VII, Verschiedenes 13, 1934–1935, Seite 24

13.
Miscellaneous
box 447
OBSERVER
I. österr. behördl. konzessioniertes
Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte
WIEN, I., WOLLEILE 11
TELEPHON R-23-0-43
Ausschnitt aus:
Brünner Tagesbote, Brünn
Abend
vom
21
ottaa
Wiener Kunstbrief.
(Das Burgtheater in Bildnissen. — Gedächtnis¬
ausstellungen Emil Orlik und Tina Blau.)
Es ist schon ein schweres Stück, das Bildnis
irgendeines geistigen Menschen zu zeichnen und
zu malen. Sitzt er dem Künstler als Modell
gegenüber, spiegelt sich in der Änderung seiner
Züge ein ganzes Ausdrucksregister seiner inne¬
ren Beweglichkeit, seiner geistigen Gesichte und
hieraus das Wesentliche zu erspüren, ist des
Künstlers schwierige, wunderhafte, schöpferische
Tat. Um wieviel schwerer ist es, einen Schau¬
spieler im Bilde festzuhalten. Vervielfacht tritt
seine Persönlichkeit auch in der äußeren Erschei¬
nung vor den Maler. Man sagt es ja gerade
dem guten Schauspieler nach, er sei immer in
irgendeiner Rolle, auch wenn er er selbst sein
wolle, aber halt, da ergibt sich für den Maler
eine Art der Lösung des Problems; er malt
den Mimen eben in einer besonders kennzeich¬
nenden Rolle samt Maske und Kostüm. Aber es
bleibt dann doch die bildhafte Erscheinung des
Theaterdarstellers und nicht des Menschen.
Hie und da geht nun ein bildender Künstler
die große Aufgabe mit allem Elan an und ge¬
rade im frischen Wurf des bewußten Wollens
gelingt es am besten. So hat W. V. Krauß,
der schon für die Burgtheatergalerie manche der
Großen dieser Welt des Scheins im Bilddenkmal
verewigte, nun eine Bildnisreihe von Persönlich¬
keiten aus dem Burgtheaterkreis vollendet, welche
in der Hauptsache als Bildbeigaben des Buches
von Dr. Rudolf Lothar „Das Wiener Burg¬
theater“ dienen. Die Originale dieser Bildnisse
und Zeichnungen hierfür sind jetzt im linken
Seitentrakt des Wiener Künstlerhauses ausge¬
stellt und schon der auffallend lebhafte Besuch
dieser Schau erweist das lebhafte Interesse des
Publikums an der führenden deutschen Bühne
und ihren Mitarbeitern. Wenn es Krauß ein¬
mal gelang, die oben erörterte Aufgabe, den
Menschen im darstellenden Künstler in einer
förmlichen Summe seiner Typen zu erfassen, so
gilt dies vom Bildnis Hilde Wageners, die
in Kopfhaltung, Mundform, Augenaufschlag so
wunderbar lebendig vorgeführt wird, daß eben
dieses Bildnis als Folie für die Vorstellung,
die jeder von der Künstlerin in dieser oder jener
Rolle mit sich nach Hause trägt, paßt. Es muß
wohl auch glückhafte Stimmung beiderseits im
Spiele sein, denn anders ist es schwer zu er¬
klären, daß z. B. Nora Gregor in dem hier
gezeigten Bildnis sowohl, als in der Studie
dazu ganz unbefriedigt läßt. Auch Maria Eis
läßt in dieser hier gezeigten Studienzeichnung
sehr kühl. Unter den männlichen Köpfen sind
Werner Kraus, Hugo Thimig, dann die raschen
Pastellskizzen von Direktor Röbbeling, Sektions¬
chef Perntner gelungene Sachen. Die flüchtige
Studie nach Gerhart Hauptmann müßte man
füglich als „vorbeigelungen“ bezeichnen; wenn
man aber weiß, daß ein Künstler oft Hemmun¬
gen hat, an einer Arbeit, die in persönlicher
Fühlung mit dem Dargestellten bis zu einem ge¬
wissen Punkt — und mag es nur Halbheit sein
gedieh — und die Skizze entstand während eines
kurzen Wiener Aufenthaltes Gerhart Haupt¬
manns
— nachträglich Verbesserungen auswen¬
dig hinzuzufügen, so bekommt auch dieses Blatt
seine besondere Stimmung. Gleich daneben hängt
der schwermut=bedrückte Kopf Arthur Schnitz¬
lers aus der letzten Zeit und erweist das
früher Gesagte durch sein besonderes Vollendet¬