VII, Verschiedenes 12, Schnitzlers Tod, Seite 676


in Grau dieses Schauspieles aber, seine tiefe Skepsis, in Grau dieses Schauspieles aber, seine tiefe Skepsis,
schneidender Pessimismus könnte haum klarer und schärfer zum schneidender Pessimismus könnte haum klarer und schärfer zum
Ausdruck gebracht werden als durch Albert Heines Regie. Ausdruck gebracht werden als durch Albert Heines Regie.
Ferdinand Onno bietet in der Rolle des Erfolglosen, der Ferdinand Onno bietet in der Rolle des Erfolglosen, der
in der letzten Biertelstunde seines Lebens mit dem beneideten in der letzten Biertelstunde seines Lebens mit dem beneideten
und gehaßten Erfolgreichen abrechnen will, weit mehr als bloß und gehaßten Erfolgreichen abrechnen will, weit mehr als bloß
eine meisterhafte klinische Studie. Gewiß, er bleibt kein klinisches eine meisterhafte klinische Studie. Gewiß, er bleibt kein klinisches
Detail schuldig, nicht den flachkernden Blick und den keuchenden Detail schuldig, nicht den flachkernden Blick und den keuchenden
Atem, nicht die fahrigen Bewegungen der Hände und die krampf¬ Atem, nicht die fahrigen Bewegungen der Hände und die krampf¬
hafte Verzerrung des Mundes. Ins Symbolische und Schicksal¬ hafte Verzerrung des Mundes. Ins Symbolische und Schicksal¬
hafte aber steigert er die Gestalt in der Szene, in der er mit hafte aber steigert er die Gestalt in der Szene, in der er mit
geringschätziger Gleichgültigkeit da auf verzichtet, dem eiteln und geringschätziger Gleichgültigkeit da auf verzichtet, dem eiteln und
aufgeblasenen Poseur, der ihn besucht, niederschmetternde Wahr¬ aufgeblasenen Poseur, der ihn besucht, niederschmetternde Wahr¬
heiten ins Gesicht zu sagen: denn es steht ja doch nicht dafür, heiten ins Gesicht zu sagen: denn es steht ja doch nicht dafür,
es ist alles so nichtig und wesenlos, wenn man weiß, daß man es ist alles so nichtig und wesenlos, wenn man weiß, daß man
morgen nicht mehr am Leben sein wird. Diesen Arrivierten, der morgen nicht mehr am Leben sein wird. Diesen Arrivierten, der
im Schmuck seines gepflegten Vollbartes, mit eleganten Glacé¬ im Schmuck seines gepflegten Vollbartes, mit eleganten Glacé¬
handschuhen spielend, gechenhaft bei dem Sterbenden sitzt und handschuhen spielend, gechenhaft bei dem Sterbenden sitzt und
ihn mit salbungsvollen Banalitäten tröstet, entlarot Hans ihn mit salbungsvollen Banalitäten tröstet, entlarot Hans
Marr, ohne ihn durch Uebertreibung zu karikieren, dennoch Marr, ohne ihn durch Uebertreibung zu karikieren, dennoch
mit mörderischer Sicherheit als Karikatur. Wilhelm Heim als mit mörderischer Sicherheit als Karikatur. Wilhelm Heim als
schwerkranker Schauspieler hat starke Augenblicke. Er redet dem schwerkranker Schauspieler hat starke Augenblicke. Er redet dem
Sterbenden, der seinen gehaßten Besucher erwartet, eifrig zu, Sterbenden, der seinen gehaßten Besucher erwartet, eifrig zu,
mit ihm für die ersehnte Abrechnung doch vorher gewissermaßen mit ihm für die ersehnte Abrechnung doch vorher gewissermaßen
eine Generalprobe abzuhalten. In dieser dämonischen Szene, in eine Generalprobe abzuhalten. In dieser dämonischen Szene, in
der er dem Verlöschenden die Stichworte des Hasses bringt, der er dem Verlöschenden die Stichworte des Hasses bringt,
verrät er hüstelnd und durch fiebrige Lebhaftigkeit, daß er selbst verrät er hüstelnd und durch fiebrige Lebhaftigkeit, daß er selbst
nur ein Toter auf Urlaub ist. Paul Hartmann und Fred nur ein Toter auf Urlaub ist. Paul Hartmann und Fred
Hennings als Sekundarärzte zeichnen mit kraftvollen Hennings als Sekundarärzte zeichnen mit kraftvollen
Strichen zwei scharfprofilierte Figuren. Ausgezeichnet Auguste Strichen zwei scharfprofilierte Figuren. Ausgezeichnet Auguste
Pünkösdy als Krankenpflegerin. Jeder Blick, jede Gebärde Pünkösdy als Krankenpflegerin. Jeder Blick, jede Gebärde
ist der Wirklichheit abgelauscht. ist der Wirklichheit abgelauscht.
In ehrfurchtsvoller Ergriffenheit nahm das Publikum, das In ehrfurchtsvoller Ergriffenheit nahm das Publikum, das
dieser vom Burgtheater gemeinsam mit dem Schutzverband dieser vom Burgtheater gemeinsam mit dem Schutzverband
deutscher Schriftsteller in Oesterreich veranstalteten Gedenkfeier deutscher Schriftsteller in Oesterreich veranstalteten Gedenkfeier
beiwohnte, Arthur Schnitzlers weisheitsschwere Dichtung auf. beiwohnte, Arthur Schnitzlers weisheitsschwere Dichtung auf.
K. Sid. K. Sid.
Schnihler=Feier der Berliner Volksbühne. Schnihler=Feier der Berliner Volksbühne.
Gedenkrede Franz Werfels. Gedenkrede Franz Werfels.
Als das erste unter den Berliner Theatern hat die von Karl Als das erste unter den Berliner Theatern hat die von Karl
Heinz Martin geleitete Volksbühne eine Gedenkfeier für Heinz Martin geleitete Volksbühne eine Gedenkfeier für
Arthur Schnitzler veranstaltet. Franz Werfel, der eigens Arthur Schnitzler veranstaltet. Franz Werfel, der eigens
aus Wien berufen worden war, trat vor den Vorhang und aus Wien berufen worden war, trat vor den Vorhang und
würdigte mit warmen und gedankentiefen Worten Leben, Wirken würdigte mit warmen und gedankentiefen Worten Leben, Wirken
und Persönlichkeit des dahingegangenen Dichters und Freundes. und Persönlichkeit des dahingegangenen Dichters und Freundes.
Er schilderte Arthur Schnitzlers selbstgewählte innere Einsamkeit Er schilderte Arthur Schnitzlers selbstgewählte innere Einsamkeit
und nannte sein Schicksal ein echt österreichisches, das an das¬ und nannte sein Schicksal ein echt österreichisches, das an das¬
jenige Lenaus, Grillparzers, Mozarts gemahne. Er erzählte, jenige Lenaus, Grillparzers, Mozarts gemahne. Er erzählte,
daß eine Gesamtausgabe von Schnitzlers Werken in chinesischer daß eine Gesamtausgabe von Schnitzlers Werken in chinesischer
und japanischer Uebersetzung erschienen sei, daß aber auch nicht und japanischer Uebersetzung erschienen sei, daß aber auch nicht
das kleinste heimische Ehrendoktorat sein Leben — so lautete der das kleinste heimische Ehrendoktorat sein Leben — so lautete der
von Werfel gebrauchte Ausdruck — „verunziert" habe. Schnitzler, von Werfel gebrauchte Ausdruck — „verunziert" habe. Schnitzler,
sagte Werfel, habe die Politik gehaßt. Er habe sich in sich selbst sagte Werfel, habe die Politik gehaßt. Er habe sich in sich selbst
versenkt, und er habe au sich geglaubt. Das gehe schon aus der versenkt, und er habe au sich geglaubt. Das gehe schon aus der
Bestimmung des Testaments hervor, daß seine nachgelassenen Bestimmung des Testaments hervor, daß seine nachgelassenen
Tagebücher erst nach zwanzig, zum Teil sogar erst nach vierzig Tagebücher erst nach zwanzig, zum Teil sogar erst nach vierzig
Jahren veröffentlicht werden sollen. „In diesem Glauben dürfen Jahren veröffentlicht werden sollen. „In diesem Glauben dürfen
wir ihm, dem großen Skeptiker, getrost folgen", erklärte Werfel. wir ihm, dem großen Skeptiker, getrost folgen", erklärte Werfel.
Dann übte er scharfe Kritik an den jetzt so beliebten Reportage¬ Dann übte er scharfe Kritik an den jetzt so beliebten Reportage¬
stücken und meinte, es sei kein bloßer Zufall, daß unter diesen stücken und meinte, es sei kein bloßer Zufall, daß unter diesen
Zeitstücken nicht ein einziges Werk von Bedeutung zu finden sei. Zeitstücken nicht ein einziges Werk von Bedeutung zu finden sei.
Wenn Schnitzler die Politik gehaßt hat — Werfel haßt sie nicht, Wenn Schnitzler die Politik gehaßt hat — Werfel haßt sie nicht,
und in der Würdigung des verstorbenen unpolitischen Dichters und in der Würdigung des verstorbenen unpolitischen Dichters
fand er Gelegenheit, zu zeigen, daß man Dichter und dabei fand er Gelegenheit, zu zeigen, daß man Dichter und dabei
zugleich voll politischen Temperaments sein kann. zugleich voll politischen Temperaments sein kann.
Auf die Gedenkrede folgte eine Neueinstudierung von Auf die Gedenkrede folgte eine Neueinstudierung von
Schnitzlers Groteske „Der grüne Kakadu . Man hat in Schnitzlers Groteske „Der grüne Kakadu . Man hat in
Wien schon bessere Aufführungen des Stüches gesehen. Zwar war Wien schon bessere Aufführungen des Stüches gesehen. Zwar war
Rudolf Forster ein idealer Henri und Ernst Karchow ein Rudolf Forster ein idealer Henri und Ernst Karchow ein
ausgezeichneter Herzog. Aber der Regisseur Günter Stark ausgezeichneter Herzog. Aber der Regisseur Günter Stark
hatte das Tempo zu schleppend genommen und dadurch kam das hatte das Tempo zu schleppend genommen und dadurch kam das
Stück um einen Teil seiner Wirkung. Gina Falckenberg Stück um einen Teil seiner Wirkung. Gina Falckenberg
war als „große Dirne" temperamentlos und nicht sehr glaub¬ war als „große Dirne" temperamentlos und nicht sehr glaub¬
würdig. Als Severine fiel Philine Wengerdt durch natürliches würdig. Als Severine fiel Philine Wengerdt durch natürliches
Spiel angenehm auf. Grete Maren, die Heldin des Liebes Spiel angenehm auf. Grete Maren, die Heldin des Liebes
dramas, das sich vorigen Sommer im Ischler Wald abgespielt hat, dramas, das sich vorigen Sommer im Ischler Wald abgespielt hat,
sah reizvoll aus, muß aber noch lernen, daß man weder sah reizvoll aus, muß aber noch lernen, daß man weder
Revolutionsstimmung noch erotische Atmosphäre durch aufdring¬ Revolutionsstimmung noch erotische Atmosphäre durch aufdring¬
liches Herumschlenkern von Armen und Beinen schaffen kann. liches Herumschlenkern von Armen und Beinen schaffen kann.
Den Abschluß des Abends bildetete Frank Wedekinds Den Abschluß des Abends bildetete Frank Wedekinds
„Kammersänger" mit Rudolf Forster als Kammersänger „Kammersänger" mit Rudolf Forster als Kammersänger
Selten hat man diese Paraderolle mit so feinem und diskretem Selten hat man diese Paraderolle mit so feinem und diskretem
Humor spielen sehen. Beifallsstürme riefen Forster immer wieder Humor spielen sehen. Beifallsstürme riefen Forster immer wieder
E. G. E. G.
vor den Vorhang. vor den Vorhang.