„OBSERVER
I. österr. behördl. konzessioniertes
Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte
WIEN, I., WOLLEILE 11
TELEPHON R-23-0-43
Ausschnitt aus:
Neues Wiener Journal, Wien
Autogramm jäger 1877.
Eine unbekannte Autographensammlung in Wien.
Trägst du nicht Rosen, so trägt Astern,
Es scheint wirklich alles schon einmal dagewesen; denn
Sie finden wohl auch ihre Stelle im Kranz.
wer geglaubt hat, die Truppe der Autogrammsammler, die jetzt
alltäglich die Ringstraßenhotels auf ihrer Prominentenjagd um¬
d Bauernfereimt etwas schwierig:
lager sei eine Erfindung von heute — der irrt sehr. Allerdings
„Wie hält der Frühling uns zum besten
hoben wohl früher die Menschen die Unterschriften ihrer Mit¬
Mit seinem Putz von Blättern, Blüten;
menschen nur auf, wenn sie mit ihnen zumindest in geistigem
Er will mit bitteren Lebensfesten
Das Weh des Herzens uns begüten."
Kontakt standen. Es bestand ehemals doch mehr ein Zusammen¬
hang zwischen den Sammlern und den Prominenten; auch
Man kann nicht alle die merkwürdige. Widmungen wieder¬
spezialisierte man sich keineswegs nur auf die Stars der
geben, die sich in diesen Bänden finden; nur jener Brief sei noch
Bühnen — Filmprominente gab es ja noch nicht —, sondern
abgedruckt, den am 26. Juni 1880 Josefine Gallmeyer aus Graz
man suchte die Unterschriften geistiger Kapazitäten zu bekommen.
an Wilhelm Grünbaum, den Sammler dieser kostbaren Blätter
Fritz Grünbaum, heute selbst einer, der um Autogramm¬
sandte. Es scheint sich darum gehandelt zu haben daß Grün¬
angegangen wird, blättert gern und oft in den dicken Folianten, haum ein Bild von Willi Thaller haben wollte; denn die Gall¬
die ihm sein Vater Wilhelm Grünbaum hinterlassen hat. Es meyer schrieb:
muß ein kluger und überall beliebter Mann gewesen sein
„Herr Thaller ist so beschäftigt, außerdem ein bißchen
genau wie sein Sohn auch; denn all die Autogramme, die er
und so habe ich mir erlaubt, Ihnen das gewünschte
sich aufhob, tragen den persönlichen Stempel des Gebenden
Bild zu besorgen und anbei zu senden. H. Thaller befindet sich
nichts ist nur aus Gefälligkeit in der großen Sammlung, die
sehr wohl — erfreut sich einer täglich sich mehrenden Belieb¬
manche Kuriosität aufweist. Da ist gleich Richard Wagner, der und Beleibtheit — lernt unendlich fleißig und hat alle Aussicht
sich sogar zu einem privaten Vers aufschwang und aus Bayreuth
daß sein wirklich schönes Talent in einigen wenigen Jahren
dies sandte.
auch in Wien gerechte Anerkennung finden wird. Ob er sich
„In Brünn erlebt ich einst die Cholera,
auch sonst glücklich fühlt — kann ich leider nicht sagen — denn
Das ist nun besser, da Herr Grünbaum da."
ich gehöre nicht zu den dummen verliebten Frauen — darüber
Ja, Wilhelm Grünbaum lebte in Brünn und das Blatt
soll er Ihnen doch nächstens selbst schreiben. Da ich im Herbst
trägt ein Datum des Jahres 1879.
nach dem „lieblichen Brünn“ — wie die Zeitungen sagen
Natürlich stehen die Stars des Theaters an oberster Stelle
fahre, so hoffe ich das Vergnügen zu haben, Sie persönlich kennen zu
wenn auch nicht immer sehr viel Geistreiches aus ihrer Feder
lernen, worauf ich mich sehr freue, da Wilhelm unendlich viel
kam. Helene Wildbrandt schreibt aus Rostock, 1879, nur „Fleiß Liebes von Ihnen zu erzählen weiß. Bis dahin verbleibe ich
ist die halbe Schauspielkunst" und Possart zitiert Schiller, wenn die Freundin Ihres Freundes.
Josefine Gallmeyer.
er „Den Menschen macht sein Willen groß und klein" widmet
Es muß doch eine andere Zeit gewesen sein, in der diese
Auch Katharina Schratt borgt einen Klassiker, nämlich Goethes Autogramme geschrieben und gesammelt wurden; denn sie sind
„Egmont“ an, wenn sie mahnt: „Wenn ihr das Leben gar
so viel persönlicher und liebenswürdiger als die heutigen. Fritz
ernsthaft nehmt — was ist dran?" Adele Sandrock erklärt kurz Grünbaum hat die Sammlung dann noch ein Weilchen fort¬
und schlagend: „Lassen S' mich in Ruhe!“ und Girardi bedankt
gesetzt; aber aus der Zeit, in der er noch Präsident einer
sich in einem netten Brief für ein Autogramm, das ihm der literarischen Vereinigung war, liegen ein paar interessante
„Autogrammäger“ von 1870 von Strauß verehrt hat.
Briefe dabei — dann hat's ihm wohl zuviel Arbeit und Mühe
Natürlich schrieb Albert Bassermann auch damals schon gemacht und er hat es aufgegeben — da begann er wohl selbst,
so wie er spricht, und so beginnt denn sein Brief mit den Worten
Autogramme zu geben.
„Ser geerter her...“, was „Sehr geehrter Herr..." heißen soll.
Artur Schnitzler zum Beispiel lud einmal Fritz Grünbaum
Lustig kommt es einem vor, wenn der russische Dichter nach eine Vorlesung aus seinen Werken ein
Turgenjew einen Goethe=Vers zitiert und der Maler Defregge¬
der Spaß, den Dichter selbst lesen zu hören, kostete ja nur
ziemlich trivial „Ernst ist die Kunst und heiter das Leben" ohne
zweihundert Kronen und ich kann im Moment nicht nach¬
Hemmungen hinschreibt. Da hat sich der Musikkritiker Doktor
kontrollieren, ob das Schnitzler=Gedicht, das er dem Sammler
Hanslick schon mehr angestrengt, denn er meint: „Die Kunst ist
sandte, in die gesammelten Werke aufgenommen wurde. Es,
ein Spiel, aber keine Spielerei." Jacques Offenbach sandte sogar beginnt unter der Ueberschrift „An die Alten“ mit den Worten:
ein Stück aus „Fantasio, zu dem er liebenswürdig bemerkt
„Ihr habt es überwunden,
das es allerdings vor der Premiere gestrichen worden sei — also
von eurem stillen Winkel aus
auch damlas wurmte die Komponisten schon der Rotstift des
blickt ihr zur Straße nun hinaus
und habt euch dreingefunden..."
Regisseurs. 1878 erklärte daneben Alexander Strackosch, der erste
Mann der Leopoldine Konstantin übrigens: „Streben ist Leben
Die Blätter sind vergibt, auf denen all diese Widmungen
und im selben Jahre schreibt Matras resigniert:
stehen; viele Jahre sind vergangen, die meisten gestorben, manche
sogar vergessen, die hier ihren Namen hinsetzten und nun alle
„Der Vorhang auf, der Vorhang nieder
zusammen in einem Album stecken, wertvoll geworden sind
Und die da alle waren, kehren nicht wieder."
und nur hervorgeholt werden, wenn man einmal eine stille
Emanuel Geibel findet sich mit dem Vers verewigt:
Stunde hat und mit dem heutigen Besitzer die Seiten durch¬
„Laß Dich nicht irren vom Kritikaster,
Jan Peter.
blättert.
Und wie Du bist, so gib dich ganz,
.
I. österr. behördl. konzessioniertes
Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte
WIEN, I., WOLLEILE 11
TELEPHON R-23-0-43
Ausschnitt aus:
Neues Wiener Journal, Wien
Autogramm jäger 1877.
Eine unbekannte Autographensammlung in Wien.
Trägst du nicht Rosen, so trägt Astern,
Es scheint wirklich alles schon einmal dagewesen; denn
Sie finden wohl auch ihre Stelle im Kranz.
wer geglaubt hat, die Truppe der Autogrammsammler, die jetzt
alltäglich die Ringstraßenhotels auf ihrer Prominentenjagd um¬
d Bauernfereimt etwas schwierig:
lager sei eine Erfindung von heute — der irrt sehr. Allerdings
„Wie hält der Frühling uns zum besten
hoben wohl früher die Menschen die Unterschriften ihrer Mit¬
Mit seinem Putz von Blättern, Blüten;
menschen nur auf, wenn sie mit ihnen zumindest in geistigem
Er will mit bitteren Lebensfesten
Das Weh des Herzens uns begüten."
Kontakt standen. Es bestand ehemals doch mehr ein Zusammen¬
hang zwischen den Sammlern und den Prominenten; auch
Man kann nicht alle die merkwürdige. Widmungen wieder¬
spezialisierte man sich keineswegs nur auf die Stars der
geben, die sich in diesen Bänden finden; nur jener Brief sei noch
Bühnen — Filmprominente gab es ja noch nicht —, sondern
abgedruckt, den am 26. Juni 1880 Josefine Gallmeyer aus Graz
man suchte die Unterschriften geistiger Kapazitäten zu bekommen.
an Wilhelm Grünbaum, den Sammler dieser kostbaren Blätter
Fritz Grünbaum, heute selbst einer, der um Autogramm¬
sandte. Es scheint sich darum gehandelt zu haben daß Grün¬
angegangen wird, blättert gern und oft in den dicken Folianten, haum ein Bild von Willi Thaller haben wollte; denn die Gall¬
die ihm sein Vater Wilhelm Grünbaum hinterlassen hat. Es meyer schrieb:
muß ein kluger und überall beliebter Mann gewesen sein
„Herr Thaller ist so beschäftigt, außerdem ein bißchen
genau wie sein Sohn auch; denn all die Autogramme, die er
und so habe ich mir erlaubt, Ihnen das gewünschte
sich aufhob, tragen den persönlichen Stempel des Gebenden
Bild zu besorgen und anbei zu senden. H. Thaller befindet sich
nichts ist nur aus Gefälligkeit in der großen Sammlung, die
sehr wohl — erfreut sich einer täglich sich mehrenden Belieb¬
manche Kuriosität aufweist. Da ist gleich Richard Wagner, der und Beleibtheit — lernt unendlich fleißig und hat alle Aussicht
sich sogar zu einem privaten Vers aufschwang und aus Bayreuth
daß sein wirklich schönes Talent in einigen wenigen Jahren
dies sandte.
auch in Wien gerechte Anerkennung finden wird. Ob er sich
„In Brünn erlebt ich einst die Cholera,
auch sonst glücklich fühlt — kann ich leider nicht sagen — denn
Das ist nun besser, da Herr Grünbaum da."
ich gehöre nicht zu den dummen verliebten Frauen — darüber
Ja, Wilhelm Grünbaum lebte in Brünn und das Blatt
soll er Ihnen doch nächstens selbst schreiben. Da ich im Herbst
trägt ein Datum des Jahres 1879.
nach dem „lieblichen Brünn“ — wie die Zeitungen sagen
Natürlich stehen die Stars des Theaters an oberster Stelle
fahre, so hoffe ich das Vergnügen zu haben, Sie persönlich kennen zu
wenn auch nicht immer sehr viel Geistreiches aus ihrer Feder
lernen, worauf ich mich sehr freue, da Wilhelm unendlich viel
kam. Helene Wildbrandt schreibt aus Rostock, 1879, nur „Fleiß Liebes von Ihnen zu erzählen weiß. Bis dahin verbleibe ich
ist die halbe Schauspielkunst" und Possart zitiert Schiller, wenn die Freundin Ihres Freundes.
Josefine Gallmeyer.
er „Den Menschen macht sein Willen groß und klein" widmet
Es muß doch eine andere Zeit gewesen sein, in der diese
Auch Katharina Schratt borgt einen Klassiker, nämlich Goethes Autogramme geschrieben und gesammelt wurden; denn sie sind
„Egmont“ an, wenn sie mahnt: „Wenn ihr das Leben gar
so viel persönlicher und liebenswürdiger als die heutigen. Fritz
ernsthaft nehmt — was ist dran?" Adele Sandrock erklärt kurz Grünbaum hat die Sammlung dann noch ein Weilchen fort¬
und schlagend: „Lassen S' mich in Ruhe!“ und Girardi bedankt
gesetzt; aber aus der Zeit, in der er noch Präsident einer
sich in einem netten Brief für ein Autogramm, das ihm der literarischen Vereinigung war, liegen ein paar interessante
„Autogrammäger“ von 1870 von Strauß verehrt hat.
Briefe dabei — dann hat's ihm wohl zuviel Arbeit und Mühe
Natürlich schrieb Albert Bassermann auch damals schon gemacht und er hat es aufgegeben — da begann er wohl selbst,
so wie er spricht, und so beginnt denn sein Brief mit den Worten
Autogramme zu geben.
„Ser geerter her...“, was „Sehr geehrter Herr..." heißen soll.
Artur Schnitzler zum Beispiel lud einmal Fritz Grünbaum
Lustig kommt es einem vor, wenn der russische Dichter nach eine Vorlesung aus seinen Werken ein
Turgenjew einen Goethe=Vers zitiert und der Maler Defregge¬
der Spaß, den Dichter selbst lesen zu hören, kostete ja nur
ziemlich trivial „Ernst ist die Kunst und heiter das Leben" ohne
zweihundert Kronen und ich kann im Moment nicht nach¬
Hemmungen hinschreibt. Da hat sich der Musikkritiker Doktor
kontrollieren, ob das Schnitzler=Gedicht, das er dem Sammler
Hanslick schon mehr angestrengt, denn er meint: „Die Kunst ist
sandte, in die gesammelten Werke aufgenommen wurde. Es,
ein Spiel, aber keine Spielerei." Jacques Offenbach sandte sogar beginnt unter der Ueberschrift „An die Alten“ mit den Worten:
ein Stück aus „Fantasio, zu dem er liebenswürdig bemerkt
„Ihr habt es überwunden,
das es allerdings vor der Premiere gestrichen worden sei — also
von eurem stillen Winkel aus
auch damlas wurmte die Komponisten schon der Rotstift des
blickt ihr zur Straße nun hinaus
und habt euch dreingefunden..."
Regisseurs. 1878 erklärte daneben Alexander Strackosch, der erste
Mann der Leopoldine Konstantin übrigens: „Streben ist Leben
Die Blätter sind vergibt, auf denen all diese Widmungen
und im selben Jahre schreibt Matras resigniert:
stehen; viele Jahre sind vergangen, die meisten gestorben, manche
sogar vergessen, die hier ihren Namen hinsetzten und nun alle
„Der Vorhang auf, der Vorhang nieder
zusammen in einem Album stecken, wertvoll geworden sind
Und die da alle waren, kehren nicht wieder."
und nur hervorgeholt werden, wenn man einmal eine stille
Emanuel Geibel findet sich mit dem Vers verewigt:
Stunde hat und mit dem heutigen Besitzer die Seiten durch¬
„Laß Dich nicht irren vom Kritikaster,
Jan Peter.
blättert.
Und wie Du bist, so gib dich ganz,
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