VII, Verschiedenes 13, 1933–1934, Seite 46


nur unter dem Pseudonym Loris veröffentlichen darf. Beer¬
Hofmann gehört der Runde an und Leopold Andrian und so
mancher andere, den Bahr zum Ritter geschlagen hat. Daß
der Ritterschlag manchmal den Unrichtigen adelte, mußte mit
in den Kauf genommen werden. Bahrs Theaterstücke er¬
scheinen in fast ununterbrochener Folge, Viele von ihnen
werden aufgeführt. Mit wechselndem Erfolg. Gelegentlich unter
Donner und Blitz eines Theaterskandals. Dazwischen ver¬
öffentlicht er die ersten seiner Essaybände, darunter einen, der
auf das schärfste mit dem Antisemitismus abrechnet. Sein
starkes Lustspieltalent ist bald über allem Zweifel erhaben.
„Wienerinnen" wird zum großen Theatererfolg. „Josefine
damals als unerhörte Keckheit angestaunt, ahnt Bernard
Shaw voraus, „Der Star", „Krampus“, „Der Meister", das
Stelzhamer=Stück „Franzl“ werden Repertoirestücke auf
allen deutschen Bühnen.
Wie alles und jedes hat Hermann Bahr auch das
Theater mit der ganzen Impetuosität und Leidenschaftlichkeit
seines Wesens angegangen. Er hat eigentlich einen neuen
Stil der Theaterkritik geschaffen, der freilich im Extremen
schweigte, nur die Höchst= und die Tiefstgrade des Thermo¬
meters kannte. Daß dieser Stil von Berufenen und Un¬
berufenen nachgeahmt, übertrieben und karikiert wurde,
konnte Bahr nicht verhindern. Aber jene einzigartige Er¬
kenntnis einer schauspielerischen Individualität konnte nicht
kopiert werden. Wie deutlich erinnern wir uns an einen
Abend im Carl-Theater. Ein halbleeres Haus, zumeist Frei¬
kartler. Nicht viel Stimmung im Publikum. Man denke
einmal, eine italienische Truppe, deren Mitglieder kein
Mensch kennt. Im ersten Zwischenakt stürmt Bahr von
seinem Sitz auf und ruft mit Stentorstimme über das
Parkett hinweg: „Das ist die Schauspielerin unserer Zeit!
Das ist der große Genius!“ Es war Eleonora Duse, die
damals nicht nur für Wien, sondern für die Welt entdeckt
wurde.
Das Theater hat auf die Dauer Hermann Bahr nicht
auszufüllen vermocht. Es kamen die Sturmtage, in denen
auf dem Gebiet der bildenden Kunst sich ein Umsturz voll¬
zogen hat. Die „Sezession" wurde gegründet und Hermann
Bahr ist es gewesen, der die literarischen Fanfaren geblasen
hat und mit Berserkerwut gegen alle ankämpfte, die er zu
den Philistern zählte. Unterdessen hatte er sich längst von dem
guten Europäer, der zu sein er sich als junger Mann gerühmt
hatte, zum überzeugten und begeisterten Oesterreicher speziali¬
siert. Er wurde zum Schwärmer für das österreichische Barock
und die Begeisterung für die Kunst seines Vaterlandes ließ
ihn auch Ausflüge auf das politische Gebiet machen. Seine
Schriften über die österreichische Mission, „Austriaca,
„Schwarz=Gelb und viele andere, haben heute in erhöhtem
Grade den Reiz der Aktualität der Stunde.
Schwer zu übersehen ist die Vielseitigkeit dieses Lebens¬
werkes. Hermann Bahr hat Jahre hindurch mit derselben
Inbrunst vor dem Standbild Goethes gekniet wie später in
der Salzburger Domkirche im härenen Mönchsgewand, als er
zum glühenden Gottscher geworden war. Oesterreich hat ihm
nicht immer sein treues Vasallentum gebührend gedankt. Die
Burgtheaterdirektion Hermann Bahrs war von allzu kurzer
Dauer, um das Geschicke des Hauses, dessen bester Biograph
er gewesen ist, nachhaltiger zu beeinflussen. Als Hermann
Bahr das Glück seines Lebens in der Ehe mit der großen
Künstlerin Anna Mildenburg gefunden hatte, da hat man es
hierzulande leider nicht verstanden, die beiden an die öster¬
reichische Heimat zu fesseln. Und wie gern hätten sie sich
fesseln lassen! Hermann Bahr wandte sich nach München;
aber sein Herz ist in Oesterreich geblieben und mit nie ver¬
sagender gespannter Aufmerksamkeit verfolgte er alle Ge¬
schehnisse in der Heimat. Den geistigen Verkehr mit bedeuten¬
den Oesterreichern hat er niemals aufgegeben. Abgesehen von
seinen literarischen Freunden haben Heinrich Lammasch und
später Jgnaz Seipel zum Kreise seiner Intimen gezählt. Und
sein Zusammenhang mit der österreichischen Leserschaft blieb.
vor allem dann seiner steten Mitarbeit an der „Neuen Freien
Presse", aufrecht. In unserem Blatte sind die großen, öster¬
reichischen Romane Hermann Bahrs erschienen, „O Mensch
und „Druth" beispielsweise. Im Feuilleton der „Neuen
Freien Presse“ hat er immer wieder zu vielen geistigen Pro¬
blemen der Gegenwart Stellung genommen. Ein Vollmensch,
ein Liebenswürdiger und Liebenswerter, ein Herzenswarmer
und Gütiger scheidet mit ihm aus dem Leben. Er hat politische
und literarische Gegner, nie aber einen persönlichen Feind
gehabt. Und an seinem Sarg erklingt das Goethe=Wort:
„Denn er ist ein Mensch gewesen, und das heißt ein Kämpfer
sein.
stg.
Hermann Bahr der Dramatiker.