VII, Verschiedenes 12, Schnitzlers Tod, Seite 684

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Schnitzler's Death Schnitzler's Death
den Sätze der „Unvollendeten H-moll¬ den Sätze der „Unvollendeten H-moll¬
Synphonie“ von Franz Schubert. Es war Synphonie“ von Franz Schubert. Es war
ein künstlerisch erhebender, stimmungs¬ ein künstlerisch erhebender, stimmungs¬
reicher Vorklang. Worte Heinrich Manns, reicher Vorklang. Worte Heinrich Manns,
des Präsidenten der Literaturabteilung in des Präsidenten der Literaturabteilung in
der Akademie, schlossen sich an. Der der Akademie, schlossen sich an. Der
Redner feierte Arthur Schnitzler als Ge¬ Redner feierte Arthur Schnitzler als Ge¬
stalter von Liebe und Tod und begründete stalter von Liebe und Tod und begründete
mit diesem polaren Zusammenhang die mit diesem polaren Zusammenhang die
Einheit, des Schnitzlerschen Lebens¬ Einheit, des Schnitzlerschen Lebens¬
werkes, in welchem Gefühlsrausch, Angst werkes, in welchem Gefühlsrausch, Angst
und Bewußtheit eines nahen Endes Glück und Bewußtheit eines nahen Endes Glück
und Schmerz, Laune und Melancholie und Schmerz, Laune und Melancholie
durcheinanderfließen lassen. Heinrich durcheinanderfließen lassen. Heinrich
Mann wob auch persönliche Erinnerungen Mann wob auch persönliche Erinnerungen
ein. Der Eindruck seiner Gedenkrede ein. Der Eindruck seiner Gedenkrede
wurde dadurch sehr warm. wurde dadurch sehr warm.
Die Fehlingsche „Liebelei“-Inszenie Die Fehlingsche „Liebelei“-Inszenie
rung sahen wir bereits vor sechs Jahren. rung sahen wir bereits vor sechs Jahren.
Der knappe Zeitraum, der dem Spielleiter Der knappe Zeitraum, der dem Spielleiter
und der Darstellung zur Verfügung stand, und der Darstellung zur Verfügung stand,
hat wohl nicht ermöglicht, die Grundlage hat wohl nicht ermöglicht, die Grundlage
von einem Ueberfluß an Schwermut zu von einem Ueberfluß an Schwermut zu
entlasten. Sie geht zu direkt auf das entlasten. Sie geht zu direkt auf das
tragische Ziel aus und macht von den tragische Ziel aus und macht von den
Möglichkeiten, der düsteren Entwicklung Möglichkeiten, der düsteren Entwicklung
ein Quantum beweglichen Frohsinns, ein Quantum beweglichen Frohsinns,
wienerisene Leichtigkeit voranzustellen, wienerisene Leichtigkeit voranzustellen,
zu sparsamen Gebrauch. Die Darsteller zu sparsamen Gebrauch. Die Darsteller
der Hauptrollen, Lucie Mannheim als der Hauptrollen, Lucie Mannheim als
Christine und Richard Duschinsky als Christine und Richard Duschinsky als
Fritz Lobheimer, scheinen in ihr be¬ Fritz Lobheimer, scheinen in ihr be¬
dauernswertes Schicksal zu früh einge¬ dauernswertes Schicksal zu früh einge¬
weiht. Der Student ahnt zu deutlich den weiht. Der Student ahnt zu deutlich den
tödlichen Schuß seines Duellgegners. tödlichen Schuß seines Duellgegners.
Christine ihren Selbstmord. Das drückt Christine ihren Selbstmord. Das drückt
auf dem fidelen Beisammensein im ersten auf dem fidelen Beisammensein im ersten
Akt. Der Eintritt des fremden Herrn Akt. Der Eintritt des fremden Herrn
schneidet nicht eine Frohsinnswelle ab; schneidet nicht eine Frohsinnswelle ab;
Walter Franck spielt das Szenchen außer- Walter Franck spielt das Szenchen außer-
dem unscharf. Bei alledem ist die Mizi dem unscharf. Bei alledem ist die Mizi
Schlager der Maria Paudler genau das, Schlager der Maria Paudler genau das,
was Schnitzler bei der Gestaltung der was Schnitzler bei der Gestaltung der
leichsinnigen, für Uniformen schwärmen¬ leichsinnigen, für Uniformen schwärmen¬
den Modistin vorschwebte. Der erste Akt den Modistin vorschwebte. Der erste Akt
wäre von hier aus zu revidieren. Es käme wäre von hier aus zu revidieren. Es käme
auch dem Theodor des Dichtersohnes auch dem Theodor des Dichtersohnes
Heinrich Schnitzler zugute. Er bleibt mit Heinrich Schnitzler zugute. Er bleibt mit
box 44/1 box 44/1
abanunenang zwischen Sonnen¬ abanunenang zwischen Sonnen¬
seinen Humoranläufen bei soviel Schwer¬ seinen Humoranläufen bei soviel Schwer¬
mut Lobheimers isoliert. mut Lobheimers isoliert.
Die Hauptwirkung konzentriert sich Die Hauptwirkung konzentriert sich
auf dem Schlußakt, der von Lucie Mann- auf dem Schlußakt, der von Lucie Mann-
heim ungemein stark gespielt wird. Es heim ungemein stark gespielt wird. Es
grenzt ans Uebermaß, aber die Erschütte¬ grenzt ans Uebermaß, aber die Erschütte¬
rung ist da, läßt sich durch Bedenken rung ist da, läßt sich durch Bedenken
nicht wegdiskutieren. Für Vater Weiring, nicht wegdiskutieren. Für Vater Weiring,
den vor sechs Jahren Jacob Tiedtke sehr den vor sechs Jahren Jacob Tiedtke sehr
wirksam spielte, stellt Max Pohl seme wirksam spielte, stellt Max Pohl seme
vom Ater unerschütterte schauspieleri¬ vom Ater unerschütterte schauspieleri¬
sche Ueberlegenheit zur Verfügung. Die sche Ueberlegenheit zur Verfügung. Die
Episoden der Frau Binder belebt Mathilde Episoden der Frau Binder belebt Mathilde
Sussin. Sussin.
Dor Glaube an das Werk kam auch Dor Glaube an das Werk kam auch
diesmal zum Durchbruch. Emil Faktor. diesmal zum Durchbruch. Emil Faktor.
Schnitzler-Gedenkfeier auch im Burg¬ Schnitzler-Gedenkfeier auch im Burg¬
theater. Das Wiener Burgtheater gab zur Ge¬ theater. Das Wiener Burgtheater gab zur Ge¬
denkfeier für Arthur Schnitzler eine Auffüh¬ denkfeier für Arthur Schnitzler eine Auffüh¬
rung des Einakters „Die letzten Mas- rung des Einakters „Die letzten Mas-
ken“ mit den Schauspielern Auguste Pün¬ ken“ mit den Schauspielern Auguste Pün¬
kösdy, Ferdinand Onno, Hans Marr und Paul kösdy, Ferdinand Onno, Hans Marr und Paul
Hartmann. Aus der Geschlossenheit entfernte Hartmann. Aus der Geschlossenheit entfernte
sich bloß das verwienerte „Spiel ins Publikum“ sich bloß das verwienerte „Spiel ins Publikum“
des Herrn Heim. Nach dem Vortrag der Un¬ des Herrn Heim. Nach dem Vortrag der Un¬
vollendeten Schuberts durch die Philharmoni¬ vollendeten Schuberts durch die Philharmoni¬
ker durch Clemens Krauß sprach Raul Aslan ker durch Clemens Krauß sprach Raul Aslan
die Gedächtnisrede Oscar Maurus Fonta¬ die Gedächtnisrede Oscar Maurus Fonta¬
nas. Fontanas Rede, zart in der Form, nas. Fontanas Rede, zart in der Form,
tapfer in ihren Gedanken, ließ Schnitzlers, tapfer in ihren Gedanken, ließ Schnitzlers,
Bild aus seinem Geiste erstehen. Bild aus seinem Geiste erstehen.
Seltsamer Konflikt. In der Tribüne werden Seltsamer Konflikt. In der Tribüne werden
die Vorstellungen der „Jungen Liebe“ auf Ver- die Vorstellungen der „Jungen Liebe“ auf Ver-
anlassung von Professor Robert plötzlich ab¬ anlassung von Professor Robert plötzlich ab¬
gebrochen. Der Grund liegt in einem Konflikt gebrochen. Der Grund liegt in einem Konflikt
mit der Zentralstelle, die die Tantièmenrechte mit der Zentralstelle, die die Tantièmenrechte
der Autoren vertritt. Die Zentralstelle be¬ der Autoren vertritt. Die Zentralstelle be¬
streitet mit einem Male Dr. Robert das Recht, streitet mit einem Male Dr. Robert das Recht,
die „Junge Liebe“ aufzuführen, weil der Ver¬ die „Junge Liebe“ aufzuführen, weil der Ver¬
trag mit Dr. Klein geschlossen sei. Bekannt¬ trag mit Dr. Klein geschlossen sei. Bekannt¬
lich war damals im gegenseitigen Einverständ¬ lich war damals im gegenseitigen Einverständ¬
nis das von Dr. Klein bereits abgesetzte Stück nis das von Dr. Klein bereits abgesetzte Stück
„unge Liebe“ von Robert übernommen, wäh¬ „unge Liebe“ von Robert übernommen, wäh¬
rend Klein die „Waaterloobrücke“ ins Lessing¬ rend Klein die „Waaterloobrücke“ ins Lessing¬
theater nahm. Für beide Stücke sollen die theater nahm. Für beide Stücke sollen die
VER VER
OBSI OBSI
I. österr. behördl. konzessioniertes I. österr. behördl. konzessioniertes
Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte
Berliner Montagspost, Berlin Berliner Montagspost, Berlin

Zu Schnitzlers Zu Schnitzlers
Gedächtnis Gedächtnis
Feier im Staatstheaten Feier im Staatstheaten
Versammelt die Spitzen des geistigen Berlin. Versammelt die Spitzen des geistigen Berlin.
Der Blick dreht von Döblin und Fulda den Der Blick dreht von Döblin und Fulda den
ersten Rang entlang zu Redslob und Löbe. Dem ersten Rang entlang zu Redslob und Löbe. Dem
Gedächtnisabend, den die Generalintendanz ge¬ Gedächtnisabend, den die Generalintendanz ge¬
meinsam mit der Abteilung für Dichtung der meinsam mit der Abteilung für Dichtung der
Akademie der Künste veranstaltete, präludierte Akademie der Künste veranstaltete, präludierte
ernst und schmerzlich die „Unvollendete" Schu¬ ernst und schmerzlich die „Unvollendete" Schu¬
berts, gespielt von der Staatskapelle unter Zem¬ berts, gespielt von der Staatskapelle unter Zem¬
linsky. linsky.
Dann redete Heinrich Mann, ergriffen Dann redete Heinrich Mann, ergriffen
und zugleich beschwingt, darum ergreifend und und zugleich beschwingt, darum ergreifend und
beschwingend, wie es dem Gedenken an einen beschwingend, wie es dem Gedenken an einen
großen Dichter ansteht: Was Arthur Schnitzler großen Dichter ansteht: Was Arthur Schnitzler
zurückläßt, ist Liebe. Niemand hat die Kostbar¬ zurückläßt, ist Liebe. Niemand hat die Kostbar¬
keit und die Gebrechlichkeit unserer wahrhaft keit und die Gebrechlichkeit unserer wahrhaft
erlebten Stunden fühlbarer gemacht als er. erlebten Stunden fühlbarer gemacht als er.
Trotz allem aber, was die Seele beschweren Trotz allem aber, was die Seele beschweren
kann, blieb der reife Mann heiter und leicht. kann, blieb der reife Mann heiter und leicht.
Doch nichts ist so erschütternd wie das Altern Doch nichts ist so erschütternd wie das Altern
Schnitzlers. Die Uebergänge des Unglücks, oft Schnitzlers. Die Uebergänge des Unglücks, oft
von ihm dargestellt, jetzt trafen sie wörtlich ein. von ihm dargestellt, jetzt trafen sie wörtlich ein.
Zuletzt blieb er einsam in seinem Haus. Leer Zuletzt blieb er einsam in seinem Haus. Leer
und unwürdig schien ihm die ganze neue Wirk¬ und unwürdig schien ihm die ganze neue Wirk¬
lichkeit. Aber er hielt stand und kehrte zurück lichkeit. Aber er hielt stand und kehrte zurück
zu seiner Arbeit. Er nahm Abschied mit jener zu seiner Arbeit. Er nahm Abschied mit jener
unheimlichen „Flucht in die Finsternis". Dann unheimlichen „Flucht in die Finsternis". Dann
fiel er am Schreibtisch hin, als einer, der sein fiel er am Schreibtisch hin, als einer, der sein
Werk getan hatte. Werk getan hatte.
Mit der Aufführung der „Liebelei", des Mit der Aufführung der „Liebelei", des
volkstümlichsten Werkes des Dichters, schloß der volkstümlichsten Werkes des Dichters, schloß der
Abend. Unter Fehlings Leitung, im Plüsch¬ Abend. Unter Fehlings Leitung, im Plüsch¬
möbelstil und in altmodischen Kleidern gespielt möbelstil und in altmodischen Kleidern gespielt
von den Damen Mannheim, Paudlec und von den Damen Mannheim, Paudlec und
Sussin, den Herren Duschinsky, Franck, Schnitz¬ Sussin, den Herren Duschinsky, Franck, Schnitz¬
lers Sohn Heinrich und, mit besonders eindring¬ lers Sohn Heinrich und, mit besonders eindring¬
licher Wirkung, dem alten Max Pohl, war sie licher Wirkung, dem alten Max Pohl, war sie
wie eine schwermütig=süße Erinnerung an jenes wie eine schwermütig=süße Erinnerung an jenes
Wien, mit dem der junge Schnitzler so innig Wien, mit dem der junge Schnitzler so innig
AM. AM.
verwachsen war. verwachsen war.