VII, Verschiedenes 13, 1933–1934, Seite 50

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box 447
Volkszeitung
KAIS
21. 1934
Herr Kramer behüttert.
Weltruf hatte das Rudolfsheimer
Bald übernahm der neue Mann das
Theater, die sogenannte Schwenderbühne ja Liebhaberfach allein mit Beschlag, und schlie߬
nicht, und auch sehr prunkvoll war der Bau lich ist er auf dem Weg über „Alt=Heidelberg“,
keineswegs. Mitunter kam es schon vor, daß „Brüder von St. Bernhard“ und vielen, vielen
man im Publikum nicht alles verstand, was andern Rollen der Star des Deutschen Volks¬
die Künstler sprachen, weil ein sonderbare
theaters, der Liebling Wiens geworden. Seine
Pochen und Scharren hinter den Kulissen
Leistungen als Charakterschauspieler moderne
hervordrang. Die Schuld daran trug der Ein=Stücke sind ebenso zahllos wie unvergeßlich
spännergaul, der, wenn er in seinen Stall und wer Leopold Kramer im „Gardeoffizier,
wollte, die Bühne passieren mußte. Ließ man
„Teufel“ oder als Anatol gesehen hat, der
ihn bis nach Schluß der Vorstellung warten, dankt ihm dieses Erlebnis noch Jahrzehnte
dann äußerte sich eben sein Unmut bisweilen
später
In dem damaligen festgefügten
derart, daß Häuser, Felsen oder
Ensemble der Bühne beim Weghuberpark war
Bäume, was immer das Szenenbild gerade
Kramer 21 Jahre lang einer der führenden
zeigte, zu wanken begannen. Frau Löwe
Namen. Schmerzerfüllt nahm er Abschied von
und Herr Czernowski waren die un¬
hier, als nach dem Krieg verschiedene Umstande
beschränkten Herrscher dieses Reiches, sie taten ihm die Arbeit verleideten, und die Trennung
ihr Bestes, konnten aber das Schild „Aus¬
von diesem Theater war um so schwieriger
verkauft nicht zu oft über die Kasse hängen, als er hier jenes Glück fand, das ihm durch
alle Fährnisse des Lebens treu blieb. Bei einer
Doch einmal, vor nun gerade vierzig
Probe, bald nach dem Debit stand der „Pfarrer
Jahren, im Jänner 1894, rieben sie mit Recht
von Kirchfeld dem „Anner!“ gegenüber, einer
vergnügt die Hände, denn erstens hatte ein
jungen, reizvollen Schauspielerin, Josefine
angehender Künstler für 50 Gulden
Glöckner. Und bald hieß auch sie Kramer,
Karten erstanden, damit er heute
bald war aus dem Paar der Bühne ein Paar
Abend die Rolle Schillers in den „Karls
fürs Leben geworden.
schülern spielen durfte, und zweiten saßen
im Parkett zwei vornehme Herren
Paula, Paul und Attila — die Unbekannten.
Neun Jahre verbrachte Kramer nach dem
Abschied aus Wien in Prag als Direktor des
Bei den ersten Erkältungsanzeichen
nehmen Sie sofort 1—2
Deutschen Landestheaters, und als er von hier
schied, um in seine Vaterstadt zurückzukehren,
Transpiral-Tabletter
da gab es unbeschreiblich herzliche Beweise der
in heißem Tee.
Liebe und Anhänglichkeit seiner Schauspieler
Auch gegen Gliederschmerzen, in allen Apotheken.
wie seines Publikums. Unter der Leitung des
neuen Direktors wurde manch ein Talent
aus einem Unbekannten ein berühmter
Lewinsky und Kracher aus dem Burg¬
Künstler. Als Oskar Sima die Prager Bühne
theater. Sie hatte der Vater des Debitanten,
Kramers verließ, da holte sich der Direktor
der Kaufmann Kramer, hergerufen, damit
einen Anfänger, einen Namenlosen, den er an
sie ein Urteil — womöglich ein schlechtes
die Stelle Simas brachte: Paul Hörbiger.
über seinen Leopold abgeben, der unbeding
Auch Bruder Attila ist hier bei Kramer
zum Theater wollte.
groß geworden, und unter den Vielen, deren
Gedichte im Kassenbuch.
Ruhm am Deutschen Landestheater begann,
Mit dem Jungen war es nicht leicht.
sind die Linzerin Maria Müller, die ihren
Er sollte Kaufmann werden wie der Vater
Weg von Pragandie Metropolitan
nachdem er seine Einjährig=Freiwilligen¬
Opera in New-York nahm, Maria
Pflicht bei den Tiroler Kaiserjägern erfüllt Gerhart, die jüngste Kammersängerin der
hatte. Aber wenn er im Parterrelokal seines
Wiener Staatsoper, Karl Norbert und
Chefs beim Fenster saß und hinausschaute in
eine, die am Volkstheater in kleinen Rollen
den Großstadtverkehr, da fiel ihm immer
wenig aufgefallen war, die Dr. Beer erst
wieder das Theater ein, da standen dann mit als den Star Paula Wessely wieder zurück¬
einem Male statt Ziffern Gedichte,
holte. Zahllos sind die bedeutsamen Leistungen
eigene und fremde, nebst Rollenpartien im
des Debitanten aus Rudolfsheim. Er führte
Kassenbuch. Abends sagte er, er wolle turnen
Regie und spielte bei der Uraufführung des
gehen, und in Wirklichkeit traf man ihn im
Erfolgstückes „Leinen aus Irland“ in Berlin,
Burgtheater. Deshalb beschloß Vater Kramer
ist heute als Fünfundsechzigjähriger, wo
seinen Leopold strafweise aus Wien weg¬
immer er hinkommt, der „große Kramer“.
zuschicken. In Hamburg sollte er in einem
Buch des Lebens.
großen Exporthaus die Kunst vergessen. Auch
dort hat Leopold jedoch gesungen, gedichtet,
Gleichwohl denkt er gern zurück an die
rezitiert. Man liebte ihn allgemein, er war verflossenen Jahrzehnte und in dem stillen,
in der Familie des Chefs wohlgelitten, aber
schönen Heim des Künstlers in Hietzing liegt
gleichwohl schlug ihm der Firmeninhaber ein Buch auf dem Tisch, ein Buch des
eines Tages vor, sein Betätigungsgebiet
Lebens gewissermaßen, denn darin haben
irgendwo anders hin zu verlegen. Nun hatt
alle Autoren der Stücke, in denen er
Leopold genug. Er fuhr nach Wien zuruck
auftrat, dem Darsteller ihrer Rollen Dank
und erklärte seinem Vater entschieden: „Ich
gesagt. Blumenthal und Kabelburg stehen
gehe zum Theater.“ Diesem unbedingten
neben Schönthan, Otto Erich Hartleben und
Willen gegenüber war wenig einzuwenden,
Max Halbe,
Schnitzler neben Hans
und so saß man denn jetzt im Parkett der
Müller und Max Mell, Sil=Vara, Molar,
Schwender=Bühne, um zumindest festzustellen,
Kamare, Ludwig Thoma, Ritter sind ebenso
ob der Junge das nötige Talent hätte.
vertreten wie Mascagni und sogar Rabindra¬
Der „Pfarrer wird „Teufel“.
ath Tagore. „Ich war so unvorsichtig, einen
neuen Mitterwurzer zu versprechen.