VII, Verschiedenes 13, 1932–1933, Seite 15

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Oesterreichischer Kunstbrief
Im Wiener Burgtheater gestalten sich Rückblick und Aus¬
blick nicht allzu ergiebig. Als großer und dauernder Erfolg der
vergangenen Spielzeit können nur Hofmannsthals „Salzburger
Welttheater“ gebucht werden und dann noch die klassischen Auf¬
führungen des Goethejahres. Was daneben herlief unter der
Autorenschaft eines Ferdinand Bruckner oder Arthur Rundt oder
Arthur Schnitzler erwies sich als wenig lebensbeständig. Und
der Blick in die Zukunft: Da sind als erste Neueinstudierung
„Die Jungfrau von Orleans" und als erste Uraufführung
„Schuster Hitt“ von Hermann Heinz Ortner geplant. Im übri¬
gen werden folgende Werke während der kommenden Spielzeit
im Burgtheater und Akademietheater zur Uraufführung ge¬
langen: „Arien" von Lenormand, „Feinde der Liebe von R.
Golding Bright, „Die Habsburger-Legende“ von Schreppagel,
„Professor Unrath von Ebermayer, „Verstehen wir uns von
Preradovic, „Harmonie" von Molnar, „Gastein" von Hirschfeld,
„Domino von Achard, „Die Mädchenjahre einer Königin von
Sil Vara. Als Sommergastspiel traten mit viel Erfolg im
Burgtheater die „Vier Nachrichten“ mit ihrer Satire „Hier irrt
Goethe auf.
Die Eröffnungspläne der Wiener Privattheater liegen
noch im Dunkeln. Einige Beunruhigung schafft der Plan öster¬
reichischer Bühnenkünstlerorganisationen, sich für die scharfen,
auch gegen Oesterreicher kehrenden Bestimmungen der deutschen
Filmgesetzgebung zu revanchieren und in Wien das Wirken
ausländischer" (nämlich deutscher) Künstler zu
erschweren. Es ist interessant, daß in Wien sowohl der
Direktor des Burgtheaters Hermann Röbbeling wie auch der
Direktor des Volks= und Raimund=Theaters, Rolf Jahn, deutsche
Staatsbürger sind. Im Burgtheater ist eine ganze Reihe Schau¬
spieler, vielleicht die Hälfte des Ensembles deutscher Staats¬
angehörigkeit, ebenso befindet sich im Ensemble der Staatsoper
eine Anzahl deutscher Staatsbürger. Von einer ernsthaften Be¬
drohung des künstlerischen Austausches zwischen Deutschland und
Oesterreich kann natürlich nicht die Rede sein.
Interessante Einblicke in die Entwicklungsformen der moder¬
nen Musik brachte das kürzlich in Wien abgehaltene Inter¬
nationale Musikfest. Vier Abende führten durch die
musikalische Gegenwart aller Länder. Ueberraschend schön klang
ein Klavierkonzert von Lopatnikoff (Rußland) in vornehmer.
eigenpersönlicher Modernität gehalten, rhythmisch belebt und
von einem musikalischen Temperament durchpulst. Dankbar wur¬
den die „Sechs Katalinischen Lieder“ von Robert Gerhard (Spa¬
nien) begrüßt, wirkungssichere, witzige, aber auch gefühlsdurch¬
tränkte Melodik. Ein Werk von Rang war auch das „Zweite
Klavierkonzert" von Norbert v. Hannenheim (Deutschland). Auch
Ernst Kreneks (Oesterreich) Liederzyklus „Durch die Nacht
machte starken Eindruck. Im allgemeinen konnte man von diesem
Streifzug durch den modernen musikalischen Urwald befriedigt
sein und neben Partien hoffnungslosen Nichtskönnens auch recht
erfolg verheißende neue Wege aufspüren.