VII, Verschiedenes 13, 1934–1935, Seite 45

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13. Miscellaneous
OBSERVER
1. österr. behördl. konzessioniertes
Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte
WIEN, I., WOLLZELLE 1
TELEPHON R-23-0-43
Ausschnitt aus:
Die Stunde, la
vom
4.
Prater" und „Heuriger auf der Bühne der Staatsoper
Am Samstag den 8. d. hat die Staatsoper 1855, einer Zeit also, die wohl historisch
wieder einmal Premierentag. Es gelangt schon etwas entrückt ist, aber wieder nicht
Julius Bittners Oper „Das Veilso weit, daß der gefühlsmäßige Zusammen¬
chen“ zur Uraufführung. Die musikalische hang, das Verständnis für ihre Mentalität
Leitung hat Direktor Clemens Krauß bereits verlorengegangen wäre. Man lernt
übernommen, während die Inszenierung
im „Veilchen“ dieses eigentümliche, im
Oberregisseur Professor Dr. Waller
Ausland eigentlich nie ganz verstanden
stein anvertraut ist.
Offiziers
kennen, das sich aus den
verschie¬
ten Nationen ergänzte und
Damit wird der Spielplan der Staatsoper
durch ein musikalisch und textlich fesseln, selbst doch übernational war.
Um allen Anforderungen der Milieutreue
des Werk bereichert, für das es besonders
charakteristisch ist, daß es im besten Sinn zu genügen, hat die Staatsoper sogar Sach¬
das österreichertum repräsentiert. Einmal verständige berufen. Dabei wurde auch
daran gedacht, daß die Handlung des „Veil¬
durch den Autor und den Komponisten, die
chen“ in der Mitte des vorigen Jahrhunderts
beide in eine Person zusammenfallen: Julius
Bittner, der wie ja kaum ein anderer in spielt und gewisse Gepflogenheiten und
Reglementpunkte seither manche einschnei¬
österreichischer Erde verwurzelt ist. Dann
dende Änderung erfahren haben.
durch die Wahl des Schauplatzes: die Ope¬
Der mit besonderem Bühneninstinkt ge¬
bringt in feinster Beobachtung Wiener
Lokalkolorit auf die Bühne, die Hand- segnete Julius Bittner hat schon immer ge¬
lung ist mit dem Schauplatz so verbunden, zeigt, daß er Rollen zu schreiben versteht.
daß das Stück seinem innersten Wesen nach Diesmal ist ihm eine besonders schöne Rolle
nur in Wien spielen kann. Es dürfte wohl für Richard Mayr gelungen, der einen hohen
zum erstenmal sein, daß auf der Bühne der Offizier spielt. Adele Kern hat das zu sein,
was Arthur Schnitzler das süße Mädel
Wiener Staatsoper zwei so typisch wiene=
rische Lokalitäten zu sehen sein werden, genannt hat. Manowarda verkörpert die
Gestalt eines Ministerialbeamten. Einen
wie es zum Beispiel der Prater und ein rich¬
tiger Heuriger sind, die von Professor lyrisch-poetisch veranlagten Offizier singt
Charles Kullmann, sein Freund, eine
Roller unerhört echt aufgebaut werden.
Julius Bittner führt in das Milieu des aufbrausende, standesbewußte Natur, ist
österreichischen Offizierskorps der Zeit um Hammes.