VII, Verschiedenes 13, 1934–1935, Seite 57

13.
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Miscellaneous
„OBSERVER
1. österr. behördl. konzessioniertes
Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte
WIEN, I., WOLLEILE 11
TELEPHON R-23-0-43
Ausschnitt aus:
A
Der Kaufmann auf der dramatischen Szenen.
In einer der letzten Vollversammlungen des Niederösterrei¬
chischen Gewerbevereines hielt Herr Hermann Röbbeling,
Direktor des Wiener Burgtheaters, einen Vortrag zu obigem
Thema. Der Vortragende geht von Shakespeares „Kaufmann
von Venedig aus, worin in Antonio und Shylock sich zwei
gegensätzliche Typen des Standes gegenüberstehen. Dort ist die
Gestalt des großen Handelsherrn noch ganz individualistisch,
sozusagen romantisch gefaßt, als Träger und Vermittler jener
Werte, die Wohlstand, Besitz und Macht bedeuten. Und die
innerhalb eines Landes oder zwischen Ländern und Völkern
ausgetauscht und gehandelt werden. Dort entwickelt sich die
dichterisch dramatische Beschreibung der Gestalt bei den ver¬
schiedenen europäischen Kulturnationen und zu verschiedenen
Epochen. In Frankreich hat Moliere zuerst im „Bürger als
Edelmann", den Parvenu dieses Kreises geformt und hier
steht auch der Kaufmann im Mittelpunkt der Charakterkomödie
von Moliere an über Balzacs „Mercadet" bis zum Raffe¬
Typ unserer Tage in Mirbeaus „Geschäft ist Geschäft“. Was
haben die deutschen Klassiker von diesem Problem gewußt?
ist der Kaufmann ein
Bei Lessing — im „Nathan
weiser, gütiger Vertreter der Humanität. Goethe hat in seinen
Jugendtagen im „Götz und in den „Geschwistern“ das Kauf¬
mannsproblem leise gestreift und ihm im zweiten Teil des
„Faust" schon eine sehr prophetische, im wahrsten Sinne
des Wortes moderne Wendung gegeben. Und Schiller, nicht we¬
niger vorahnend, wollte ein Seestück schreiben mit dem Kauf¬
mann als dem großen Beherrscher der Welt, der Länder und
der Meere, im Mittelpunkt. So kommen wir allmählig in
die neue Problemgestaltung unserer Tage und da ist es
vor allem mit der Entwicklung des Kapitalismus die soziale
Frage, die hier beherrschend eingreift. Björnson und Ibsen,
die mit Skandinavien die geistige und dichterische Führung
übernehmen, geben bereits diesen neuen Motiven überzeugende
Gestalt, Björnson im zweiten Teil von „Ueber unsere Kraft“,
Ibsen noch stärker in „John Gabriel Borkman", wo er den
großen Finanzabenteurer unserer Zeit erschafft, dessen mär¬
chenhaften Aufstieg und katastrophalen Untergang wir in eini¬
gen Fällen erschüttert miterlebt haben. Die jüngeren Deut¬
schen: Hauptmann, Sudermann, später Wedekind und Georg
Kaiser nach 1918, treten im dichterischen Stil, wie in der
Problemgestaltung in die Spuren der großen Skandinavier
und überholen sie in manchem. In Oesterreich hingegen sehen
wir gleichzeitig eine mehr heitere, mehr spielerische Behand¬
lung des Themas von Bauernfeld und seinen volkstümlichen
Zeitgenossen an über Arthur Schnitzler zu Auernheimer und
anderen Schilderern des Kapitalistisch-kommerziellen Bürger
tums.
Mit einem Ausblick auf die derzeitigen großen Welt¬seinrichter
probleme und Weltsorgen, in denen die Wirtschaftspolitik an sein könnte, vie
sich wie in ihren Vertretern die wichtigste Rolle spielt mit Völkern und z
der Hoffnung, daß der Kaufmann in der Wirklichkeit wie in der Vortrag