VII, Verschiedenes 12, Schnitzlers Tod, Seite 797

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12. Schnitzler s Death 12. Schnitzler s Death
DES DES
RVER RVER
I. österr. behördl. konzessioniertes I. österr. behördl. konzessioniertes
Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte
WIEN, I., WOLLZEILE 11 WIEN, I., WOLLZEILE 11
TELEPHON R-23-0-43 TELEPHON R-23-0-43
Ausschnitt aus: Ausschnitt aus:
usener Volksblat usener Volksblat
vom: vom:
ge 0KT. ge 0KT.
Theater und Kunst Theater und Kunst
ARTHUR SCHNIIZLER ARTHUR SCHNIIZLER

Ihm, dem Cenialen, der so vieles schuf, eignete Ihm, dem Cenialen, der so vieles schuf, eignete
auch eine philosophisch geniale Bescheidenheit, wie auch eine philosophisch geniale Bescheidenheit, wie
es auch seine letztwillige Verfûgung dartut. Diese es auch seine letztwillige Verfûgung dartut. Diese
bestimmt: Ein Begrâbnis lettter Klasse; keine bestimmt: Ein Begrâbnis lettter Klasse; keine
Kränze; keine Parte, auch in der Zeitung nicht; Kränze; keine Parte, auch in der Zeitung nicht;
keine Trauer tragen nach seinem Tode; keine keine Trauer tragen nach seinem Tode; keine
Reden. Reden.
Demnach wäre es eine Mißachtung seines letz- Demnach wäre es eine Mißachtung seines letz-
ten Willens, Nachrufe zu schreiben. ten Willens, Nachrufe zu schreiben.
Ja. Artur Schnitzler, die wahre Trauer schweigt Ja. Artur Schnitzler, die wahre Trauer schweigt
Deine Großtaten leben ewig fort. Deine Großtaten leben ewig fort.
datart dendeal. Kontnnlnleres datart dendeal. Kontnnlnleres
Unternehmen für Zeitungs-Ausschuitte Unternehmen für Zeitungs-Ausschuitte
WIEN, I., WOLLZEILE 11 WIEN, I., WOLLZEILE 11
TELEPHON R-23-0-43 TELEPHON R-23-0-43
Ausschnitt aus: Ausschnitt aus:
VORARLBERGERTAGBLATT VORARLBERGERTAGBLATT
vom: vom:
27.0KT. 1937 27.0KT. 1937
Die jüdische Presse Die jüdische Presse
zum Tode Arthur Schnitzlers. zum Tode Arthur Schnitzlers.
In Wien ist der jüdische Schriftsteller Arthur Schnitz¬ In Wien ist der jüdische Schriftsteller Arthur Schnitz¬
ler gestorben. Man soll von den Toten nur Gutes sagen. ler gestorben. Man soll von den Toten nur Gutes sagen.
Da es von den Büchern dieses jüdischen Literaten nicht Da es von den Büchern dieses jüdischen Literaten nicht
viel Gutes zu sagen gibt, wäre es am besten, über ihn viel Gutes zu sagen gibt, wäre es am besten, über ihn
und seine Werke zu schweigen. Aber die Judenblätter und seine Werke zu schweigen. Aber die Judenblätter
wollen aus Schnitzler unbedingt einen großen Dichter wollen aus Schnitzler unbedingt einen großen Dichter
nicht nur Oesterreichs und Deutschlands, sondern der nicht nur Oesterreichs und Deutschlands, sondern der
Menschheit machen. Wenn man das Geschmuse der Menschheit machen. Wenn man das Geschmuse der
„Neuen Freien Presse" liest, könnte man meinen, daß die „Neuen Freien Presse" liest, könnte man meinen, daß die
deutsche Dichtung seit dem Tode Goethes keinen so schwe¬ deutsche Dichtung seit dem Tode Goethes keinen so schwe¬
ren Verlust mehr erlitten habe als am Mittwoch, dem 21. ren Verlust mehr erlitten habe als am Mittwoch, dem 21.
Oktober 1931 durch das Ableben Arthur Schnitzlers. Da Oktober 1931 durch das Ableben Arthur Schnitzlers. Da
heißt es, er sei als Dichter die Inkarnation eines Zeit¬ heißt es, er sei als Dichter die Inkarnation eines Zeit¬
alters, der gültige Repräsentant einer Epoche gewesen. alters, der gültige Repräsentant einer Epoche gewesen.
Ein großes Zeitalter Wiens sei mit Schnitzler ins Grab Ein großes Zeitalter Wiens sei mit Schnitzler ins Grab
gesunken, um in seinem unsterblichen Werke weiter zu gesunken, um in seinem unsterblichen Werke weiter zu
leben. Ein ganzes und unvergängliches Oesterreich stehe leben. Ein ganzes und unvergängliches Oesterreich stehe
unvergänglich in seinem Werke. — So geht das seitenlang unvergänglich in seinem Werke. — So geht das seitenlang
Tag für Tag weiter. Tag für Tag weiter.
Da ist vor allem an ein Wort des Schwaben Jo¬ Da ist vor allem an ein Wort des Schwaben Jo¬
hannes Scherr zu erinnern: „Ein National=Jude und ein hannes Scherr zu erinnern: „Ein National=Jude und ein
National=Deutscher zu sein, nämlich in Wahrheit und mit National=Deutscher zu sein, nämlich in Wahrheit und mit
Ueberzeugung, das ist ein Ding der Unmöglichkeit." Ueberzeugung, das ist ein Ding der Unmöglichkeit."
Schnitzler hat sich als Jude gefühlt und mit Recht hat ihm Schnitzler hat sich als Jude gefühlt und mit Recht hat ihm
die Israelitische Kultusgemeinde in Wien ein Ehrengrab die Israelitische Kultusgemeinde in Wien ein Ehrengrab
gewidmet. Das deutsche Volk aber hat keinen Grund, in gewidmet. Das deutsche Volk aber hat keinen Grund, in
Schnitzler einen großen deutschen Dichter zu sehen, auch Schnitzler einen großen deutschen Dichter zu sehen, auch
wenn die Judenblätter und diejenigen, die ins gleiche wenn die Judenblätter und diejenigen, die ins gleiche
Horn blasen, es noch so laut und zäh verkünden. Schon Horn blasen, es noch so laut und zäh verkünden. Schon
vor mehr als 50 Jahren hat Heinrich Treitschke auf die vor mehr als 50 Jahren hat Heinrich Treitschke auf die
betriebsame Schar der semitischen Talente dritten Grades betriebsame Schar der semitischen Talente dritten Grades
hingewiesen, die nach dem erprobten Geschäftsgrundsatze hingewiesen, die nach dem erprobten Geschäftsgrundsatze
der auf Gegenseitigkeit begründeten Unsterblichkeits=Ver¬ der auf Gegenseitigkeit begründeten Unsterblichkeits=Ver¬
sicherungsanstalt sich gegenseitig verhimmeln, also daß sicherungsanstalt sich gegenseitig verhimmeln, also daß
jeder jüdische Dichterling jenen Eintagsruhm erhalte, den jeder jüdische Dichterling jenen Eintagsruhm erhalte, den
gewisse Zeitungen spenden. gewisse Zeitungen spenden.
Wenn die jüdischen Zeitungen noch so viel über die Wenn die jüdischen Zeitungen noch so viel über die
Unsterblichkeit ihres „großen" Schnitzler schreiben, so wird Unsterblichkeit ihres „großen" Schnitzler schreiben, so wird
das die Tatsache, daß seine Zeit ols Dichter heute schon das die Tatsache, daß seine Zeit ols Dichter heute schon
abgelaufen ist, nicht aus der Welt schaffen. Wir haben abgelaufen ist, nicht aus der Welt schaffen. Wir haben
wirklich andere Sorgen als die müden Erotiker in Schnitz¬ wirklich andere Sorgen als die müden Erotiker in Schnitz¬
lers Dramen und Erzählungen. Schnitzler hat testamen¬ lers Dramen und Erzählungen. Schnitzler hat testamen¬
tarisch bestimmt, daß seine Tagebücher und seine Selbst¬ tarisch bestimmt, daß seine Tagebücher und seine Selbst¬
biographie in dreißig und teilweise erst in vierzig Jahren biographie in dreißig und teilweise erst in vierzig Jahren
veröffentlicht werden dürfen. Nach einem Menschenalter veröffentlicht werden dürfen. Nach einem Menschenalter
aber wird der Name Schnitzler genau so gründlich ver¬ aber wird der Name Schnitzler genau so gründlich ver¬
gessen sein wie seine Theaterstücke und Novellen. Mit gessen sein wie seine Theaterstücke und Novellen. Mit
dem Ewigkeitsruhm dieser Werke ist es nichts, wenn die dem Ewigkeitsruhm dieser Werke ist es nichts, wenn die
üdische Presse sich noch so bemüht, ihren Lesern einzu üdische Presse sich noch so bemüht, ihren Lesern einzu
hämmern, daß nicht nur das österreichische Schrifttum, hämmern, daß nicht nur das österreichische Schrifttum,
sondern das der ganzen Welt durch Schnitzlers Tod einen sondern das der ganzen Welt durch Schnitzlers Tod einen
unersetzlichen Verlust erlitten habe. Weder der „Reigen" unersetzlichen Verlust erlitten habe. Weder der „Reigen"
noch die „Liebelei", noch irgendein anderes Werk Schnitz¬ noch die „Liebelei", noch irgendein anderes Werk Schnitz¬
lers wird in künftigen Zeiten wieder aufleuchten. Mit lers wird in künftigen Zeiten wieder aufleuchten. Mit
Unsterblichkeit haben diese Bücher des jüdischen Literaten Unsterblichkeit haben diese Bücher des jüdischen Literaten
eines erledigten Zeitalters wahrlich nichts zu tun. Und eines erledigten Zeitalters wahrlich nichts zu tun. Und
das ist nur ein Glück zu nennen — für die deutschen Leser das ist nur ein Glück zu nennen — für die deutschen Leser
sowohl als auch für den Mann, der sie geschrieben hat. sowohl als auch für den Mann, der sie geschrieben hat.
Uebrigens hat die Judenpresse schon wieder einige „große Uebrigens hat die Judenpresse schon wieder einige „große
Dichter" auf Lager, unter denen die arischen Leser aus¬ Dichter" auf Lager, unter denen die arischen Leser aus¬
suchen dürfen, welcher „der größte" ist. Schnitzler ist tot: suchen dürfen, welcher „der größte" ist. Schnitzler ist tot:
es lebe Jakob Wassermann. Er lebe Franz Werfel! Oder es lebe Jakob Wassermann. Er lebe Franz Werfel! Oder
Dr. H. N. Dr. H. N.
ist gar Schalom Asch der größte? ist gar Schalom Asch der größte?