12 12
Schnitzler s Death Schnitzler s Death
OBSERVER OBSERVER
I. österr. behördl. konzessioniertes I. österr. behördl. konzessioniertes
Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte
WIEN, I., WOLLZEILE 11 WIEN, I., WOLLZEILE 11
TELEPHON R-23-0-43 TELEPHON R-23-0-43
Ausschnitt aus Ausschnitt aus
Neus Freie Prosse, Wlen Neus Freie Prosse, Wlen
27 OKT. 137 27 OKT. 137
vom: vom:
(Im Griensteidl.) Wir sind damals alle miteinander (Im Griensteidl.) Wir sind damals alle miteinander
jünger gewesen. Noch ein paar Jahre und niemand wird mehr jünger gewesen. Noch ein paar Jahre und niemand wird mehr
genau wissen, was eigentlich der Griensteidl gewesen ist. Nur genau wissen, was eigentlich der Griensteidl gewesen ist. Nur
ganz dunkel wird sich dieser und jener dessen entsinnen, daß ein ganz dunkel wird sich dieser und jener dessen entsinnen, daß ein
berühmtes Kaffeehaus so und nicht anders hieß. Ecke Herrengasse, berühmtes Kaffeehaus so und nicht anders hieß. Ecke Herrengasse,
schräg vis-à-vis vom Bösendorfer und der Jesovic, der berühmten schräg vis-à-vis vom Bösendorfer und der Jesovic, der berühmten
Frühstück= und Jausenstube des alten Wien, die desgleichen Frühstück= und Jausenstube des alten Wien, die desgleichen
längst zu ihren Vätern versammelt worder ist. längst zu ihren Vätern versammelt worder ist.
den „Griensteidl" „Café Größenwahn" gescholten den „Griensteidl" „Café Größenwahn" gescholten
nd sich das Kaffeehaus menigsens ie Aitarar nd sich das Kaffeehaus menigsens ie Aitarar
ngs schon auf der abste ngs schon auf der abste
selbstgefülliger hera selbstgefülliger hera
hrhundertmen hrhundertmen
Wiener Literatur. Jung=Wien hörte Wiener Literatur. Jung=Wien hörte
de Hermann Bahrs, der dam wichtigsten Statamtl de Hermann Bahrs, der dam wichtigsten Statamtl
seiner Seite befand sich sein getreuer Eckermann. seiner Seite befand sich sein getreuer Eckermann.
Raler Ferry Bergton, einer, der das Wedekind¬ Raler Ferry Bergton, einer, der das Wedekind¬
der Stirn trug: mit allen Wassern der Stirn trug: mit allen Wassern
len Hunden gehetzt. Am Stammtisch Bahrs saß len Hunden gehetzt. Am Stammtisch Bahrs saß
den Ahur Schnitzler, dem die blonde Locke in die Schläfe den Ahur Schnitzler, dem die blonde Locke in die Schläfe
. während d Gche des Herrn und Meisters pechschwarz . während d Gche des Herrn und Meisters pechschwarz
zwar, Richard Veer=Hofmann, dessen Erstlingsnovelle „Das zwar, Richard Veer=Hofmann, dessen Erstlingsnovelle „Das
Kind" damals den Sensationserfolg des Tages bildete. Und Kind" damals den Sensationserfolg des Tages bildete. Und
Hofmannsthal, noch Obergymnasiast, der seine Dichtungen der Hofmannsthal, noch Obergymnasiast, der seine Dichtungen der
ulordnung des Gymnasiums zuliebe mit „Loris" unter¬ ulordnung des Gymnasiums zuliebe mit „Loris" unter¬
hnen mußte. Und Felix Salten, der eben die Kurriereleiter hnen mußte. Und Felix Salten, der eben die Kurriereleiter
federnden Peinen emporstieg. Und andere mehr. An diesem federnden Peinen emporstieg. Und andere mehr. An diesem
ch gab es keinen Neid und äeine Medisance. Höchstens, daß ch gab es keinen Neid und äeine Medisance. Höchstens, daß
in Arthur Schnitzlers ärztlicher Kunst gezweifelt wurde. Mit in Arthur Schnitzlers ärztlicher Kunst gezweifelt wurde. Mit
Unrecht übrigens, wie seither Maßgebende und Sachkundige Unrecht übrigens, wie seither Maßgebende und Sachkundige
bestätigt haben. Und Schnitzler wehrte solche nicht allzu ernst bestätigt haben. Und Schnitzler wehrte solche nicht allzu ernst
gemeinte Neckereien mit der ihn zeitlebens auszeichnenden gemeinte Neckereien mit der ihn zeitlebens auszeichnenden
leichten Würde ab und schrieb, ohne sich zu zieren, Rezepte leichten Würde ab und schrieb, ohne sich zu zieren, Rezepte
gegen Husten und Halsschmerzen, wenn wieder einmal eine gegen Husten und Halsschmerzen, wenn wieder einmal eine
Influenza — von Grippe sprach man damals noch nicht¬ Influenza — von Grippe sprach man damals noch nicht¬
auch unter den Insassen des Stammtisches ihre Opfer geholt auch unter den Insassen des Stammtisches ihre Opfer geholt
hatte. Gelegentlich kam Besuch vom benachbarten Burgtheatertisch. hatte. Gelegentlich kam Besuch vom benachbarten Burgtheatertisch.
Mitterwurzer war es, der in jenen Tagen den betrogenen Ehemann Mitterwurzer war es, der in jenen Tagen den betrogenen Ehemann
in Schnitzlers „Liebelei" geben sollte. Das Burgtheaterdebüt des in Schnitzlers „Liebelei" geben sollte. Das Burgtheaterdebüt des
fungen Dichlers! Man kann sich vorstellen, wie aufgeregt nicht fungen Dichlers! Man kann sich vorstellen, wie aufgeregt nicht
nur Archur, sondern auch seine Freunde waren. Die erste Lese¬ nur Archur, sondern auch seine Freunde waren. Die erste Lese¬
probe hatte stattgefunden. Da stürzte Schnitzler ins Griensteidl. probe hatte stattgefunden. Da stürzte Schnitzler ins Griensteidl.
Aber von seiner gewöhnlichen Gemessenheit — Monument seiner Aber von seiner gewöhnlichen Gemessenheit — Monument seiner
selbst im Salon, spotteten liebenswürdige Widersacher — war selbst im Salon, spotteten liebenswürdige Widersacher — war
keine Spur. Blutrot war er im Gesicht. So aufgeregt, daß er keine Spur. Blutrot war er im Gesicht. So aufgeregt, daß er
haum ein Wort hervorstoßen konnte. Beer=Hofmann dürfte es haum ein Wort hervorstoßen konnte. Beer=Hofmann dürfte es
gewesen sein, der ihn mit seinem schönen, liebenswürdigen gewesen sein, der ihn mit seinem schönen, liebenswürdigen
Gleichmut zu beruhigen trachtete. Was war geschehen? „Denken Gleichmut zu beruhigen trachtete. Was war geschehen? „Denken
Sie sich", erzählte Schnitzler, „Mitterwurzer spielt den betrogenen Sie sich", erzählte Schnitzler, „Mitterwurzer spielt den betrogenen
Ehemann mit einem dicken Schal um den Hals!“ Und mit Ehemann mit einem dicken Schal um den Hals!“ Und mit
Grabesstimme setzte der junge Dichter hinzu: „Mit einem Schal Grabesstimme setzte der junge Dichter hinzu: „Mit einem Schal
kann man nicht tragisch when! Das Stück ist verloren! kann man nicht tragisch when! Das Stück ist verloren!
Vergebens versuchte man Mitterwurzer umzustimmen. Der Vergebens versuchte man Mitterwurzer umzustimmen. Der
Künstler blieb eigensinnig. Bei der Burgtheaterpremiere trat Künstler blieb eigensinnig. Bei der Burgtheaterpremiere trat
er mit seinem roten Schal um den Hals in das Zimmer des er mit seinem roten Schal um den Hals in das Zimmer des
jungen Lobheimer. Aber als er drohend die Worte sprach: „Meine jungen Lobheimer. Aber als er drohend die Worte sprach: „Meine
Frau hat ihren Schleier bei Ihner vergessen!" — da ging Frau hat ihren Schleier bei Ihner vergessen!" — da ging
durch das Publikum eine Woge der krregung. Man schauderte durch das Publikum eine Woge der krregung. Man schauderte
zusammen, als ob das Schicksal selvst gesprochen hätte. Die zusammen, als ob das Schicksal selvst gesprochen hätte. Die
„Viebelei" wurde ein großer Burgtheatererfolg und am Stamm¬ „Viebelei" wurde ein großer Burgtheatererfolg und am Stamm¬
tisch bei Griensteidl feierte man den Dichter und seinen tisch bei Griensteidl feierte man den Dichter und seinen
Interprelen. Interprelen.
box 44/2 box 44/2
Schnitzler s Death Schnitzler s Death
OBSERVER OBSERVER
I. österr. behördl. konzessioniertes I. österr. behördl. konzessioniertes
Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte
WIEN, I., WOLLZEILE 11 WIEN, I., WOLLZEILE 11
TELEPHON R-23-0-43 TELEPHON R-23-0-43
Ausschnitt aus Ausschnitt aus
Neus Freie Prosse, Wlen Neus Freie Prosse, Wlen
27 OKT. 137 27 OKT. 137
vom: vom:
(Im Griensteidl.) Wir sind damals alle miteinander (Im Griensteidl.) Wir sind damals alle miteinander
jünger gewesen. Noch ein paar Jahre und niemand wird mehr jünger gewesen. Noch ein paar Jahre und niemand wird mehr
genau wissen, was eigentlich der Griensteidl gewesen ist. Nur genau wissen, was eigentlich der Griensteidl gewesen ist. Nur
ganz dunkel wird sich dieser und jener dessen entsinnen, daß ein ganz dunkel wird sich dieser und jener dessen entsinnen, daß ein
berühmtes Kaffeehaus so und nicht anders hieß. Ecke Herrengasse, berühmtes Kaffeehaus so und nicht anders hieß. Ecke Herrengasse,
schräg vis-à-vis vom Bösendorfer und der Jesovic, der berühmten schräg vis-à-vis vom Bösendorfer und der Jesovic, der berühmten
Frühstück= und Jausenstube des alten Wien, die desgleichen Frühstück= und Jausenstube des alten Wien, die desgleichen
längst zu ihren Vätern versammelt worder ist. längst zu ihren Vätern versammelt worder ist.
den „Griensteidl" „Café Größenwahn" gescholten den „Griensteidl" „Café Größenwahn" gescholten
nd sich das Kaffeehaus menigsens ie Aitarar nd sich das Kaffeehaus menigsens ie Aitarar
ngs schon auf der abste ngs schon auf der abste
selbstgefülliger hera selbstgefülliger hera
hrhundertmen hrhundertmen
Wiener Literatur. Jung=Wien hörte Wiener Literatur. Jung=Wien hörte
de Hermann Bahrs, der dam wichtigsten Statamtl de Hermann Bahrs, der dam wichtigsten Statamtl
seiner Seite befand sich sein getreuer Eckermann. seiner Seite befand sich sein getreuer Eckermann.
Raler Ferry Bergton, einer, der das Wedekind¬ Raler Ferry Bergton, einer, der das Wedekind¬
der Stirn trug: mit allen Wassern der Stirn trug: mit allen Wassern
len Hunden gehetzt. Am Stammtisch Bahrs saß len Hunden gehetzt. Am Stammtisch Bahrs saß
den Ahur Schnitzler, dem die blonde Locke in die Schläfe den Ahur Schnitzler, dem die blonde Locke in die Schläfe
. während d Gche des Herrn und Meisters pechschwarz . während d Gche des Herrn und Meisters pechschwarz
zwar, Richard Veer=Hofmann, dessen Erstlingsnovelle „Das zwar, Richard Veer=Hofmann, dessen Erstlingsnovelle „Das
Kind" damals den Sensationserfolg des Tages bildete. Und Kind" damals den Sensationserfolg des Tages bildete. Und
Hofmannsthal, noch Obergymnasiast, der seine Dichtungen der Hofmannsthal, noch Obergymnasiast, der seine Dichtungen der
ulordnung des Gymnasiums zuliebe mit „Loris" unter¬ ulordnung des Gymnasiums zuliebe mit „Loris" unter¬
hnen mußte. Und Felix Salten, der eben die Kurriereleiter hnen mußte. Und Felix Salten, der eben die Kurriereleiter
federnden Peinen emporstieg. Und andere mehr. An diesem federnden Peinen emporstieg. Und andere mehr. An diesem
ch gab es keinen Neid und äeine Medisance. Höchstens, daß ch gab es keinen Neid und äeine Medisance. Höchstens, daß
in Arthur Schnitzlers ärztlicher Kunst gezweifelt wurde. Mit in Arthur Schnitzlers ärztlicher Kunst gezweifelt wurde. Mit
Unrecht übrigens, wie seither Maßgebende und Sachkundige Unrecht übrigens, wie seither Maßgebende und Sachkundige
bestätigt haben. Und Schnitzler wehrte solche nicht allzu ernst bestätigt haben. Und Schnitzler wehrte solche nicht allzu ernst
gemeinte Neckereien mit der ihn zeitlebens auszeichnenden gemeinte Neckereien mit der ihn zeitlebens auszeichnenden
leichten Würde ab und schrieb, ohne sich zu zieren, Rezepte leichten Würde ab und schrieb, ohne sich zu zieren, Rezepte
gegen Husten und Halsschmerzen, wenn wieder einmal eine gegen Husten und Halsschmerzen, wenn wieder einmal eine
Influenza — von Grippe sprach man damals noch nicht¬ Influenza — von Grippe sprach man damals noch nicht¬
auch unter den Insassen des Stammtisches ihre Opfer geholt auch unter den Insassen des Stammtisches ihre Opfer geholt
hatte. Gelegentlich kam Besuch vom benachbarten Burgtheatertisch. hatte. Gelegentlich kam Besuch vom benachbarten Burgtheatertisch.
Mitterwurzer war es, der in jenen Tagen den betrogenen Ehemann Mitterwurzer war es, der in jenen Tagen den betrogenen Ehemann
in Schnitzlers „Liebelei" geben sollte. Das Burgtheaterdebüt des in Schnitzlers „Liebelei" geben sollte. Das Burgtheaterdebüt des
fungen Dichlers! Man kann sich vorstellen, wie aufgeregt nicht fungen Dichlers! Man kann sich vorstellen, wie aufgeregt nicht
nur Archur, sondern auch seine Freunde waren. Die erste Lese¬ nur Archur, sondern auch seine Freunde waren. Die erste Lese¬
probe hatte stattgefunden. Da stürzte Schnitzler ins Griensteidl. probe hatte stattgefunden. Da stürzte Schnitzler ins Griensteidl.
Aber von seiner gewöhnlichen Gemessenheit — Monument seiner Aber von seiner gewöhnlichen Gemessenheit — Monument seiner
selbst im Salon, spotteten liebenswürdige Widersacher — war selbst im Salon, spotteten liebenswürdige Widersacher — war
keine Spur. Blutrot war er im Gesicht. So aufgeregt, daß er keine Spur. Blutrot war er im Gesicht. So aufgeregt, daß er
haum ein Wort hervorstoßen konnte. Beer=Hofmann dürfte es haum ein Wort hervorstoßen konnte. Beer=Hofmann dürfte es
gewesen sein, der ihn mit seinem schönen, liebenswürdigen gewesen sein, der ihn mit seinem schönen, liebenswürdigen
Gleichmut zu beruhigen trachtete. Was war geschehen? „Denken Gleichmut zu beruhigen trachtete. Was war geschehen? „Denken
Sie sich", erzählte Schnitzler, „Mitterwurzer spielt den betrogenen Sie sich", erzählte Schnitzler, „Mitterwurzer spielt den betrogenen
Ehemann mit einem dicken Schal um den Hals!“ Und mit Ehemann mit einem dicken Schal um den Hals!“ Und mit
Grabesstimme setzte der junge Dichter hinzu: „Mit einem Schal Grabesstimme setzte der junge Dichter hinzu: „Mit einem Schal
kann man nicht tragisch when! Das Stück ist verloren! kann man nicht tragisch when! Das Stück ist verloren!
Vergebens versuchte man Mitterwurzer umzustimmen. Der Vergebens versuchte man Mitterwurzer umzustimmen. Der
Künstler blieb eigensinnig. Bei der Burgtheaterpremiere trat Künstler blieb eigensinnig. Bei der Burgtheaterpremiere trat
er mit seinem roten Schal um den Hals in das Zimmer des er mit seinem roten Schal um den Hals in das Zimmer des
jungen Lobheimer. Aber als er drohend die Worte sprach: „Meine jungen Lobheimer. Aber als er drohend die Worte sprach: „Meine
Frau hat ihren Schleier bei Ihner vergessen!" — da ging Frau hat ihren Schleier bei Ihner vergessen!" — da ging
durch das Publikum eine Woge der krregung. Man schauderte durch das Publikum eine Woge der krregung. Man schauderte
zusammen, als ob das Schicksal selvst gesprochen hätte. Die zusammen, als ob das Schicksal selvst gesprochen hätte. Die
„Viebelei" wurde ein großer Burgtheatererfolg und am Stamm¬ „Viebelei" wurde ein großer Burgtheatererfolg und am Stamm¬
tisch bei Griensteidl feierte man den Dichter und seinen tisch bei Griensteidl feierte man den Dichter und seinen
Interprelen. Interprelen.
box 44/2 box 44/2