2. Schnitzler s Death 2. Schnitzler s Death
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Ausschnitt aus ie Sande Ausschnitt aus ie Sande
vom: vom:
Erinnerung an Erinnerung an
Arthur Schnitzler Arthur Schnitzler
Man müßte öfter an ihn erinnern, nicht Man müßte öfter an ihn erinnern, nicht
nur gerade heute, weil es an diesem Herbst¬ nur gerade heute, weil es an diesem Herbst¬
tag fünf Jahre sind, daß er hinübergegan¬ tag fünf Jahre sind, daß er hinübergegan¬
gen, den einsamen Weg, den er seine Men¬ gen, den einsamen Weg, den er seine Men¬
schen so oft gehen ließ, aus den Dämme¬ schen so oft gehen ließ, aus den Dämme¬
rungen des Lebens in das große Dunkel. rungen des Lebens in das große Dunkel.
Doch Sohnitzler ist dieser Zeit abhanden Doch Sohnitzler ist dieser Zeit abhanden
gekommen, er liegt außerhalb ihrer gekommen, er liegt außerhalb ihrer
Wünsche und Interessen, ihrer Forderungen Wünsche und Interessen, ihrer Forderungen
und Stürme, Arthur Schnitzler zählt zu den und Stürme, Arthur Schnitzler zählt zu den
liebwertesten Menschen von gestern. Seine liebwertesten Menschen von gestern. Seine
Menschen, wie er sie geliebt und geschrie¬ Menschen, wie er sie geliebt und geschrie¬
ben, sind grau geworden. Aus einer anderen ben, sind grau geworden. Aus einer anderen
Zeit kommen sie manchmal in diese heutige Zeit kommen sie manchmal in diese heutige
und sie gehen hier ein wenig fremd umher, und sie gehen hier ein wenig fremd umher,
mit großen und verwunderten Augen, mit großen und verwunderten Augen,
denn die Zeit ihrer Abendstunden, ihrer denn die Zeit ihrer Abendstunden, ihrer
zärtlichen Gespräche, ihrer Art, Frauen zu zärtlichen Gespräche, ihrer Art, Frauen zu
erkennen und zu rufen, ihres Eine-Liebe¬ erkennen und zu rufen, ihres Eine-Liebe¬
beginnen und sie beenden, sind vorbei. beginnen und sie beenden, sind vorbei.
Dahin. Verweht. Das waren Lieblings¬ Dahin. Verweht. Das waren Lieblings¬
worte Arthur Schnitzlers, der bis in seine worte Arthur Schnitzlers, der bis in seine
Vergangenheitsmenschen Vergangenheitsmenschen
letzten Jahre letzten Jahre
zeichnete, weil er keine anderen kannte zeichnete, weil er keine anderen kannte
und keine anderen kennen wollte. Er lebte und keine anderen kennen wollte. Er lebte
in der müden Sphäre eines glücklichen Vor¬ in der müden Sphäre eines glücklichen Vor¬
kriegs-Österreich, das sein dichterisches kriegs-Österreich, das sein dichterisches
Reich gewesen. Noch sieht man seinen Reich gewesen. Noch sieht man seinen
nachdenklich-feschen Leutnant Gustl auf nachdenklich-feschen Leutnant Gustl auf
der Praterbank sitzen, aus dem Volksgarten der Praterbank sitzen, aus dem Volksgarten
kommt die Christine und die Schlager Mizzi kommt die Christine und die Schlager Mizzi
spaziert durch die Winkelgassen der Josef¬ spaziert durch die Winkelgassen der Josef¬
stadt, um irgendwo bei einem netten Nacht¬ stadt, um irgendwo bei einem netten Nacht¬
mahl dabei zu sein. mahl dabei zu sein.
Wie woit ist das alles von der Sachlich Wie woit ist das alles von der Sachlich
keit und Schärfe des Radio und Flugzeng keit und Schärfe des Radio und Flugzeng
Heute, in dem dio Anatol-Empfindsamkeit, Heute, in dem dio Anatol-Empfindsamkeit,
Liebelei und Liebe von Schnitzlers Alge¬ Liebelei und Liebe von Schnitzlers Alge¬
sandten nach vergilbten Seidenbändern sandten nach vergilbten Seidenbändern
riechen. Die Beziehungen der Menschen riechen. Die Beziehungen der Menschen
haben sich verändert, Leidenschaft findet haben sich verändert, Leidenschaft findet
andere Deutungen, seit mohr getan und andere Deutungen, seit mohr getan und
weniger gedacht wird, der ganze Zärtlich¬ weniger gedacht wird, der ganze Zärtlich¬
keitsbetrieb der Schnitzler-Weit ist ins keitsbetrieb der Schnitzler-Weit ist ins
Wanken geraten, keine Komödio der Worte Wanken geraten, keine Komödio der Worte
mehr, kein Spiel der Sinne, kain» melan- mehr, kein Spiel der Sinne, kain» melan-
cholisch geflüsterten Sätze an strasenerken cholisch geflüsterten Sätze an strasenerken
im fallenden Schnee. Nur JJuruhe, Haß, im fallenden Schnee. Nur JJuruhe, Haß,
mörderischer Lebenskampf, Stimmungen und mörderischer Lebenskampf, Stimmungen und
Tatsachen, denen Schnitzlers Werk fern Tatsachen, denen Schnitzlers Werk fern
geblieben ist. geblieben ist.
Er ist der Dichter sanfter Deutungen in Er ist der Dichter sanfter Deutungen in
Menschenkreisen um Neunzehnhundert, er Menschenkreisen um Neunzehnhundert, er
hat eine Reihe unvergeßlicher österreichi¬ hat eine Reihe unvergeßlicher österreichi¬
scher Menschen gedichtet, kleine urd große, scher Menschen gedichtet, kleine urd große,
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Ausschnitt aus ie Sande Ausschnitt aus ie Sande
vom: vom:
Erinnerung an Erinnerung an
Arthur Schnitzler Arthur Schnitzler
Man müßte öfter an ihn erinnern, nicht Man müßte öfter an ihn erinnern, nicht
nur gerade heute, weil es an diesem Herbst¬ nur gerade heute, weil es an diesem Herbst¬
tag fünf Jahre sind, daß er hinübergegan¬ tag fünf Jahre sind, daß er hinübergegan¬
gen, den einsamen Weg, den er seine Men¬ gen, den einsamen Weg, den er seine Men¬
schen so oft gehen ließ, aus den Dämme¬ schen so oft gehen ließ, aus den Dämme¬
rungen des Lebens in das große Dunkel. rungen des Lebens in das große Dunkel.
Doch Sohnitzler ist dieser Zeit abhanden Doch Sohnitzler ist dieser Zeit abhanden
gekommen, er liegt außerhalb ihrer gekommen, er liegt außerhalb ihrer
Wünsche und Interessen, ihrer Forderungen Wünsche und Interessen, ihrer Forderungen
und Stürme, Arthur Schnitzler zählt zu den und Stürme, Arthur Schnitzler zählt zu den
liebwertesten Menschen von gestern. Seine liebwertesten Menschen von gestern. Seine
Menschen, wie er sie geliebt und geschrie¬ Menschen, wie er sie geliebt und geschrie¬
ben, sind grau geworden. Aus einer anderen ben, sind grau geworden. Aus einer anderen
Zeit kommen sie manchmal in diese heutige Zeit kommen sie manchmal in diese heutige
und sie gehen hier ein wenig fremd umher, und sie gehen hier ein wenig fremd umher,
mit großen und verwunderten Augen, mit großen und verwunderten Augen,
denn die Zeit ihrer Abendstunden, ihrer denn die Zeit ihrer Abendstunden, ihrer
zärtlichen Gespräche, ihrer Art, Frauen zu zärtlichen Gespräche, ihrer Art, Frauen zu
erkennen und zu rufen, ihres Eine-Liebe¬ erkennen und zu rufen, ihres Eine-Liebe¬
beginnen und sie beenden, sind vorbei. beginnen und sie beenden, sind vorbei.
Dahin. Verweht. Das waren Lieblings¬ Dahin. Verweht. Das waren Lieblings¬
worte Arthur Schnitzlers, der bis in seine worte Arthur Schnitzlers, der bis in seine
Vergangenheitsmenschen Vergangenheitsmenschen
letzten Jahre letzten Jahre
zeichnete, weil er keine anderen kannte zeichnete, weil er keine anderen kannte
und keine anderen kennen wollte. Er lebte und keine anderen kennen wollte. Er lebte
in der müden Sphäre eines glücklichen Vor¬ in der müden Sphäre eines glücklichen Vor¬
kriegs-Österreich, das sein dichterisches kriegs-Österreich, das sein dichterisches
Reich gewesen. Noch sieht man seinen Reich gewesen. Noch sieht man seinen
nachdenklich-feschen Leutnant Gustl auf nachdenklich-feschen Leutnant Gustl auf
der Praterbank sitzen, aus dem Volksgarten der Praterbank sitzen, aus dem Volksgarten
kommt die Christine und die Schlager Mizzi kommt die Christine und die Schlager Mizzi
spaziert durch die Winkelgassen der Josef¬ spaziert durch die Winkelgassen der Josef¬
stadt, um irgendwo bei einem netten Nacht¬ stadt, um irgendwo bei einem netten Nacht¬
mahl dabei zu sein. mahl dabei zu sein.
Wie woit ist das alles von der Sachlich Wie woit ist das alles von der Sachlich
keit und Schärfe des Radio und Flugzeng keit und Schärfe des Radio und Flugzeng
Heute, in dem dio Anatol-Empfindsamkeit, Heute, in dem dio Anatol-Empfindsamkeit,
Liebelei und Liebe von Schnitzlers Alge¬ Liebelei und Liebe von Schnitzlers Alge¬
sandten nach vergilbten Seidenbändern sandten nach vergilbten Seidenbändern
riechen. Die Beziehungen der Menschen riechen. Die Beziehungen der Menschen
haben sich verändert, Leidenschaft findet haben sich verändert, Leidenschaft findet
andere Deutungen, seit mohr getan und andere Deutungen, seit mohr getan und
weniger gedacht wird, der ganze Zärtlich¬ weniger gedacht wird, der ganze Zärtlich¬
keitsbetrieb der Schnitzler-Weit ist ins keitsbetrieb der Schnitzler-Weit ist ins
Wanken geraten, keine Komödio der Worte Wanken geraten, keine Komödio der Worte
mehr, kein Spiel der Sinne, kain» melan- mehr, kein Spiel der Sinne, kain» melan-
cholisch geflüsterten Sätze an strasenerken cholisch geflüsterten Sätze an strasenerken
im fallenden Schnee. Nur JJuruhe, Haß, im fallenden Schnee. Nur JJuruhe, Haß,
mörderischer Lebenskampf, Stimmungen und mörderischer Lebenskampf, Stimmungen und
Tatsachen, denen Schnitzlers Werk fern Tatsachen, denen Schnitzlers Werk fern
geblieben ist. geblieben ist.
Er ist der Dichter sanfter Deutungen in Er ist der Dichter sanfter Deutungen in
Menschenkreisen um Neunzehnhundert, er Menschenkreisen um Neunzehnhundert, er
hat eine Reihe unvergeßlicher österreichi¬ hat eine Reihe unvergeßlicher österreichi¬
scher Menschen gedichtet, kleine urd große, scher Menschen gedichtet, kleine urd große,