutige Gestalt den Raoul sang, in seine heutige Gestalt
umgekrempelt wurde. Herr Seribe, des ewi¬ umgekrempelt wurde. Herr Seribe, des ewi¬
gen Umarbeitens des Librettos müde, wurde gen Umarbeitens des Librettos müde, wurde
wütend und störrisch. Rasch entschlossen wütend und störrisch. Rasch entschlossen
übertrug man also diese und andere Adap¬ übertrug man also diese und andere Adap¬
tierungsarbeiten dem Dichter Deschamp, tierungsarbeiten dem Dichter Deschamp,
der seine Sache zur Zufriedenheit der Be¬ der seine Sache zur Zufriedenheit der Be¬
teiligten machte. Mit dem frommen Dreh, teiligten machte. Mit dem frommen Dreh,
die Dekorationsmaler arbeiteten so langsam, die Dekorationsmaler arbeiteten so langsam,
verschleierte man das Hinausschieben der verschleierte man das Hinausschieben der
Premiere. Nach vierwöchiger Verzögerung, Premiere. Nach vierwöchiger Verzögerung,
am 29. Februar 1836, stand das Werk an am 29. Februar 1836, stand das Werk an
Theaterzettel. Es war wieder oin Erfolg. Theaterzettel. Es war wieder oin Erfolg.
Allerdings regten sich auch Stimmen des Allerdings regten sich auch Stimmen des
Bedenkens und des Einspruches. Zunächst Bedenkens und des Einspruches. Zunächst
einmal hinsichtlich der Stoffwahl, welche einmal hinsichtlich der Stoffwahl, welche
Religionskämpfe auf die Bühne brachte (die Religionskämpfe auf die Bühne brachte (die
historische Grundlage ist, kurz geschildert, historische Grundlage ist, kurz geschildert,
folgende: Die Mutter des jungen frunzösi- folgende: Die Mutter des jungen frunzösi-
schen Königs, Katharina von Medici, wollte schen Königs, Katharina von Medici, wollte
den protestantischen Admiral Colligny, der den protestantischen Admiral Colligny, der
auf ibren Sohn großen Elnfluß gewann und auf ibren Sohn großen Elnfluß gewann und
die Vermählung von dessen Schwester Mar¬ die Vermählung von dessen Schwester Mar¬
garete v. Valois mit dem protestantischen garete v. Valois mit dem protestantischen
Heinrich IV. von Navarra angebahnt hatte, Heinrich IV. von Navarra angebahnt hatte,
aus dem Wege schaffen; der Anschlag miß aus dem Wege schaffen; der Anschlag miß
lang; aus Angst vor der Rache Collignys lang; aus Angst vor der Rache Collignys
und der protestantischen Edelleute kam es und der protestantischen Edelleute kam es
dann zu jenem unter dem Namen Bartholo- dann zu jenem unter dem Namen Bartholo-
mäusnacht traurig berühmt gewordenen mäusnacht traurig berühmt gewordenen
Blutbad unter den Protestanten, die sich an¬ Blutbad unter den Protestanten, die sich an¬
läßlich der erwähnten Hochzeit in Paris ein läßlich der erwähnten Hochzeit in Paris ein
fanden). Man hielt die Veroperung dieser fanden). Man hielt die Veroperung dieser
grauenhaften Dinge für geschmacklos, zu¬ grauenhaften Dinge für geschmacklos, zu¬
mal sie zur Folie einer Liebesintrigenge- mal sie zur Folie einer Liebesintrigenge-
schichte dienten. Meyerbeer fand hier jeden¬ schichte dienten. Meyerbeer fand hier jeden¬
Schaltungen der Schaltungen der
falls stärkste Kontraste zur Auslôsung mu- falls stärkste Kontraste zur Auslôsung mu-
sikalischer Effekte, dies auch schon in dem sikalischer Effekte, dies auch schon in dem
musikalischen Gegensatz zwischen katholi- musikalischen Gegensatz zwischen katholi-
scher und protestantischer Sphâre. Letztere scher und protestantischer Sphâre. Letztere
malte er musikalisch durch die Verwen malte er musikalisch durch die Verwen
dung des Chorals (so des Luther'schen Cho- dung des Chorals (so des Luther'schen Cho-
rales „Eine feste Burg ist unser dott" schon rales „Eine feste Burg ist unser dott" schon
in der Ouvertüre). Diese Verwendung des in der Ouvertüre). Diese Verwendung des
kirchlichen Chorales zwischen Kavatinen kirchlichen Chorales zwischen Kavatinen
und Duetten erregte in protestantischen und Duetten erregte in protestantischen
Kreisen Anstoß. Auch ein Schumann zählte Kreisen Anstoß. Auch ein Schumann zählte
zu den Tadlern. Spontini, der sich durch zu den Tadlern. Spontini, der sich durch
Meyerbeer bedroht sah, wußte vom religiô- Meyerbeer bedroht sah, wußte vom religiô-
sen l'unkte aus die Bedenken seines Brot- sen l'unkte aus die Bedenken seines Brot-
geber Friedrich Wilhelm 11l. von Preußen geber Friedrich Wilhelm 11l. von Preußen

zu wecken. Mendelssohn selbst hat sich leb- zu wecken. Mendelssohn selbst hat sich leb-
haft verteidigt: „Freilich, wenn der Choral haft verteidigt: „Freilich, wenn der Choral
zur Opernarie gemacht würde, so wäre das zur Opernarie gemacht würde, so wäre das
wirklich ein Skandal. Allein wenn gerade im wirklich ein Skandal. Allein wenn gerade im
Gegenteil dieser Choral als Gegensatz der Gegenteil dieser Choral als Gegensatz der
weltlichen Musik stets streng und kirchlich weltlichen Musik stets streng und kirchlich
behandelt ist, wenn er als Anklang aus einer behandelt ist, wenn er als Anklang aus einer
besseren Welt, als Symbol des Glaubens und besseren Welt, als Symbol des Glaubens und
immer nur im Munde immer nur im Munde
Hoffens ertönt Hoffens ertönt
derjenigen Person, welche als Repräsentant derjenigen Person, welche als Repräsentant
eines ... unerschütterlichen frommen Glau- eines ... unerschütterlichen frommen Glau-
bens, ja als Märtyrer gezeichnet ist (Mar- bens, ja als Märtyrer gezeichnet ist (Mar-
cel), so ist, dûnkt mich, eine solche Behand- cel), so ist, dûnkt mich, eine solche Behand-
lung cher Heiligung als Entweihung eines lung cher Heiligung als Entweihung eines
Kirchengesangs zu nennen." Kirchengesangs zu nennen."