VII, Verschiedenes 12, Schnitzlers Tod, Seite 675

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Schnitzler s Death Schnitzler s Death
RVERe RVERe
DOBSE DOBSE
1. österr. behördl. konzessioniertes 1. österr. behördl. konzessioniertes
Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte
WIEN, I., WOLLZEILE 11 WIEN, I., WOLLZEILE 11
TELEPHON R-23-0-43 TELEPHON R-23-0-43
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Ausschnitt aus: Ausschnitt aus:
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16. NOV. 1937 16. NOV. 1937
vom: vom:
Arthur=Schnitzler=Feier des Burg¬ Arthur=Schnitzler=Feier des Burg¬
theaters. theaters.
Zum erstenmal: „Die letzten Masken." Zum erstenmal: „Die letzten Masken."
Schuberts II=Moll=Symphonie, die Arthur Schnitzler so Schuberts II=Moll=Symphonie, die Arthur Schnitzler so
sehr geliebt und seinem Werke als wesensverwandt empfunden sehr geliebt und seinem Werke als wesensverwandt empfunden
hat, grüßt den großen Toten. Die letzten Klänge dieser Musik, hat, grüßt den großen Toten. Die letzten Klänge dieser Musik,
die von den Wiener Philharmonikern unter der die von den Wiener Philharmonikern unter der
Leitung von Clemens Krauß erschütternd gespielt wird, sind Leitung von Clemens Krauß erschütternd gespielt wird, sind
verströmt und Raoul Aslan spricht die Gedenkworte, in verströmt und Raoul Aslan spricht die Gedenkworte, in
denen Oskar Maurus Fontana die Leitmotive in Arthur denen Oskar Maurus Fontana die Leitmotive in Arthur
Schnitzlers dichterischem Schaffen, die Grundstimmung seines Schnitzlers dichterischem Schaffen, die Grundstimmung seines
Lebenswerkes geistvoll analysiert. Raoul Aslan spricht eindringlich Lebenswerkes geistvoll analysiert. Raoul Aslan spricht eindringlich
und jedes Wort beseelend. Mit feinster Kunst zeichnet er die und jedes Wort beseelend. Mit feinster Kunst zeichnet er die
Konturen jener schwermütigen Vision: an einem Herbstabend Konturen jener schwermütigen Vision: an einem Herbstabend
sitzt Arthur Schnitzler, alt und einsam geworden, auf einer Bank sitzt Arthur Schnitzler, alt und einsam geworden, auf einer Bank
am Rande des Wienerwaldes, umfaßt mit einem Abschiedsblich am Rande des Wienerwaldes, umfaßt mit einem Abschiedsblich
die geliebte Stadt und sieht noch einmal die Gestalten, die er die geliebte Stadt und sieht noch einmal die Gestalten, die er
geschaffen hat, an sich vorüberschweben. geschaffen hat, an sich vorüberschweben.
Dann steigt der Vorhang und eine dieser Gestalten, die eben Dann steigt der Vorhang und eine dieser Gestalten, die eben
an dem Dichter schattenhaft vorbeiglitten, wird körperhaft. Es an dem Dichter schattenhaft vorbeiglitten, wird körperhaft. Es
ist der sterbende Karl Rademacher in den „Letzten Mashen". ist der sterbende Karl Rademacher in den „Letzten Mashen".
Mit wirrem grauen Haar und fahlem Gesicht kauert er im Mit wirrem grauen Haar und fahlem Gesicht kauert er im
Lehnstuhl. Stirn, Lippen und Wangen sind ihm schon von jenem Lehnstuhl. Stirn, Lippen und Wangen sind ihm schon von jenem
fremden Zug gezeichnet, der das Siegel der Vernichtung ist. fremden Zug gezeichnet, der das Siegel der Vernichtung ist.
„Die letzten Mashen", dieser beinahe unheimlich hellsichtige „Die letzten Mashen", dieser beinahe unheimlich hellsichtige
Einakter, der Geheimstes und Verborgenstes mit unbarmherziger Einakter, der Geheimstes und Verborgenstes mit unbarmherziger
Illusionslosigkeit röntgenologisch durchleuchtet, waren schon im Illusionslosigkeit röntgenologisch durchleuchtet, waren schon im
[Deutschen Volkstheater und in der Inszenierung von Otto [Deutschen Volkstheater und in der Inszenierung von Otto
Brahm zu sehen. Im Burgtheater, wo dos Werk bei dieser Brahm zu sehen. Im Burgtheater, wo dos Werk bei dieser
Totenfeier seine Erstaufführung erlebt, führt Albert Heine die Totenfeier seine Erstaufführung erlebt, führt Albert Heine die
Regie. Es ist eine Inszenierung, die ihre eigenen Wege geht. Sie Regie. Es ist eine Inszenierung, die ihre eigenen Wege geht. Sie
bemüht sich vor allem darum, den geistigen und gedanklichen bemüht sich vor allem darum, den geistigen und gedanklichen
Gehalt der Dichtung deutlich, ja bisweilen überdeutlich werden Gehalt der Dichtung deutlich, ja bisweilen überdeutlich werden
zu lassen. Dadurch wird der Totentanz, der dieses Zimmer im zu lassen. Dadurch wird der Totentanz, der dieses Zimmer im
Allgemeinen Krankenhaus durchgeistert, gewissermaßen ratio¬ Allgemeinen Krankenhaus durchgeistert, gewissermaßen ratio¬
nalisiert. Manche Szene büßt an gespenstischem Zwielicht ein, nalisiert. Manche Szene büßt an gespenstischem Zwielicht ein,
was sie an intellektueller Durchdringung gewinnt. Das Grau was sie an intellektueller Durchdringung gewinnt. Das Grau
in Grau dieses Schauspieles aber, seine tiefe Skepsis, sein in Grau dieses Schauspieles aber, seine tiefe Skepsis, sein
schneidender Pessimismus könnte kaum klarer und schärfer zum schneidender Pessimismus könnte kaum klarer und schärfer zum
Ausdruck gebracht werden als durch Albert Heines Regie. Ausdruck gebracht werden als durch Albert Heines Regie.
Ferdinand Onno bietet in der Rolle des Erfolglosen, der Ferdinand Onno bietet in der Rolle des Erfolglosen, der
in der letzten Biertelstunde seines Lebens mit dem beneideten in der letzten Biertelstunde seines Lebens mit dem beneideten
und gehaßten Erfolgreichen abrechnen will, weit mehr als bloß und gehaßten Erfolgreichen abrechnen will, weit mehr als bloß
eine meisterhafte klinische Studie. Gewiß, er bleibt kein klinisches eine meisterhafte klinische Studie. Gewiß, er bleibt kein klinisches
Detail schuldig, nicht den flackernden Blick und den keuchenden Detail schuldig, nicht den flackernden Blick und den keuchenden
Atem, nicht die fahrigen Bewegungen der Hände und die krampf¬ Atem, nicht die fahrigen Bewegungen der Hände und die krampf¬
hafte Verzerrung des Mundes. Ins Symbolische und Schiksal¬ hafte Verzerrung des Mundes. Ins Symbolische und Schiksal¬
hafte aber steigert er die Gestalt in der Szene, in der er mit hafte aber steigert er die Gestalt in der Szene, in der er mit
geringschätziger Gleichgültigkeit darauf verzichtet, dem eiteln und geringschätziger Gleichgültigkeit darauf verzichtet, dem eiteln und
aufgeblasenen Poseur, der ihn besucht, niederschmetternde Wahr¬ aufgeblasenen Poseur, der ihn besucht, niederschmetternde Wahr¬
heiten ins Gesicht zu sagen: denn es steht ja doch nicht dafür, heiten ins Gesicht zu sagen: denn es steht ja doch nicht dafür,
es ist alles so nichtig und wesenlos, wenn man weiß, daß man es ist alles so nichtig und wesenlos, wenn man weiß, daß man
morgen nicht mehr am Leben sein wird. Diesen Arrivierten, der morgen nicht mehr am Leben sein wird. Diesen Arrivierten, der
im Schmuck seines gepflegten Vollbartes, mit eleganten Glacé¬ im Schmuck seines gepflegten Vollbartes, mit eleganten Glacé¬
handschuhen spielend, gechenhaft bei dem Sterbenden sitzt und handschuhen spielend, gechenhaft bei dem Sterbenden sitzt und