VII, Verschiedenes 12, Schnitzlers Tod, Seite 750

Schnitzlers Death Schnitzlers Death
„OBSERVER „OBSERVER
1. österr. behördl. konzessioniertes 1. österr. behördl. konzessioniertes
Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte
WIEN, I., WOLLZEILE 11 WIEN, I., WOLLZEILE 11
TELEPHON R-23-0-43 TELEPHON R-23-0-43
Ausschnitt aus : Ausschnitt aus :
Aber . Aber .
vom: vom:
NI 195 NI 195
Die „Diterarische Vereinigung Winter¬ Die „Diterarische Vereinigung Winter¬
thur", eine der rührigsten und angesehensten in der Schweiz, thur", eine der rührigsten und angesehensten in der Schweiz,
verbindet mit ihrer Generalversammlung für dieses Jahr eine verbindet mit ihrer Generalversammlung für dieses Jahr eine
Schnitzler=Feier, Die Gedenkrede hält Paul Stefau. Schnitzler=Feier, Die Gedenkrede hält Paul Stefau.
12 12
box 44/3 box 44/3
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1. Osterr. behördl. konzessioniertes 1. Osterr. behördl. konzessioniertes
Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte
WIEN, I., WOLLZEILE 11 WIEN, I., WOLLZEILE 11
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Ausschnitt aus Ausschnitt aus
nene Frele Presse, Wles nene Frele Presse, Wles
vom: vom:
2 1. OKT. 1932 2 1. OKT. 1932
Arthur Schnitzler als Arthur Schnitzler als
Vorbild. Vorbild.
Zum ersten Todestage meines Freundese Zum ersten Todestage meines Freundese
Von Thomas Mann. Von Thomas Mann.
(Aus einem Gespräch.) (Aus einem Gespräch.)
Als ich vor einem halben Jahre anläßlich der Goethe¬ Als ich vor einem halben Jahre anläßlich der Goethe¬
Feier nach Wien ham, war es zum erstenmal, daß ich Wien Feier nach Wien ham, war es zum erstenmal, daß ich Wien
ohne Arthur Schnitzler sah. Nun scheint es mir ohne Arthur Schnitzler sah. Nun scheint es mir
wie ein ergreifendes Symbol, daß ich gerade an seinem wie ein ergreifendes Symbol, daß ich gerade an seinem
ersten Todestage — am 21. Oktober — wieder in Wien ersten Todestage — am 21. Oktober — wieder in Wien
bin. Es erneuert sich mir das Gefühl schmerzlichster Trauer bin. Es erneuert sich mir das Gefühl schmerzlichster Trauer
um meinen heimgegangenen Freund — so darf ich ja Arthur um meinen heimgegangenen Freund — so darf ich ja Arthur
Schnitzler wohl nennen — und mit erschütternder Eindring¬ Schnitzler wohl nennen — und mit erschütternder Eindring¬
lichkeit kommt es mir wieder zum Bewußtsein, welchen Ver¬ lichkeit kommt es mir wieder zum Bewußtsein, welchen Ver¬
lust die Welt durch seinen Tod erlitten hat. Oesterreich lust die Welt durch seinen Tod erlitten hat. Oesterreich
und Wien haben durch Arthur Schnitzlers und Wien haben durch Arthur Schnitzlers
Tod Unermeßliches eingebüßt. Ich darf zwar Tod Unermeßliches eingebüßt. Ich darf zwar
nicht daran denken, wieviel ich selbst durch diesen Tod ver¬ nicht daran denken, wieviel ich selbst durch diesen Tod ver¬
loren habe. loren habe.
Ich habe Arthur Schnitzler sehr gern — es klingt Ich habe Arthur Schnitzler sehr gern — es klingt
hoffentlich nicht überschwenglich, wenn ich sage: sehr lieb ¬ hoffentlich nicht überschwenglich, wenn ich sage: sehr lieb ¬
gehabt. Jedes Beisammensein mit ihm hatte etwas Be¬ gehabt. Jedes Beisammensein mit ihm hatte etwas Be¬
glückendes für mich. Seine Reife und Milde, seine glückendes für mich. Seine Reife und Milde, seine
Weishert und Güte machten ihn zu einem wunder¬ Weishert und Güte machten ihn zu einem wunder¬
vollen Menschen. Wenn ich mir den Begriff der Liebens¬ vollen Menschen. Wenn ich mir den Begriff der Liebens¬
würbigheit personifiziert dächte, so wäre Schnitzler seine würbigheit personifiziert dächte, so wäre Schnitzler seine
vollkommenste Verkörperung. vollkommenste Verkörperung.
Auch zu Arthur Schnitzlers Lebenswerk Auch zu Arthur Schnitzlers Lebenswerk
und seiner Problematik habe ich seit jeher eine ganz und seiner Problematik habe ich seit jeher eine ganz
besonders persönliche und intime seeltsche besonders persönliche und intime seeltsche
Beziehung, obwohl doch dieses Gesamtwerk spezifisch Beziehung, obwohl doch dieses Gesamtwerk spezifisch
österreichischer Art ist und ich ein Norddeutscher bin. Zwischen österreichischer Art ist und ich ein Norddeutscher bin. Zwischen
Schnitzler und mir, uns beiden Menschen von verschiedene Schnitzler und mir, uns beiden Menschen von verschiedene
Stammeszugehörigkeit, bestand immer die innigste brüder Stammeszugehörigkeit, bestand immer die innigste brüder
liche Sympathie. liche Sympathie.
Die Furcht, das Leben zu versäumen. Die Furcht, das Leben zu versäumen.
Tas Problem, das mich in jungen Jahren besonders Tas Problem, das mich in jungen Jahren besonders
lebhaft beschäftigt hat und auch in Schnitzlers Schaffen eine lebhaft beschäftigt hat und auch in Schnitzlers Schaffen eine
starke Rolle spielte, ist der Gegensatz zwischen starke Rolle spielte, ist der Gegensatz zwischen
Kunst und Leben. Nimmt man Schnitzlers Cinakter Kunst und Leben. Nimmt man Schnitzlers Cinakter
„Lebendige Stunden" und stellt meine Novelle „Lebendige Stunden" und stellt meine Novelle
„Tonio Kröger" daneben, die ich als etwa Dreißig¬ „Tonio Kröger" daneben, die ich als etwa Dreißig¬
jähriger geschrieben habe, so sieht man eine Verwandtschaft jähriger geschrieben habe, so sieht man eine Verwandtschaft
der Lebensstimmung und der Probleme. Sowohl in Schnitzlers der Lebensstimmung und der Probleme. Sowohl in Schnitzlers
wie in meinem Jugendwerk spürt man eine gewisse Schver¬ wie in meinem Jugendwerk spürt man eine gewisse Schver¬
mut des Künstlers, der das Gefühl hat, über dem mut des Künstlers, der das Gefühl hat, über dem
Schaffen das Leben zu versäumen. Diese Schaffen das Leben zu versäumen. Diese
Grundstimmung erfüllt die meisten Bücher Schnitzlers un Grundstimmung erfüllt die meisten Bücher Schnitzlers un
ist für ihn hennzeichnend. ist für ihn hennzeichnend.
Der Teufel, der die Dächer abdeckt. Der Teufel, der die Dächer abdeckt.
Ganz besonders liebe ich Arthur Schnitzlers Roman Ganz besonders liebe ich Arthur Schnitzlers Roman
„Therese". Dieses Meisterwerk sielle ich noch höher als „Therese". Dieses Meisterwerk sielle ich noch höher als
den „Weg ins Freie", der ja gleichfalls zu Schnitzlers edelsten den „Weg ins Freie", der ja gleichfalls zu Schnitzlers edelsten
Schöpfungen gehört. Von der Eintönigueit, die manche Be¬ Schöpfungen gehört. Von der Eintönigueit, die manche Be¬
urteiler an „Therese" tadeln, habe ich niemals etwas ent¬ urteiler an „Therese" tadeln, habe ich niemals etwas ent¬
dechen können. Das intensive Lebensgefühl der Trauer, das dechen können. Das intensive Lebensgefühl der Trauer, das
dieses Buch erfllt, hat mich immer wieder ganz ungeheuer dieses Buch erfllt, hat mich immer wieder ganz ungeheuer
ergriffen. Schnitzlers „Therese" hat etwas bezwingend ergriffen. Schnitzlers „Therese" hat etwas bezwingend