VII, Verschiedenes 12, Schnitzlers Tod, Seite 667

12. 12.
Schnitzler s Death Schnitzler s Death
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l. österr. behördl. konzessioniertes l. österr. behördl. konzessioniertes
Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte
WIEN, I., WOLLZEILE 11 WIEN, I., WOLLZEILE 11
TELEPHON R-23-0-43 TELEPHON R-23-0-43
Ausschnitt Arbeiterzeitung, Wle Ausschnitt Arbeiterzeitung, Wle
1. NOV. 137 1. NOV. 137
vom: vom:
Es war eine des Dichters und des Menschen Es war eine des Dichters und des Menschen
würdige, ergreifende Trauerfeier, die die Ravag würdige, ergreifende Trauerfeier, die die Ravag
am Sonntag um die Mittagsstunde für Artur am Sonntag um die Mittagsstunde für Artur
Schnitzler veranstaltete. Den musikalischen Schnitzler veranstaltete. Den musikalischen
Rahmen bildete der gemütstiefe erste Satz der Rahmen bildete der gemütstiefe erste Satz der
II=Moll=Symphonie von Franz Schubert und II=Moll=Symphonie von Franz Schubert und
das erschütternde Adagietto aus Gustav das erschütternde Adagietto aus Gustav
Mahlers Fünfter Symphonie, vom Wiener Mahlers Fünfter Symphonie, vom Wiener
Symphonieorchester unter Kabastas Leitung Symphonieorchester unter Kabastas Leitung
erhebend vorgetragen. Ernst Lothars Trauer¬ erhebend vorgetragen. Ernst Lothars Trauer¬
rede ging weit über das sonst übliche Konventio¬ rede ging weit über das sonst übliche Konventio¬
nelle hinaus; es war ein mutiges, freies Be¬ nelle hinaus; es war ein mutiges, freies Be¬
kenntnis zu einem großen Manne, dessen dichte¬ kenntnis zu einem großen Manne, dessen dichte¬
rischer Kunst, weil sie erotische Dinge bei ihrem rischer Kunst, weil sie erotische Dinge bei ihrem
Namen zu nennen wagte, man nur allzugern Namen zu nennen wagte, man nur allzugern
Schnitzlers Schnitzlers
unlautere Motive unterschob. unlautere Motive unterschob.
Dichtung war ein Dreiklang von Tod, Liebe Dichtung war ein Dreiklang von Tod, Liebe
und Spiel, ihr entscheidender Sinn tiefste und Spiel, ihr entscheidender Sinn tiefste
Wahrheit. Nie hat der Dichter literarische Ver¬ Wahrheit. Nie hat der Dichter literarische Ver¬
beugungen vor dem Augenblick gemacht und beugungen vor dem Augenblick gemacht und
lange vor der wissenschaftlichen Individual¬ lange vor der wissenschaftlichen Individual¬
psychologie diese dichterisch empfunden. Als psychologie diese dichterisch empfunden. Als
Mensch aber war Schnitzler ein Einklang. Un¬ Mensch aber war Schnitzler ein Einklang. Un¬
antastbar ging er seinen Weg, erfüllt von der antastbar ging er seinen Weg, erfüllt von der
Güte des edlen Menschen, der nicht schönfärbt, Güte des edlen Menschen, der nicht schönfärbt,
aber auch nicht höhnisch schwärzt. Eine schön aber auch nicht höhnisch schwärzt. Eine schön
gesprochene Aufführung des einaktigen Vor¬ gesprochene Aufführung des einaktigen Vor¬
spiels „Paracelsus“ durch erste Kräfte des spiels „Paracelsus“ durch erste Kräfte des
Burgtheaters schloß die erhebende Feier. Burgtheaters schloß die erhebende Feier.
box 44/1 box 44/1
oderr dele res oderr dele res
Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte
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E. trait du Journal: E. trait du Journal:
A tresea: A tresea:
2 NOV.1931 2 NOV.1931
late: late:
Luzerner Stadttheater. Luzerner Stadttheater.
/Arthur Schnitzler=Gedenkfeier /Arthur Schnitzler=Gedenkfeier
„Liebelei“, Schauspiel — 10. November. „Liebelei“, Schauspiel — 10. November.
Im Vorsprung vor allen Schweizer Bühnen Im Vorsprung vor allen Schweizer Bühnen
wurde, dem vor drei Wochen in Wien verstor¬ wurde, dem vor drei Wochen in Wien verstor¬
benen Arthur Schnitzler am hiesigen Thea¬ benen Arthur Schnitzler am hiesigen Thea¬
ter ein Gedenkabend gewidmet, zu dessen ter ein Gedenkabend gewidmet, zu dessen
Einleitung der in Luzern von früher her be¬ Einleitung der in Luzern von früher her be¬
reits bekannte und hochgeschätzte Aesthet und reits bekannte und hochgeschätzte Aesthet und
Dramatiker Professor Dr. Carl Friedrich Dramatiker Professor Dr. Carl Friedrich
Wiegand, Zürich, das Bild des Dichters ent¬ Wiegand, Zürich, das Bild des Dichters ent¬
warf. Schnitzlers Zugehörigkeit zu den intellek¬ warf. Schnitzlers Zugehörigkeit zu den intellek¬
tuellen jüdischen Kreisen Wiens beeinflußte tuellen jüdischen Kreisen Wiens beeinflußte
seine Einstellung zu den Daseinsfragen. Im seine Einstellung zu den Daseinsfragen. Im
ewigen Zwiespalt zwischen Lebenshunger und ewigen Zwiespalt zwischen Lebenshunger und
Todesahnung war ihm das Berauschungsmittel Todesahnung war ihm das Berauschungsmittel
die Liebe in ihren tausendfachen Spiegelungen, die Liebe in ihren tausendfachen Spiegelungen,
wie sie die genußfrohe Kultur der vorkriegs¬ wie sie die genußfrohe Kultur der vorkriegs¬
zeitlichen Kaiserstadt an der Donau aufwies zeitlichen Kaiserstadt an der Donau aufwies
Mit Schnitzler, dessen spätere Lebensjahre durch Mit Schnitzler, dessen spätere Lebensjahre durch
familiäres Mißgeschick verdüstert wurden, ist familiäres Mißgeschick verdüstert wurden, ist
mit dem meisterhaften Erzählen und wirkungs¬ mit dem meisterhaften Erzählen und wirkungs¬
sichern Bühnendichter, dessen Geltung weit über sichern Bühnendichter, dessen Geltung weit über
das deutsche Sprachgebiet hinausdrang, einer das deutsche Sprachgebiet hinausdrang, einer
der letzten Zeugen der österreichischen Vergan¬ der letzten Zeugen der österreichischen Vergan¬
genheit und der stärkste Heimatkünstler Wiens genheit und der stärkste Heimatkünstler Wiens
dahingegangen, von dem noch ein reicher dich¬ dahingegangen, von dem noch ein reicher dich¬
terischer Nachlaß zur Veröffentlichung kommen terischer Nachlaß zur Veröffentlichung kommen
wird. Auf diese stofflich gesättigte, rhetorisch wird. Auf diese stofflich gesättigte, rhetorisch
glänzende und von Verehrung für den Abge¬ glänzende und von Verehrung für den Abge¬
schiedenen durchglüte freje Gedachtnisrede folgte schiedenen durchglüte freje Gedachtnisrede folgte
die Aufführung von/ Schnitzlers Schauspiel die Aufführung von/ Schnitzlers Schauspiel
„Liebelei“ „Liebelei“
„Liebelei" ist der Anfang jenes magischen „Liebelei" ist der Anfang jenes magischen
Kreises, der mehr oder weniger alle Schöpfun¬ Kreises, der mehr oder weniger alle Schöpfun¬
gen Schnitzlers umschließt: Die Liebe. Für die gen Schnitzlers umschließt: Die Liebe. Für die
einen ist sie etwas zeitlich Bedingtes, von äußern einen ist sie etwas zeitlich Bedingtes, von äußern
Dingen Abhängiges, für die andern bedeutet sie Dingen Abhängiges, für die andern bedeutet sie
Eins und Alles. Schnitzlers Menschen genießen Eins und Alles. Schnitzlers Menschen genießen
aus vollen Zügen, aber sie zittern im Innersten aus vollen Zügen, aber sie zittern im Innersten
vor dem ungewissen Ende. Lavendelgeruch, wie vor dem ungewissen Ende. Lavendelgeruch, wie
aus lang verschlossen gewesenen Gemächern, weht aus lang verschlossen gewesenen Gemächern, weht
durch das Schauspiel. Diesen Hauch leiser Me¬ durch das Schauspiel. Diesen Hauch leiser Me¬
lancholie weiß Direktor Falkenhausen lancholie weiß Direktor Falkenhausen
durch seine Inszenierung allenthalben spürbar durch seine Inszenierung allenthalben spürbar
zu machen. Unter dessen Leitung bietet das noch zu machen. Unter dessen Leitung bietet das noch
ganz junge Fräulein Traute Reimann als ganz junge Fräulein Traute Reimann als
„Christine", ohne Theaterei, einfach und schlicht „Christine", ohne Theaterei, einfach und schlicht
in Tonfall, Mienen und Bewegungen und doch in Tonfall, Mienen und Bewegungen und doch
bildhaft und tief, die bedeutsame Probe eines bildhaft und tief, die bedeutsame Probe eines
schönen Talents. Im Gegensatz zu „Christine“ schönen Talents. Im Gegensatz zu „Christine“
dem rührenden Opfer einer Liebelei, wirkt vor¬ dem rührenden Opfer einer Liebelei, wirkt vor¬
trefflich Fräulein Gretelotte Braxis als die trefflich Fräulein Gretelotte Braxis als die
lustige „Mizi Schlager", die sorglos auskostet, lustige „Mizi Schlager", die sorglos auskostet,
was der Augenblick gewährt. Fräulein Lei¬ was der Augenblick gewährt. Fräulein Lei¬
ninger schildert die spitzüngige Hinterhältig¬ ninger schildert die spitzüngige Hinterhältig¬
keit der „Frau Binder“ aufs glaubhafteste keit der „Frau Binder“ aufs glaubhafteste
Die beiden liebenswürdigen Müßiggänger, Die beiden liebenswürdigen Müßiggänger,
kurzweg als Junge Leute vom Dichter bezeich¬ kurzweg als Junge Leute vom Dichter bezeich¬
net: „Fritz", von Hrn. Dehler vielleicht mit net: „Fritz", von Hrn. Dehler vielleicht mit
einem Gran zu viel haltloser Empfindsamkeit. einem Gran zu viel haltloser Empfindsamkeit.
jedoch sympathisch verkörpert, und der ehrlich jedoch sympathisch verkörpert, und der ehrlich
um seinen Freund besorgte „Theodor“ des Hrn. um seinen Freund besorgte „Theodor“ des Hrn.
Giersch, komplettieren die Liebespaare ent¬ Giersch, komplettieren die Liebespaare ent¬
sprechend der Verschiedenheit ihrer Charaktere, sprechend der Verschiedenheit ihrer Charaktere,
Eine vielleicht etwas zu larmoyant gehaltene Eine vielleicht etwas zu larmoyant gehaltene
jedoch gut geschaute Figur ist Christines Vater jedoch gut geschaute Figur ist Christines Vater
der Musiker „Weiring“, des Hrn. Carl¬ der Musiker „Weiring“, des Hrn. Carl¬
mayr. Durch Prägnanz des Dialogs und der mayr. Durch Prägnanz des Dialogs und der
Mimik sticht Hr. Holznagel heraus als der Mimik sticht Hr. Holznagel heraus als der
Fritz zur Rechenschaft ziehende betrogene Gatte Fritz zur Rechenschaft ziehende betrogene Gatte
Die stimmungsechte „Liebelei“=Aufführung trug Die stimmungsechte „Liebelei“=Aufführung trug
dem Ensemble samt Spielleiter den verdienten dem Ensemble samt Spielleiter den verdienten
Beifall des nahezu ausverkauften Hauses ein. Beifall des nahezu ausverkauften Hauses ein.
Schnitzler war in letzter Zeit verbittert, wei Schnitzler war in letzter Zeit verbittert, wei
die Theater neue Leute bevorzugten und ihn die Theater neue Leute bevorzugten und ihn
vernachlässigten. Diese sinkende Kurve läßt sich vernachlässigten. Diese sinkende Kurve läßt sich
auch an unserm Stadttheater nachweisen auch an unserm Stadttheater nachweisen
Schnitzler, der früher fast in jeder Spielzeit auf Schnitzler, der früher fast in jeder Spielzeit auf
geführt wurde, kam hier mit dem Schauspie geführt wurde, kam hier mit dem Schauspie
uletzte uletzte
as mal and in Aahzs as mal and in Aahzs