VII, Verschiedenes 12, Schnitzlers Tod, Seite 811

12. Schnitzler's Death 12. Schnitzler's Death
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terr. behördl. konzessioniertes terr. behördl. konzessioniertes
Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte
WIEN, I., WOLLZEILE 11 WIEN, I., WOLLZEILE 11
TELEPHON R-23-0-43 TELEPHON R-23-0-43
Ausschnitt aus: a Wien Ausschnitt aus: a Wien
Fo76.. Fo76..
vom: vom:
Arthur Schnitzlers Tod Arthur Schnitzlers Tod
und die Wiener und die Wiener
Ein Nekrölog der diversen Nekro¬ Ein Nekrölog der diversen Nekro¬
loge loge
Es ist gewißt. Arthur Schnitz Es ist gewißt. Arthur Schnitz
ler war ein Mensch und Dichter, de ler war ein Mensch und Dichter, de
die Wienerstadt mit ihren Menschen die Wienerstadt mit ihren Menschen
und Leuten so empfand, wie sie und Leuten so empfand, wie sie
empfunden werden soll. empfunden werden soll.
Arthur Schnitzler war der große Arthur Schnitzler war der große
wienerische Psychologe. wienerische Psychologe.
Wer diesen Begriff ganz und gar er¬ Wer diesen Begriff ganz und gar er¬
faßtt, wird empfinden, was wir an faßtt, wird empfinden, was wir an
Arthur Schnitzler verloren haben. Arthur Schnitzler verloren haben.
Wenn nun der heimgegangene Wenn nun der heimgegangene
Wiener Dichter in einigen Nekrologen Wiener Dichter in einigen Nekrologen
als charmanter Plauderer, als ver¬ als charmanter Plauderer, als ver¬
träumte Dichterseele geschildet wird. träumte Dichterseele geschildet wird.
so beweist das nur, wie uneinig man so beweist das nur, wie uneinig man
sich im heutigen Wien bezüglich der sich im heutigen Wien bezüglich der
Kraft und Macht des Wienertums ist. Kraft und Macht des Wienertums ist.
Das aus einem Dutzend politischen Das aus einem Dutzend politischen
Gegensätzen zusammengesetzte heu- Gegensätzen zusammengesetzte heu-
tige Wien bringt bestenfalls noch die tige Wien bringt bestenfalls noch die
wienerische Geste eines liebens wienerische Geste eines liebens
würdigen Nachrufes auf. Das Wesen würdigen Nachrufes auf. Das Wesen
eines Dichters aber, wie es Schnitzler eines Dichters aber, wie es Schnitzler
war, kann und will es nicht mehr war, kann und will es nicht mehr
erfassen. erfassen.
Einer der wenigen Kulturjourna¬ Einer der wenigen Kulturjourna¬
listen Wiens, Hans Liebstoeckl, der als listen Wiens, Hans Liebstoeckl, der als
genialer Erfasser wienerischer Zeit¬ genialer Erfasser wienerischer Zeit¬
verhältnisse seine Kritiken mit Sar¬ verhältnisse seine Kritiken mit Sar¬
kasmus würzt, konnte scheiubar nidht kasmus würzt, konnte scheiubar nidht
umhin, in seinem Schnitzler-Nekrolog umhin, in seinem Schnitzler-Nekrolog
zu schreiben: zu schreiben:
Schnitzlers Name ist aus der Ge¬ Schnitzlers Name ist aus der Ge¬
schichte der Wiener Literatur nicht schichte der Wiener Literatur nicht
auszulöschen. Schnitzler galt lange auszulöschen. Schnitzler galt lange
box 44/4 box 44/4
Zeit als beglaubigter Repräsentant Zeit als beglaubigter Repräsentant
jenes überfeinerten Wiens, das heute jenes überfeinerten Wiens, das heute
nchtmehr existiert. Er war ein nchtmehr existiert. Er war ein
Psychologe entschwundener Seelen- Psychologe entschwundener Seelen-
vorgänge. Das Wien, das sich in seinen vorgänge. Das Wien, das sich in seinen
Dichtungen spiegelt, ist nicht mehr da. Dichtungen spiegelt, ist nicht mehr da.
Zwischen diesen Zeilen liest man Zwischen diesen Zeilen liest man
die verhaltene wienerische Elegie die verhaltene wienerische Elegie
eines Kunstkritikers, der diese Zeit eines Kunstkritikers, der diese Zeit
des überfeinerten Wienertums herz des überfeinerten Wienertums herz
haft mitgemacht hat. haft mitgemacht hat.
Aber Hans Liebstoeckl irrt. wenn Aber Hans Liebstoeckl irrt. wenn
er glaubt. daß dieses Wien nicht mehr er glaubt. daß dieses Wien nicht mehr
existiert. Es ist noch da, aber es darf existiert. Es ist noch da, aber es darf
sich nicht mehr entwickeln. Wir sich nicht mehr entwickeln. Wir
haben andere Sorgen, als wienerische haben andere Sorgen, als wienerische
Seelenkultur zu betreiben. Als höchste Seelenkultur zu betreiben. Als höchste
idealistische Tätigkeit wertet man ja idealistische Tätigkeit wertet man ja
heute das Schüren des Hlasses von heute das Schüren des Hlasses von
einem Wiener zum andern, und mit einem Wiener zum andern, und mit
Hohn wird der überschüttet, der es Hohn wird der überschüttet, der es
heute naiven Herzens unternimmt. heute naiven Herzens unternimmt.
von jenem Feinwienertum zu sprechen. von jenem Feinwienertum zu sprechen.
das man bei Artur Schnitzler so sehr das man bei Artur Schnitzler so sehr
liebte. liebte.
Das gesamte Wien trauert viel¬ Das gesamte Wien trauert viel¬
leicht ehrlich um Arthur Schnitzler- leicht ehrlich um Arthur Schnitzler-
im Detail sozusagen ist das ganz im Detail sozusagen ist das ganz
anders. anders.
Aber die, die da wirklich trauern. Aber die, die da wirklich trauern.
trauern nicht um den Dichter allein. trauern nicht um den Dichter allein.
sie trauern insgeheim und instinktiv sie trauern insgeheim und instinktiv
um jenes Wien. dessen vornehmster um jenes Wien. dessen vornehmster
und innigster dichterischer Repräsen- und innigster dichterischer Repräsen-
tant Artur Schnitzler war. tant Artur Schnitzler war.
Hans Liebstoeckl nennt dieses Wien Hans Liebstoeckl nennt dieses Wien
das überfeinerte Wien, aber das überfeinerte Wien, aber
dieses Wien war unstreitig das dieses Wien war unstreitig das
wahre Wien, während dicses viel- wahre Wien, während dicses viel-
fach „unterfeinerte“ beutige Wien un¬ fach „unterfeinerte“ beutige Wien un¬
wahr ist. wahr ist.
Es gibt auch heute noch eine Es gibt auch heute noch eine
schwere Menge überfeinerter schwere Menge überfeinerter
Wiener und sie bilden das Herz Wiener und sie bilden das Herz
Wiens. Noch leben ja Menschen, die Wiens. Noch leben ja Menschen, die
die Mitte und das Ende des vorigen die Mitte und das Ende des vorigen
Jahrhunderts mitgemacht haben, die Jahrhunderts mitgemacht haben, die
auch die Zeit miterlebt haben, da auch die Zeit miterlebt haben, da
man vom herrlichen Allgemeinbegriff man vom herrlichen Allgemeinbegriff
Wienertum abzurücken begann und Wienertum abzurücken begann und
sich in der parteipolitischen Ver¬ sich in der parteipolitischen Ver¬
bimpferei verlor. bimpferei verlor.
Man hat es mitgemacht, wie Arthur Man hat es mitgemacht, wie Arthur
Schnitzler angefeindet wurde, Schnitzler angefeindet wurde,
nur weil er ein Jude war. Man hat nur weil er ein Jude war. Man hat
es noch in Erinnerung, wie dieser es noch in Erinnerung, wie dieser
seelenvolle, echt österreichische Dich¬ seelenvolle, echt österreichische Dich¬
ter Gegenstand einer Reichstagsinter¬ ter Gegenstand einer Reichstagsinter¬
pellation wurde, wie man des in pellation wurde, wie man des in
seinem „Professor Bernhardi“ behan¬ seinem „Professor Bernhardi“ behan¬
zur zur
delte Menschlichkeitsproblem delte Menschlichkeitsproblem
banalsten, unwienerischesten Hetze banalsten, unwienerischesten Hetze
gegen den Dichter benützte. gegen den Dichter benützte.
Nun, da er gestorben ist, schreibt Nun, da er gestorben ist, schreibt
ein Blatt: ein Blatt:
Kein Zweifel: Er war die wieneri- Kein Zweifel: Er war die wieneri-
scheste Stimme, die je auf dem deut- scheste Stimme, die je auf dem deut-
schen Thenter gehört wurde, weit wie- schen Thenter gehört wurde, weit wie-
nerischer, als der dramatisch kräftigere. nerischer, als der dramatisch kräftigere.
aber an den groben Konturen des aber an den groben Konturen des
Wienertums haftende Anzengruber. Er Wienertums haftende Anzengruber. Er
hat den zartesten Zauber der Wiener hat den zartesten Zauber der Wiener
Landschaft gestaltet urd als mitschwin- Landschaft gestaltet urd als mitschwin-
gendes Element in seine Bühnendich- gendes Element in seine Bühnendich-
tungen eingefügt. In vielen seiner tungen eingefügt. In vielen seiner
Szenen weht sanfte Melancholie, der Szenen weht sanfte Melancholie, der
vertrüumte Hauch von orgänglichkeit. vertrüumte Hauch von orgänglichkeit.
der eben jetzt, zur Zeit der fallenden der eben jetzt, zur Zeit der fallenden
Blütter, auf den Wegen am Rande der Blütter, auf den Wegen am Rande der
Stadt den nachdenklichen Wanderer Stadt den nachdenklichen Wanderer
empfängt. Wunderschön ist es dann empfängt. Wunderschön ist es dann
Menschen, diese Menschen, diese
immer, wie die immer, wie die
Schnitzlerschen Menschen, diesem Stim- Schnitzlerschen Menschen, diesem Stim-
mungszauber hingegeben sind, sich ihm mungszauber hingegeben sind, sich ihm

die es geschaffen die es geschaffen
und Hader in ihre und Hader in ihre
rücklassen — das rücklassen — das
lohnung für die T. lohnung für die T.
in ihren Redenu in ihren Redenu
passen. Solche passen. Solche
wienerischer Stimi wienerischer Stimi
vielen Theaterabe vielen Theaterabe
Erlebnis. Und da Erlebnis. Und da
der nun, in der der nun, in der
fallenden Blätter, fallenden Blätter,
Entweder gibte Entweder gibte
Wienertum, das Wienertum, das
großtartigen oder großtartigen oder
dogmen halten ka dogmen halten ka
Eine wienerische Eine wienerische
nur anläßlich eini nur anläßlich eini
wickeln darf, ist wickeln darf, ist
Im einstiger Im einstiger
das Schnitzler sch das Schnitzler sch
nerische Nob nerische Nob
den Sic davon. den Sic davon.
Wiener Art gestüt Wiener Art gestüt
vorhandenen Wier vorhandenen Wier
die sich mit gei die sich mit gei
kämpfte und nich kämpfte und nich
Diese Hochgei Diese Hochgei
heute noch zahlr heute noch zahlr
denn die Wes denn die Wes
stirbt nicht inner stirbt nicht inner
tion aus — hat tion aus — hat
sehr verkrochen, sehr verkrochen,
wie Schnitzler wie Schnitzler
zurufen vermocht zurufen vermocht
Der überfeinen Der überfeinen
heute leider au heute leider au
Schlagworte, die Schlagworte, die
gedacht sind, die gedacht sind, die
sind, aber für d sind, aber für d
so echt, so wahr, so echt, so wahr,
können wie die können wie die
Arthur Schnitzler Arthur Schnitzler
Wienertums so ge Wienertums so ge
der zuerst ein der zuerst ein