VII, Verschiedenes 12, Schnitzlers Tod, Seite 681

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Schnitzler s Death Schnitzler s Death
Berliner Lörsengeitung A Berliner Lörsengeitung A
19. NOV. 1931e 19. NOV. 1931e
vom: vom:
Barnowikys Schnitzler=Gedenkfeier. Barnowikys Schnitzler=Gedenkfeier.
„Professor Bernhardi“ „Professor Bernhardi“
im Deutschen Künstler=Theater. im Deutschen Künstler=Theater.
Den Bußtag benutzte Barnowsky gur Ehrung des da¬ Den Bußtag benutzte Barnowsky gur Ehrung des da¬
hingegangenen Dichters. Allerdings, eine zweifelhafte hingegangenen Dichters. Allerdings, eine zweifelhafte
Ehrung! Denn „Professor Bernhardi“, dieses schwächliche, Ehrung! Denn „Professor Bernhardi“, dieses schwächliche,
antiklerikalische Tendenzstück, in dem nur der Professoren¬ antiklerikalische Tendenzstück, in dem nur der Professoren¬
Konferenzakt seine Kraft gewahrt hat, liegt außerhalb von Konferenzakt seine Kraft gewahrt hat, liegt außerhalb von
Schnitzlers Sphäre. Es ist sicher: das Schauspiel ist ein Schnitzlers Sphäre. Es ist sicher: das Schauspiel ist ein
unschnitzlerischer Schnitzler. Er hat in diesem bitterernst unschnitzlerischer Schnitzler. Er hat in diesem bitterernst
gomeinten Drama mit der zugespitzten Leitartikelsprache gomeinten Drama mit der zugespitzten Leitartikelsprache
als Dichter versagt. Das Stück wird einige Jahrzehnte als Dichter versagt. Das Stück wird einige Jahrzehnte
kaum noch überdauern kaum noch überdauern
Aber Schnitzler, der Wiener Heimatskünstler, Schilderer Aber Schnitzler, der Wiener Heimatskünstler, Schilderer
eines müben, überzüchteten Geschlechts einer bestimmten eines müben, überzüchteten Geschlechts einer bestimmten
Epoche, ist als dichtender, seelenenthüllender Gestalter jener Epoche, ist als dichtender, seelenenthüllender Gestalter jener
gestorbenen Generation nicht wegzudenken. Sein Werl gestorbenen Generation nicht wegzudenken. Sein Werl
wird bestehen als literarhistorisches Dokument, wenn es wird bestehen als literarhistorisches Dokument, wenn es
auch eine Zeitlang von der Bildfläche verschwinden mag. auch eine Zeitlang von der Bildfläche verschwinden mag.
Man kann sagen, dies sei eines Schnitzler=Liebhabers An¬ Man kann sagen, dies sei eines Schnitzler=Liebhabers An¬
sichtssache. Doch die Ansicht ist begründet. Schnitzler wird sichtssache. Doch die Ansicht ist begründet. Schnitzler wird
bleiben! bleiben!
Also Schnitzlers tendenziöses, politisches Klevus=contra¬ Also Schnitzlers tendenziöses, politisches Klevus=contra¬
Arzi=Schauspiel mit seinen weitschweifigen Abhandlungen Arzi=Schauspiel mit seinen weitschweifigen Abhandlungen
und Diskussionen und aufgeplusterten Intrigen gehört und Diskussionen und aufgeplusterten Intrigen gehört
nicht zu jenen Dauerwerken wie die Anatol=Szenen, wie nicht zu jenen Dauerwerken wie die Anatol=Szenen, wie
„Liebelei“ und vieles andere. Darüber vermag auch der „Liebelei“ und vieles andere. Darüber vermag auch der
energische Beifall nicht hinwegzutäuschen, den das Stück am energische Beifall nicht hinwegzutäuschen, den das Stück am
Bußtag gefunden hat. — In der vorjährigen, doch aufge¬ Bußtag gefunden hat. — In der vorjährigen, doch aufge¬
frischten und gestraffter gehaltenen Inszenierung Bar frischten und gestraffter gehaltenen Inszenierung Bar
nowsky. nowsky.
Den großen Erfolg heimste nicht Schnitzler ein, son¬ Den großen Erfolg heimste nicht Schnitzler ein, son¬
dern wiederum Kortner, dessen unpathetischer, von dern wiederum Kortner, dessen unpathetischer, von
einem leichten, überlegenen Humor durchwärmter Bern¬ einem leichten, überlegenen Humor durchwärmter Bern¬
hardi schlechthin vollendet war. Er gibt ihn still — manch¬ hardi schlechthin vollendet war. Er gibt ihn still — manch¬
mal beinahe zu still —, ohne viel Aufhebens zu machen, mit mal beinahe zu still —, ohne viel Aufhebens zu machen, mit
lebhaften Gebärden, die zuweilen witzig unterstrichen sind. lebhaften Gebärden, die zuweilen witzig unterstrichen sind.
Nur das Wort sollte Kortner mehr zur Geltung bringen. Nur das Wort sollte Kortner mehr zur Geltung bringen.
Der Trieb nach Natürlichkeit führt ihn zur Undeutlichkeit. Der Trieb nach Natürlichkeit führt ihn zur Undeutlichkeit.
Die Aufführung, von Barnowsky zumeist im Die Aufführung, von Barnowsky zumeist im
leichten Unterhaltungston gehalten, ließ ein Dutzend leichten Unterhaltungston gehalten, ließ ein Dutzend
Medizinertypen auf der Bühne herumschwirren: Willy Medizinertypen auf der Bühne herumschwirren: Willy
Grill, in einer Mommsen=Maske; Heinz Salfner, Grill, in einer Mommsen=Maske; Heinz Salfner,
Harry Hardt, Emil Mamelok, Hermann Harry Hardt, Emil Mamelok, Hermann
Wlach, Rudolf Platte. Ausgezeichnet der Pfarrer Wlach, Rudolf Platte. Ausgezeichnet der Pfarrer
Ernst Stahl=Nachbaurs und Ernst Wurm¬ Ernst Stahl=Nachbaurs und Ernst Wurm¬
sers Verteidiger. sers Verteidiger.
Der Beifall — namentlich für Kortner und Barnowsky Der Beifall — namentlich für Kortner und Barnowsky
— brauste. Er brauste aber nicht nach der — auf Witz und — brauste. Er brauste aber nicht nach der — auf Witz und
Skepsis gegründeten, Schnitzler knapp und liebevoll um¬ Skepsis gegründeten, Schnitzler knapp und liebevoll um¬
reißenden reißenden
viertelstündigen Gedenkrede Dr. Egon viertelstündigen Gedenkrede Dr. Egon
die der Aufführung voranging. Der die der Aufführung voranging. Der
Puscen Puscen
Friedell, der eine recht gewaltsame Friedell, der eine recht gewaltsame
Parallele zwischen dem Märker Theodor Fontane und dem Parallele zwischen dem Märker Theodor Fontane und dem
Wiener Arthur Schnitzler zog, bezeichnete diesen, allzu tief¬ Wiener Arthur Schnitzler zog, bezeichnete diesen, allzu tief¬
schürfend, als einen „Entgötterer aus Humanität“. schürfend, als einen „Entgötterer aus Humanität“.
dulus Knont. dulus Knont.
box 44/1 box 44/1
OBSERVER OBSERVER
I. österr. behördl. konzessioniertes I. österr. behördl. konzessioniertes
Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte
WIEN, I., WOLLZEILE 11 WIEN, I., WOLLZEILE 11
TELEPHON R-23-0-43 TELEPHON R-23-0-43
dreuse: dreuse:
EUr2 ONOV.1931 EUr2 ONOV.1931
ate: ate:
Schnitzler-Feier bei Bårnowsky. Schnitzler-Feier bei Bårnowsky.
I Deutschey Künstler=Theater bot Viktor Parnowski ols I Deutschey Künstler=Theater bot Viktor Parnowski ols
Gedächtnisfeiern/ für Arthur Schnitzler eine Aufführung Gedächtnisfeiern/ für Arthur Schnitzler eine Aufführung
des „Professr Bezrnhardi“. Mit Fritz Kortner in der des „Professr Bezrnhardi“. Mit Fritz Kortner in der
Titelrolle, der nach längerer Pause zum ersten Male wieder die Titelrolle, der nach längerer Pause zum ersten Male wieder die
Bühne betrat und von seiner zahlreichen Anhängerschaft dem¬ Bühne betrat und von seiner zahlreichen Anhängerschaft dem¬
entsprechend gefeiert wurde, gelangte das Stück, obwohl es für entsprechend gefeiert wurde, gelangte das Stück, obwohl es für
eine weit zurückliegende Zeit geschrieben wurde und heute eine weit zurückliegende Zeit geschrieben wurde und heute
vielleicht gerade die umgekehrten Vorzeichen bekommen müßte, vielleicht gerade die umgekehrten Vorzeichen bekommen müßte,
wieder zu sehr starker Wirkung. Auch wer der Fabel dieses wieder zu sehr starker Wirkung. Auch wer der Fabel dieses
Wiener Zeitbildes, der Verfolgung des edlen jüdischen Arztes Wiener Zeitbildes, der Verfolgung des edlen jüdischen Arztes
durch klerikal=nationalistische Unduldsamkeit, und der recht par¬ durch klerikal=nationalistische Unduldsamkeit, und der recht par¬
teiischen Verteilung von Licht und Schatten skeptisch und zwei¬ teiischen Verteilung von Licht und Schatten skeptisch und zwei¬
felnd gegenübersteht, wird zum mindesten durch die im bestem felnd gegenübersteht, wird zum mindesten durch die im bestem
Sinne theatermäßige und spannende Dramatisierung dieses Kon¬ Sinne theatermäßige und spannende Dramatisierung dieses Kon¬
flikts gefesselt. Kortner zeigt sich hier wohl in einer seiner flikts gefesselt. Kortner zeigt sich hier wohl in einer seiner
besten Rollen, und der stürmische Erfolg für ihn und seine zum besten Rollen, und der stürmische Erfolg für ihn und seine zum
großen Teil ebenfalls vortrefflichen Mitspieler war wohlverdient. großen Teil ebenfalls vortrefflichen Mitspieler war wohlverdient.
Die einleitende Gedächtnisrede Dr. Egon Friede Die einleitende Gedächtnisrede Dr. Egon Friede
schäftigte sich zwar weniger mit dem toten Dichter selbst schäftigte sich zwar weniger mit dem toten Dichter selbst
seiner geistigen und räumlichen Umwelt. Aber sie entwarf, wie seiner geistigen und räumlichen Umwelt. Aber sie entwarf, wie
alle Darbietungen dieses klugen und überaus belesenen Kultur¬ alle Darbietungen dieses klugen und überaus belesenen Kultur¬
kritikers, ein klares und zugleich farbenfreudiges Bild jenes Wien, kritikers, ein klares und zugleich farbenfreudiges Bild jenes Wien,
der „europäisch=asiatischen Grenzstadt“, aus deren Barockkultur der „europäisch=asiatischen Grenzstadt“, aus deren Barockkultur
und müder Resignation Schnitzlers Persönlichkeit und Schaffen und müder Resignation Schnitzlers Persönlichkeit und Schaffen
erst verständlich wird. erst verständlich wird.
N. N.
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1931 1931
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Gedächtnisseier für Arthur Schnitzler. „Pro¬ Gedächtnisseier für Arthur Schnitzler. „Pro¬
fessor Pernardi", das in der Würdigung Alfred fessor Pernardi", das in der Würdigung Alfred
Ferrs als „das Zeitstück von bleibendem Wert“ be¬ Ferrs als „das Zeitstück von bleibendem Wert“ be¬
zeichnet wird, gehört zu den interessantesten und be¬ zeichnet wird, gehört zu den interessantesten und be¬
deutendsten Schöpfungen des Dichters. Das Werk ge¬ deutendsten Schöpfungen des Dichters. Das Werk ge¬
langt an unserer Bühne Montag, den 23., rot und langt an unserer Bühne Montag, den 23., rot und
Arbeiterkunststelle rot A, zum ersten Mal zur Auf¬ Arbeiterkunststelle rot A, zum ersten Mal zur Auf¬
führung. Die Titelrolle stellt Direktor Rudolf Zeisel führung. Die Titelrolle stellt Direktor Rudolf Zeisel
dar In den übrigen Hauptrollen ist das gesamte dar In den übrigen Hauptrollen ist das gesamte
Herrentersonal beschäftiot. Herrentersonal beschäftiot.