VII, Verschiedenes 13, 1933–1934, Seite 10

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Miscellaneous
folg und Geschäft gleichgültiger, gegen Angriffe abgehärteter
wäre. Ich glaube sogar, im Grunde seines Herzens machen
ihm seine Feinde mehr Vergnügen als ihr Gegenteil.
Ueberhaupt ist der private Bahr so ganz anders als das
Bild, das die Legende von ihm gemalt hat. Nichts von Fan¬
fare, nichts von Wirkung. „Der schweigende Dandy von Ber¬
gamo", wie ihn Freund Hartleben einmal genannt hat, „steht
sinnend und denkt, wie er heut sich schminkt!“ Der wirkliche
Bahr denkt nicht daran, sich zu schminken, und steht nicht
sinnend, so weit weg ist er vom Dandy wie München von
Bergamo, völlig losgelöst von jeder Art von Eitelkeit und
Selbstbesessenheit, der Bescheidenste in bezug auf die eigene
Leistung und Geltung; und der Wahrste, von einer unbestech¬
lichen Wahrheitsliebe im großen wie im kleinen, die nicht
anders kann und die sich auch nicht die harmloseste Notlüge
durchgehen lassen würde; von der strengsten Sachlichkeit; ganz
frei von jeder Anwandlung eines Uebelwollens und bereit,
jede Fasson zu sein, gelten zu lassen und ihr gerecht zu
werden; und von einer wundervollen Weite und Freiheit der
Anschauung. Wie einfach und wie posenlos! Wie unfeierlich
und heiter! Wie ist dieser ewige Ueberwinder und Ver¬
wandler sein ganzes reiches Leben lang der eigenen Natur,
treu geblieben! Und welchen Frieden des Geistes hat der
unermüdete Kämpfer, der wie ein Rempelfuchs in seine Zeit
hineinbrach, sich schließlich erkämpft, ohne Konzession, ohne
einen Fußbreit seines Wesens aufgegeben zu haben!
Auch dieser Mensch wurde nur, was er immer schon war.
Ich fand — ich habe nun einmal die Sympathie — schon
dieses liebenswürdige Sein beglückend. Aber es ist ein
Ruhmesblatt unserer Zeit, daß in ihr auch der vorbildlich
goethische Prozeß dieses Werdens noch einmal möglich
wurde.
Ich habe ihn, gestehe ich, in Stunden und Situationen
gesehen, in denen auch der Stärkste schwach werden kann.
Ich habe ihn als Autor auf Proben seiner Stücke und als
Regisseur am Deutschen Theater gesehen. Er hat gehalten.
Er ist nicht schwach und nicht nervös geworden. Als
Regisseur im Kampfe mit den Schauspielern nicht, weil er
die Ehrfurcht vor dem Begriffe des schauspielerischen Be¬
rufes mitbringt, und als Autor nicht, weil ihm der „Aus¬
gang", der Erfolg seiner Stücke im Grunde ziemlich gleich
gültig ist. Ich habe in meiner Erfahrung keinen geduldigeren.
einsichtigeren, nachgiebigeren Autor kennengelernt. In der
Regel bleibt er den Proben, den Premieren seiner Stücke
bleibt er ausnahmslos fern.
In einem sehr schönen Buche, das 1913 erschien und das
in unserer Zeit der biographischen Monographien als
geistesgeschichtliches Dokument nicht vergessen bleiben darf,
hat Willi Handl das Werk und die Persönlichkeit des damals
Fünfzigjährigen in einer vielleicht endgültigen Formulie¬
rung beschrieben. Was in den folgenden Lebensjahren des
„bedeutsam Beweglichen“ sich vollziehen sollte, hat Handl
hellseherisch vorausgesagt: ein ohne Haß Einsam- und Still¬
werden, die Heimkehr über Goethe und Gott zu sich selbst.
„Das Beste aus seiner Jugend", sagt Handl, „hat sich in
ihm und an ihm erhalten." Aus unserer Jugend,
möchte ich hinzufügen.
Studienreise nach Südtirol und Venetien. Die
Lessing=Hochschule, Berlin, veranstaltet vom 19. August bis
10. September eine Studienreise nach den südlichen Alpen und Venetien.
Die naturkundliche (geologisch=botanische) Leitung dieser Fahrt, bei der
im Auto die interessantesten Talstrecken und Hochpässe der Dolomiten,
der Trentiner Alpen und des Ortler=Gebietes befahren werden, hat
Professor Gothan (Geologische Landesanstalt, Berlin) die kunst¬
und kulturhistorische Führung durch Venedig und die venetianischen
Städte Dr. Paul Zucker übernommen.
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Händen führen werden, von dem man ende
eingerissenen Gewohnheiten erwarten darf.
Paris
Im Schlosse Bonnell wurde der Nachlaß der Herzogin von Uze¬
versteigert. Die alte Dame, eine der markantesten Erscheinungen
der Pariser Gesellschaft, besaß die ganze Lebenskraft ihrer Familie,
die man schon in den Memoiren Casanovas findet; Reiterin bis
in das höchste Alter hinein, ironisch und gesellig auch in dem
letzten Leiden, verdiente sie wohl das Interesse, das die Pariser
Gesellschaft der zweitägigen Auktion entgegenbrachte. Die beiden
Tage lösten etwa 530 000 Fr., zwei Guachen des älteren Moreau
brachten 2700 Fr., ein Tafelklavier des 18. Jahrhunderts wurde
von einem Familienmitglied für 44850 Fr. erworben. Für einen
kleinen Lacksekretär mit Chinoiserien und der Signatur Dubuts
gab es 29 000 Fr., im ganzen doch nur eine bescheidene Nachlese
von den Schätzen des Geschlechts, das unter Ludwig dem Vier¬
Rundfunk, Nordlandmenschen
Ein Experiment unternahm der Deutschlandsender mit einer
Hörfolge „Nordlandmenschen". Aus Werken Knut Hamsuns
hat Hellmuth Unger kurze Episoden herausgegriffen und lose
aneinandergereiht, um aus ihnen die Besonderheit des nordischen
Menschen zu erweisen. Die großartig fürchterliche Szene des im
Moor versinkenden Fischers, dem Ane-Maria zuschaut und nicht
helfen will, aus „Landstreicher“ — wie Inger ihrem Isaak
die Kuh „Goldhorn“ ins Haus bringt und so überzeugend lügt,
daß sie ihr wirklich gehöre, aus „Segen der Erde — eine
zarte, nur angedeutete Liebessache aus „Angast Welt¬
umsegler“ — ein kleiner Hauch der sehnsüchtig glühenden
Stimmung aus „Pan“ (durch die Stimme Mathias Wiemanns
fühlbar gemacht) — so war ein wenig des Zärtlichen, Unbändigen,
schloß sie eine Wohnungstür auf. Auf dem Messingschild
las er: Dorfmeister.
Sie traten in einen Vorraum. Sie machte Licht, schloß die
ließ die
öffn
ab