VII, Verschiedenes 13, 1934–1935, Seite 26

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13. Miscellaneous
Ausschnitt aus:
ne in Wien
1934

Als sich Herzl der Politik zuwandte, erregte dieser Schritt
in allen Kreisen Verwunderung, Erstaunen, ja sogar Bestürzung.
Der Burgtheaterautor
Man begriff nicht, daß ein talentierter Bühnenautor und Schrift¬
steller sicheren literarischen und gesellschaftlichen Erfolg mit einer
Theodor Herzl.
ungewissen Utopie vertauschen wollte. Herzl war, als er den
Wie sich der Dramatiker zum Staatsmann wandelte.
„Judenstaat“ niederschrieb, arriviert. Das Burgtheater sowie
Von
andere Wiener und reichsdeutsche Bühnen spielten seine
amüsanten Konversationsstücke. Merkwürdigerweise sind diese
Robert Weil.
Ob es nur ein Zufall ist, daß gerade jetzt die Biographen Komödien, die damals das Publikum entzückten, heute nahezu
und Literaten den Schöpfer des Zionismus, Theodor Herzl, feiern unbekannt. Man kennt sie kaum dem Namen nach. Und so ist
und — entdecken? Anläßlich seines sich jetzt jährenden dreißigsten es ein ausgezeichneter Gedanke, daß Josef Fränkel ein Buch
Todestages erscheinen aus der Feder der verschiedensten verfaßte, das über vielmehr als Aufruf gelten soll, sich außer
Persönlichkeiten umfangreiche oder schmächtige Bücher und Ab= an den Zionisten Herzl auch an den Dramatiker Herzl zu
handlungen über ihn und seine Mission. Viele fühlen sich zum erinnern. „Theodor Herzl, des Schöpfers erstes Wollen", betitelt
Schreiben über Herzl berufen, aber nur wenige erscheinen aus er sein im Fiba-Verlag (Wien) soeben erschienenes Buch. Mit
erlesen zu sein, über diesen Mann, dem nicht nur das Judentum Recht verurteilt er das Verhalten nicht allein der deutschen,
sondern auch der Palästinensischen Theater, daß sie sich gar nicht
allein, sondern auch die gesamte Kulturwelt soviel verdankt,
ihre persönliche Meinung wiederzugeben. Die besten Werke über darum kümmern, Herzls Stücke neu zu inszenieren. Sonnenthal,
Herzl sind nun gerade diejenigen, in denen man ihn selbst Friedrich Mitterwurzer, Hermann Bahr, Artur Schnitzler, Max
sprechen läßt, denn schöner, präziser und zugleich moderner Burckhardt, Ludwig Speidel sowie andere promene Schau¬
vermag kaum ein Schriftsteller der Gegenwart die Gedankenspieler und Schriftsteller waren seine begeistertsten Verkünder.
Sicher müßten seine Werke stellenweise retuschiert, modernisiert
gänge dieses Staatsführers, der zugleich ein Dichter war, zu
schildern. Die Zeit einer Generation ist seit seinem Hinscheiden werden (wie man etwa Johann=Strauß=Walzer neu instrumentiert).
Und dann wäre es zweifellos, daß das deutsche Theater der Gegen¬
vorbei und erst heute erfaßt man die Bedeutung seines Werkes
wart um einen zugkräftigen Autor bereichert wäre,
das immer größer, grandioser zu werden verspricht,
Josef Fränkel schildert in seinem knapp gefaßten, aber er¬
schöpfenden Werk den literarischen Werdegang Herzls und nennt
in chronologischer Folge seine Dramen. Elf Bühnenwerke
stammen aus seiner Feder. Von diesen wurden fünf, und zwar
„Der Flüchtling“, „Die Dame in Schwarz, „Wilddiebe"
„Tabarin“ und „I love you" am Burgtheater insgesamt drei¬
und neunzigmal gespielt. Man liest in dem Buch Fränkels die
äußerst interessante Korrespondenz, die der junge, aufstrebende
Dramatiker mit den Direktoren des Burgtheaters führte. Briefe
an Wilbrandt, Sonnenthal, Baron Berger, August Förster,
Max Burckhardt und Paul Schlenther sowie die Korrespondenz
mit Mitterwurzer und Hartmann legen Zeugnis ab, wie das
Burgtheater, das die ersten Stücke abgelehnt hatte, doch die
Dramen des talentierten Autors gern in Glanzbesetzung spielte¬
Einen breiten Raum nimmt in Fränkels Monographie des
Kampf ein, der um Herzls „Unser Käthchen" tobte. Das Werk
war von Schlenther angenommen worden, als die General¬
Intendanz Bedenken hegte, dieses soziale Stück zu spielen. Nach
Ablehnung durch das Burgtheater führte das Volkstheater dieses
Drama auf. Begreiflicherweise bot die Premiere nicht so sehr
den Anlaß, künstlerische Kritik zu üben, sondern zu der Person
des jüdischen Autors pro und kontra Stellung zu nehmen,
Wenn man nun die hier abgedruckten antisemitischen
Schmähungen gegen Herzl liest, so entdeckt man, daß bereits
der „Kikeriki“ des Jahres 1899 die Sprache des Hitler=Jahres
1933 vorausahnte Fränkels Buch wird sicher großem
Interesse begegnen.
Ein anderes Werk, das sich mit der Person Herzls befaßt, ist
das im Sawitra-Verlag (Wien=Amsterdam) von Z. F. Finkel¬
stein herausgegebene Buch „Schicksalsstunden eines Führers
Impressionistisch schildert er sieben Episoden aus dem Leben
Herzls. Verschiedene Bilder aus dem Herzl=Archiv sowie
saksimilierte Briefe aus der Wiener Herzl=Ausstellung (1934)
ergänzen dieses liebevoll geschriebene Werk. Es ist gleichfalls ein
vertvoller Beitrag zur Herzl=Literatur.