VII, Verschiedenes 13, 1934–1935, Seite 8

13. Miscellaneous
box 447
Besuch beim Bildhauer
Alexander Faray.
Der Schöpfer des Schnitzler=Denkmals.
Von
Wolfgang Born.
Der Schöpfer des schönen Kainz=Denkmals am Türken¬
schanzpark Alexander Jaray hält sich von allem Kunstbetrieb
fern. Vergebens wird man ihn auf den großen Ausstellungen
suchen. Nur von Zeit zu Zeit — das heißt, alle paar Jahre
einmal — lädt er die Freunde seiner Kunst zu einer Atelier¬
ausstellung. Da sitzt man nun dem Bildhauer ohne viel Förm¬
lichkeit gegenüber, mitten zwischen seinen neuen Werken, die
ihren inneren Wert bei diesem stillen und intimmen Zusammen¬
sein erst ganz erschließen. Denn sie sind zurückhaltend, wie der
Mann, der sie geschaffen hat.
„Mich interessiert", so bekennt Jaray, „vor allem der
Kopf eines Menschen — und zwar eines geistigen Menschen.
„Geprägte Form, die lebend sich entwickelt“, wie es Goethe
ausgedrückt hat. So habe ich die Köpfe Max Liebermanns und
des Hofrates Glossy gestaltet, die ja schon älteren Datums sind.
Inzwischen ist eine Büste unseres unvergeßlichen Bundeskanzlers
Dr. Seipel entstanden. Sein mächtiges Haupt mit den vom
Schicksal gemeißelten Zügen hat mich nicht losgelassen. Ich
mußte eine plastische Form dafür finden. Sehen Sie selbst, ob
es mir gelungen ist.
Dabei rückt der Künstler das Werk zurecht, das auf einem
Postament steht. Und wirklich: dieser Kopf lebt! Mit tiefster
Einfühlung sind die Züge modelliert. Man spürt die Ruhe des
überlegenen Geistes hinter der hohen Stirn.
Den Mittelpunkt des Ateliers nimmt jedoch ein
monumentales Bildwerk ein, das überlebensgroße Modell eines
Liszt=Denkmals für Eisenstadt. Der Meister ist auf einer Stein¬
bank ruhend dargestellt, ein Notenblatt in der feingliedrigen
Rechten. Wiederum ist der Kopf unbedingt der Sammelpunkt
allen Interesses. Mit tiefen Schatten unter den stark gewölbten
Brauen und in den Winkeln der kühn vorspringenden Nase,
prägt sich das Gesicht von weitem bereits unverwechselbar ein.
Tritt man näher, so hat man Gelegenheit, den Reichtum der
Einzelformen zu bewundern. Alle wichtigen Details sind da,
und doch ordnen sie sich dem Ganzen zwanglos unter.
„Ich habe“, so erläutert Jaray sein Werk, „nicht den alten
mehr oder weniger verfallenen Liszt dargestellt, wie man ihn —
sehr mit Unrecht — sich vorzustellen gewohnt ist, sondern den
Liszts auf der Höhe seines Daseins, etwa Fünfzigjährig. Die
Idee zu dem Denkmal schwebt mir seit langem vor. Ich hatte
ein kleines Modell gemacht, das in meinem Atelier stand, als
eines Tages ein bekannter Kunstsammler aus Eisenstadt mich be¬
suchte und es bei mir sah. Es gefiel ihm, und er entwickelte die
Idee, das Denkmal für Eisenstadt ausführen zu lassen. Liszt war
ja ein gebürtiger Burgenländer. Die Anregung des hervor¬
ragenden Kunstfreundes fand in Eisenstadt Beifall. Es wurde
sogar eine bescheidene Summe aufgebracht, die den Grundstock für
einen Denkmalfonds bilden sollte. Ich habe nun auf Wunsch der
Herren aus Eisenstadt das Denkmal in der Größe, in der es auf¬
gestellt werden soll, in Ton modelliert, und es hätte so, wie es hier
sieht, den Beifall der Kommission gefunden, die es kürzlich be¬
gutachtet hat. Nun fehlt es nur noch an den restlichen Mitteln zur
Ausführung!
Hoffen wir mit dem hochverdienten Künstler, daß auch die
letzten Schwierigkeiten noch behoben werden! Eisenstadt würde
mit dem Werk ein würdiges Monument des Tondichters ge¬
en
Neben dem Liszt=Denkmal entsteht derzeit noch ein be¬
sonders interessantes Werk die Porträtbüste des Generals
Vaugoin. Schon ist der Kopf der Vollendung nahe. Die
Modellierung ist diesmal straff und geschlossen; der militärische
Charakter des Modells kommt eindrucksvoll zur Geltung. Die
Aehnlichkeit ist überzeugend und gleichzeitig ist mit schönstem
Erfolg das Ueberpersönliche der Erscheinung, das politische
Führertum, herausgearbeitet.
Beim Abschied bleibe ich vor Jarays Entwurf des Schnitzler¬
Denkmals stehen, das noch immer der Ausführung harrt. Der
Dichter der Wiener Seele verdient es wie wenige andere, den
folgenden Generationen auf dem Boden von Wien im Denkmal
vor Augen gestellt zu werden. Wann wird Wien diese Pflicht der
Pietät erfüllen?