VII, Verschiedenes 12, Schnitzlers Tod, Seite 668

Luzerner Stadttheater. Luzerner Stadttheater.
Arthur Schnitzler=Gedenkfeier Arthur Schnitzler=Gedenkfeier
„Liebelei“", Schauspiel — 10. November. „Liebelei“", Schauspiel — 10. November.
Im Vorsprung vor allen Schweizer Bühnen Im Vorsprung vor allen Schweizer Bühnen
wurde, dem vor drei Wochen in Wien verstor¬ wurde, dem vor drei Wochen in Wien verstor¬
benen Arthur Schnitzler am hiesigen Thea¬ benen Arthur Schnitzler am hiesigen Thea¬
ter ein Gedenkabend gewidmet, zu dessen ter ein Gedenkabend gewidmet, zu dessen
Einleitung der in Luzern von früher her be¬ Einleitung der in Luzern von früher her be¬
reits bekannte und hochgeschätzte Aesthet und reits bekannte und hochgeschätzte Aesthet und
Dramatiker Professor Dr. Carl Friedrich Dramatiker Professor Dr. Carl Friedrich
Wiegand, Zürich, das Bild des Dichters ent¬ Wiegand, Zürich, das Bild des Dichters ent¬
warf. Schnitzlers Zugehörigkeit zu den intellek¬ warf. Schnitzlers Zugehörigkeit zu den intellek¬
tuellen jüdischen Kreisen Wiens beeinflußt: tuellen jüdischen Kreisen Wiens beeinflußt:
seine Einstellung zu den Daseinsfragen. Im seine Einstellung zu den Daseinsfragen. Im
ewigen Zwiespalt zwischen Lebenshunger und ewigen Zwiespalt zwischen Lebenshunger und
Todesahnung war ihm das Berauschungsmittel Todesahnung war ihm das Berauschungsmittel
die Liebe in ihren tausendfachen Spiegelungen, die Liebe in ihren tausendfachen Spiegelungen,
wie sie die genußfrohe Kultur der vorkriegs¬ wie sie die genußfrohe Kultur der vorkriegs¬
zeitlichen Kaiserstadt an der Donau aufwies zeitlichen Kaiserstadt an der Donau aufwies
Mit Schnitzler, dessen spätere Lebensjahre durch Mit Schnitzler, dessen spätere Lebensjahre durch
familiäres Mißgeschick verdüstert wurden, ist familiäres Mißgeschick verdüstert wurden, ist
mit dem meisterhaften Erzählen und wirkungs¬ mit dem meisterhaften Erzählen und wirkungs¬
sichern Bühnendichter, dessen Geltung weit über sichern Bühnendichter, dessen Geltung weit über
das deutsche Sprachgebiet hinausdrang, einer das deutsche Sprachgebiet hinausdrang, einer
der letzten Zeugen der österreichischen Vergan¬ der letzten Zeugen der österreichischen Vergan¬
genheit und der stärkste Heimatkünstler Wiens genheit und der stärkste Heimatkünstler Wiens
dahingegangen, von dem noch ein reicher dich¬ dahingegangen, von dem noch ein reicher dich¬
terischer Nachlaß zur Veröffentlichung kommen terischer Nachlaß zur Veröffentlichung kommen
wird. Auf diese stofflich gesättigte, rhetorisch wird. Auf diese stofflich gesättigte, rhetorisch
glänzende und von Verehrung für den Abge¬ glänzende und von Verehrung für den Abge¬
schiedenen durchglüte freie Gedachtnisrede folgte schiedenen durchglüte freie Gedachtnisrede folgte
die Aufführung von Schnitzlers Schauspiel die Aufführung von Schnitzlers Schauspiel
„Liebelei „Liebelei
„Liebelei" ist der Anfang jenes magischen „Liebelei" ist der Anfang jenes magischen
Kreises, der mehr oder weniger alle Schopfun¬ Kreises, der mehr oder weniger alle Schopfun¬
gen Schnitzlers umschließt: Die Liebe. Für die gen Schnitzlers umschließt: Die Liebe. Für die
einen ist sie etwas zeitlich Bedingtes, von äußern einen ist sie etwas zeitlich Bedingtes, von äußern
Dingen Abhängiges, für die andern bedeutet sie Dingen Abhängiges, für die andern bedeutet sie
Eins und Alles. Schnitzlers Menschen genießen Eins und Alles. Schnitzlers Menschen genießen
aus vollen Zügen, aber sie zittern im Innersten aus vollen Zügen, aber sie zittern im Innersten
vor dem ungewissen Ende. Lavendelgeruch, wie vor dem ungewissen Ende. Lavendelgeruch, wie
aus lang verschlossen gewesenen Gemachern, weht aus lang verschlossen gewesenen Gemachern, weht
durch das Schauspiel. Diesen Hauch leiser Me¬ durch das Schauspiel. Diesen Hauch leiser Me¬
lancholie weiß Direktor Falkenhausen lancholie weiß Direktor Falkenhausen
durch seine Inszenierung allenthalben spürbar durch seine Inszenierung allenthalben spürbar
zu machen. Unter dessen Leitung bietet das noch zu machen. Unter dessen Leitung bietet das noch
ganz junge Fräulein Traute Reimann als ganz junge Fräulein Traute Reimann als
„Christine“, ohne Theaterei, einfach und schlicht „Christine“, ohne Theaterei, einfach und schlicht
in Tonfall, Mienen und Bewegungen und doch in Tonfall, Mienen und Bewegungen und doch
bildhaft und tief, die bedeutsame Probe eines bildhaft und tief, die bedeutsame Probe eines
schönen Talents. Im Gegensatz zu „Christine“ schönen Talents. Im Gegensatz zu „Christine“
dem rührenden Opfer einer Liebelei, wirkt vor¬ dem rührenden Opfer einer Liebelei, wirkt vor¬
trefflich Fräulein Gretelotte Braxis als die trefflich Fräulein Gretelotte Braxis als die
lustige „Mizi Schlager", die sorglos auskostet, lustige „Mizi Schlager", die sorglos auskostet,
was der Augenblick gewährt. Fräulein Lei¬ was der Augenblick gewährt. Fräulein Lei¬
ninger schildert die spitzzüngige Hinterhältig¬ ninger schildert die spitzzüngige Hinterhältig¬
keit der „Frau Binder“ aufs glaubhafteste. keit der „Frau Binder“ aufs glaubhafteste.
Die beiden liebenswürdigen Müßiggänger, Die beiden liebenswürdigen Müßiggänger,
kurzweg als Junge Leute vom Dichter bezeich¬ kurzweg als Junge Leute vom Dichter bezeich¬
net: „Fritz", von Hrn. Dehler vielleicht mit net: „Fritz", von Hrn. Dehler vielleicht mit
einem Gran zu viel haltloser Empfindsamkeit. einem Gran zu viel haltloser Empfindsamkeit.
jedoch sympathisch verkörpert, und der ehrlich jedoch sympathisch verkörpert, und der ehrlich
um seinen Freund besorgte „Theodor“ des Hrn. um seinen Freund besorgte „Theodor“ des Hrn.
Giersch, komplettieren die Liebespaare ent¬ Giersch, komplettieren die Liebespaare ent¬
sprechend der Verschiedenheit ihrer Charaktere, sprechend der Verschiedenheit ihrer Charaktere,
Eine vielleicht etwas zu larmoyant gehaltene Eine vielleicht etwas zu larmoyant gehaltene
jedoch gut geschaute Figur ist Christines Vater jedoch gut geschaute Figur ist Christines Vater
der Musiker „Weiring“, des Hrn. Carl der Musiker „Weiring“, des Hrn. Carl
mayr. Durch Prägnanz des Dialogs und der mayr. Durch Prägnanz des Dialogs und der
Mimik sticht Hr. Holznagel heraus als der Mimik sticht Hr. Holznagel heraus als der
Fritz zur Rechenschaft ziehende betrogene Gatte Fritz zur Rechenschaft ziehende betrogene Gatte
Die stimmungsechte „Liebelei“=Aufführung trug Die stimmungsechte „Liebelei“=Aufführung trug
dem Ensemble samt Spielleiter den verdienten dem Ensemble samt Spielleiter den verdienten
Beifall des nahezu ausverkauften Hauses ein. Beifall des nahezu ausverkauften Hauses ein.
Schnitzler war in letzter Zeit verbittert, wei Schnitzler war in letzter Zeit verbittert, wei
die Theater neue Leute bevorzugten und ihr die Theater neue Leute bevorzugten und ihr
vernachlässigten. Diese sinkende Kurve läßt sich vernachlässigten. Diese sinkende Kurve läßt sich
auch an unserm Stadttheater nachweisen auch an unserm Stadttheater nachweisen
Schnitzler, der früher fast in jeder Spielzeit auf Schnitzler, der früher fast in jeder Spielzeit auf
geführt wurde, kam hier mit dem Schauspie geführt wurde, kam hier mit dem Schauspie
„Das weite Land“ im Jahre 1925 zum letzten „Das weite Land“ im Jahre 1925 zum letzten
mal zu Gehör. Sein „Paracelsus“ wurde mi mal zu Gehör. Sein „Paracelsus“ wurde mi
Moissi in der Titelrolle im März 1923 un Moissi in der Titelrolle im März 1923 un
seine „Liebelei“ vor acht Jahren, im Novem seine „Liebelei“ vor acht Jahren, im Novem
ber 1923, hier letztmalig gegeben. Diese Ver ber 1923, hier letztmalig gegeben. Diese Ver
säumnis wird am besten gutgemacht durch all säumnis wird am besten gutgemacht durch all
seitigen Besuch der Wiederholungen der wirklic seitigen Besuch der Wiederholungen der wirklic
hör= und sehenswerten derzeitigen „Liebelei“, hör= und sehenswerten derzeitigen „Liebelei“,
Aufführung. Aufführung.
-0 -0
DOBSERVER DOBSERVER
I. österr. behördl. konzessioniertes I. österr. behördl. konzessioniertes
Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte
WIEN, I., WOLLZEILE 11 WIEN, I., WOLLZEILE 11
TELEPHON R-23-0-43 TELEPHON R-23-0-43
Ausschmit aushiane Preielraoe, Wien Ausschmit aushiane Preielraoe, Wien

5. NOV. 1937 5. NOV. 1937
vom: vom:
Die Schnibler=Feier des Burg¬ Die Schnibler=Feier des Burg¬
theaters. theaters.
Der Beginn der Gedenkfeier des Burgtheaters für Arthur Der Beginn der Gedenkfeier des Burgtheaters für Arthur
Schnitzler am Sonntag den 15. d. wurde für halb 12 Uhr Schnitzler am Sonntag den 15. d. wurde für halb 12 Uhr
festgesetzt. Zuerst spielen die Philharmoniber unter der festgesetzt. Zuerst spielen die Philharmoniber unter der
Leitung von Clemens Krauß Schuberts unvollendete Sym¬ Leitung von Clemens Krauß Schuberts unvollendete Sym¬
phonie. Daran schließt sich eine Gedenkrede, die ursprünglich Felix phonie. Daran schließt sich eine Gedenkrede, die ursprünglich Felix
Salten halten sollte. In einem interurbanen Gespräch aus Salten halten sollte. In einem interurbanen Gespräch aus
Berlin hat Salten erklärt, aus beruflichen Gründen verhindert Berlin hat Salten erklärt, aus beruflichen Gründen verhindert
zu sein. Daraufhin hat der Schutzverband deutscher Schriftsteller zu sein. Daraufhin hat der Schutzverband deutscher Schriftsteller
Anton Wildgaus ersucht, die Rede zu halten. Dieser konnte Anton Wildgaus ersucht, die Rede zu halten. Dieser konnte
mit Rücksicht auf seinen leidenden Zustand noch keine bindende mit Rücksicht auf seinen leidenden Zustand noch keine bindende
Zusage machen, so daß der Festredner noch nicht bestimmt ist. Als Zusage machen, so daß der Festredner noch nicht bestimmt ist. Als
Abschluß der Feier geht der Einakter Schnitzlers „Die letzten Abschluß der Feier geht der Einakter Schnitzlers „Die letzten
Masken" unter der Spielleitung Albert Heines in Szene. Masken" unter der Spielleitung Albert Heines in Szene.
In diesem Stück sind beschäftigt Auguste Pünkösdy, Raoul Aslan, In diesem Stück sind beschäftigt Auguste Pünkösdy, Raoul Aslan,
Paul Hartmann, Albert Heine, Fred Hennings und Wilhelm Paul Hartmann, Albert Heine, Fred Hennings und Wilhelm
Heim. Heim.
VERe VERe
OBSE OBSE
I. österr. behördl. konzessioniertes I. österr. behördl. konzessioniertes
Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte
WIEN, I., WOLLZEILE 11 WIEN, I., WOLLZEILE 11
TELEPHON R-23-0-43 TELEPHON R-23-0-43
Ausschnitt AS WIKEÉE JOUANAE Ausschnitt AS WIKEÉE JOUANAE
331 331
5.NOV. 5.NOV.
vom: vom:
Sauihier=Feiet in Teipgig. Sauihier=Feiet in Teipgig.
Im Leipziger Schauspielhaus. Im Leipziger Schauspielhaus.
Aus Leipzig wird uns berichtet: Eine schöne und Aus Leipzig wird uns berichtet: Eine schöne und
eindrucksvolle Schnitzler=Gedächtnisfeier fand im Schauspiel¬ eindrucksvolle Schnitzler=Gedächtnisfeier fand im Schauspiel¬
haus statt. Gustav Herrmann trug einen selbstverfaßten Vorspruch haus statt. Gustav Herrmann trug einen selbstverfaßten Vorspruch
vor. Einen Vorspruch, in den er den Schimmer der versunkenen vor. Einen Vorspruch, in den er den Schimmer der versunkenen
Welt Schnitzlers gebannt hatte und in dem er, sehr geschickt die Welt Schnitzlers gebannt hatte und in dem er, sehr geschickt die
Titel seiner Werke verflechtend, einen Ueberblick über Umfang Titel seiner Werke verflechtend, einen Ueberblick über Umfang
und Art seines Schaffens gab. Es folgte die wehmütig besonnte, und Art seines Schaffens gab. Es folgte die wehmütig besonnte,
lyrische Komödie „Weihnachtseinkäufe" aus dem „Anatol". Sie lyrische Komödie „Weihnachtseinkäufe" aus dem „Anatol". Sie
wurde con sordino vorgetragen. Sie zeigte jene „große Welt", wurde con sordino vorgetragen. Sie zeigte jene „große Welt",
die wir nicht mehr recht verstehen, und nahm den Schleier von die wir nicht mehr recht verstehen, und nahm den Schleier von
jener „kleinen Welt", die wir lieben und die auch verschwunden jener „kleinen Welt", die wir lieben und die auch verschwunden
ist. Sie hatte Schnitzlers Grazie und seine Cellomelodie. ist. Sie hatte Schnitzlers Grazie und seine Cellomelodie.
Hermine Körner spielte die große Dame mit Noblesse, Herz und Hermine Körner spielte die große Dame mit Noblesse, Herz und
Geist, die Liebe verdrängte auf eine generöse Art, mit leisem Geist, die Liebe verdrängte auf eine generöse Art, mit leisem
Erwachen und verhaltenem Ausbruch, Eifersucht und Spott. Erwachen und verhaltenem Ausbruch, Eifersucht und Spott.
Heinz Leo Fischer gab dem „leichtsinnigen Melancholiker" Anatol Heinz Leo Fischer gab dem „leichtsinnigen Melancholiker" Anatol
viel scharmantes Oesterreichertum, vornehme Haltung und den viel scharmantes Oesterreichertum, vornehme Haltung und den
elegischen Ton, der alle Schnitzler=Dichtungen durchzittert. elegischen Ton, der alle Schnitzler=Dichtungen durchzittert.
E. 2. E. 2.