VII, Verschiedenes 13, 1934–1935, Seite 56

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13. Miscellaneous
Man kann zwar jahrelang nebeneinander leben, ohne
von festlich erregten jungen Mädchen beobachten
andre. Leschetizky
sich zu kennen. Diejenigen aber, die durch Beruf oder
die, Blumen in den Händen, sich in flüsternder
Türkenschanzparks
sonstige Zufälle miteinander bekannt wurden, bildeten
Erwartung zusammendrängten, sich aber in atem¬
daß an Stelle der
das, was man in der Wiener Gesellschaft ein „Krätzel
loser Ehrfurcht zu einem Spalier formten, wenn
rüche die blühend
nennt. Eine feine, kultivierte Geselligkeit entwickelte sich
de Marmorbank, in ein jünglinghaft schlanker Herr mit nervöser Be¬
in dem Cottagekrätzel von Haus zu Haus, man war auf
weglichkeit aus dem Haus tritt, um in den bereitstehenden
den Terrassen, in den Gärten beisammen, man traf sich
eschetizkys befindet
dieses russischen Wagen zu springen. Seine leuchtenden braunen Augen
auf Tennisplätzen und zu Radausflügen in den nahen
gönnen den von hingebender Verehrung überstrahlter
Wiener Wald. Die Verkehrsmittel, die das Cottage
jungen Gesichtern keinen Blick, aber sogar die un¬
geduldige Geste, mit welcher der Vergötterte allzu be¬ dichter zur Stadt rückten, gestatteten es mehr und mehr,
die Weinberge, ver¬
geisterte Huldigungen zurückweist, verrät so viel daß Gäste aus den inneren Bezirken herauskamen.
Lerchenjubel war;
Glänzende Gesellschaften erfüllten die Räume so mancher
lieber als in noch
Schwung und Heinreißende Anmut, daß die kleine Schar
sich trotz der Unfreundlichkeit ihres Helden für die lange gastfreien Villa, aus stillvertrautem Beisammensein
in und für sich in
Wartezeit reich belohnt fühlt, und als der Wagen sich in naher Freunde entstand kostbare Anregung zu unver¬
de Villenkolonie zu¬
Türkenschanze be¬
Bewegung setzt, begleitet ihn der jubelnde Ruf: „Hoch gänglichen Werken.
Pötzleinsdorf zieh
Kainz
der Hohen Wart¬
Vom ersten Jahre seines Engagements am Burg¬
Das ist heute freilich vielfach anders geworden. Die
baches wurde ein¬
theater wohnte Josef Kainz hier im Cottage bis kurz
ehemals so festgefügten Kreise sind gelockert, zerfallen.
der
hrt jetzt geradeweg¬
vor seinem Tod, der ihn seinem künstlerischen Schaffen
Das Leben hat die Freunde auseinandergeführt,
grausam früh entriß. Ein stiller, kleiner Park auf der
Tod ihre Reihen arg gelichtet. Die Schwierigkeit
Höhe der Türkenschanze ist seinem Andenken geweih
Wirtschaftskrise hat den lauten, fröhlich unbeschwerten
ung des Cottage
und umschließt das schlichte Standbild, das die Freunde
Gästeschwarm aus den üppigen Halls und Salons der
heistigen und künst¬
dem Unvergeßlichen setzen ließen.
Villen verscheucht, von denen viele heute entweder zum
ihren gesellschaft
An der Ecke des Kainzplatzes und der Hasenauer
Verkauf stehen oder deren Inhaber bemüht sind,
t eine Atmosphäre
straße steht das Haus von Richard Beer=Hofmann
ehemals weitläufigen Räume in Kleinwohnungen um¬
ihnen zählte auße¬
Arthur Schnitzler erwarb von Hedwig Bleibtreu die
meister der Wiener
zuwandeln oder zimmerweise an Untermieter zu ver¬
Villa in der Sternwartestraße, und gegenüber führt
hard Wagners war,
der Malerradierer Ferdinand Schmutzer ein herrliches geben. Prachtvolle Privatparks sind zu Handels¬
Kralik, dessen
gärtnereien geworden, und wenn jemand von den alten
Wohnhaus auf, das er mit seltenem Geschmack in allen
unkt Oesterreich¬
Villenbewohnern seinen Haushalt im einstigen Umfang
Räumen zu einer künstlerischen Kostbarkeit gestaltete
noch aufrechterhalten kann, so geschieht dies meist nur
im Cottage
der hervorragende Ebenfalls in der Sternwartestraße wohnte Dr. Sieg¬
unter den äußersten Einschränkungen und Opfern.
fried v. Strakosch, ausgezeichnet als bahnbrechenden
latt" und Biograph
Doch die Gartenstadt des Cottage steht nun einmal
Forscher, als Landwirt und Begründer der Oester¬
og ein Alt=Wiener
reichischen Zuckerindustrie. Nicht weit davon schafft da, und wenn wir an einem schönen Frühlingstag müde
früher dastand. Da¬
und abgehetzt aus der Stadt herauskommen, umfang
der Maler Tom v. Dreger. Professor Dr. Gustat
des Haus mit einem
uns wie eh und je die reine Luft, die schon Ferstel be¬
der Patrizierfamilie Gartner zog hier heraus, einer der Pioniere der heute
glückt und erquickt hat, und heute wie damals grüßen die
so verbreiteten Diättherapie. — In einer Villa in der
tert; während vieler
Festlichkeiten. Kienzl, Anton Frank=Gasse spielt der letzte Akt der Tragödie zauberhaft weichen Linien des Wiener Waldes das Auge
mit sanften Trost, und der Blick auf dieses liebliche
des Erzherzogs Otto, eines der schönsten und lebens
vielen andern nam¬
Stück Heimat träufelt in unser Herz die Gewißheit: das
sprühendsten Prinzen, der hier eines frühen
sängerinnen hier zu
Schöne kann nicht vergehen und aus jedem noch so
Todes starb.
langen Wintergrau muß das junge Blühen des Früh¬
Der gesellige Verkehr nahm auch, im Cottage die
der Lannerstraße
Tag eine Gruppe Formen an, die ihm nun einmal in Wien eigen sind. lings uns erlösen!