VII, Verschiedenes 13, 1934–1935, Seite 58

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13. Mi
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gen großen Welt seiner dichterischen Kennzeichnung auf dem Theater, berufen
Pirtschaftspolitik an sein könnte, viel zur friedlichen Verständigung zwischen den
se Rolle spielt mit Völkern und zum Geiste der Versöhnlichkeit beizutragen, schloß
Wirklichkeit wie in der Vortrag Direktor Röbbelings.
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9.
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AN. 1935

Es war im April 1933, daß das Kesseltreiben wegen des
Wagner=Aufsatzes begonnen hat. Der Aufruf, der in diesem
Thomas Mann und Wagner.
Zusammenhang gegen Thomas Mann verfaßt wurde, trug die
Unterschriften fast aller im Dritten Reich wirkenden Musiker von
Gespräch mit dem Dichter.
Namen und aller großen Organisationen. „Trotzdem fühle ich
Von
mich nicht als Emigrant. Ich besitze keinen Nansen=Paß, wie dies
F. D.
in einigen Zeitungen behauptet wurde. Gleich meiner Frau habe
Seit Thomas Mann zum letztenmal in Wien war, hat ich in Bern einen Personalausweis erhalten, mit dem ich jeder¬
zeit an meinen Wohnsitz Küssnacht bei Zürich zurückkehren kann.
sich viel verändert. Für Mitteleuropa, für seine deutsche Heimat,
für sein privates Geschick. Dieses Schicksal ist bekannt. Der Auch die Visumschwierigkeiten mit Ungarn sind inzwischen be¬
hoben. Der Wagner-Vortrag, der vor ein paar Tagen schon in
Dichter, der in seinem kleinen Hotelzimmer gelassen auf einer
Prag gehalten wurde, wird auch in Budapest wiederholt werden.
Bank sitzt, schaut sich sein Gegenüber prüfend durch die scharfe
Lieber, als von sich selbst, spricht der Dichter von seinen
Brille an, bevor er ihm dieses Schicksal anvertraut, und eigentlich
nur mit ein paar Worten ohne jedes Pathos deutet: „Ich habe Kindern und von Heinrich Mann, dem Bruder, der in Süd¬
frankreich lebt. „In meinen Jahren hat man mehr Freude am
das Gefühl, daß ich nach Deutschland gehöre!
In Deutschland, erklärt der Dichter weiter, sind seine Erfolg der Kinder. Meine Tochter Erika habe ich in Prag ge¬
sehen. Sie gastiert dort mit ihrem literarischen Kabarett „Die
Bücher nicht verboten. Ihre innerdeutsche Verbreitung erfolgt
Pfeffermühle, einer Mischung von Reinheit und Keckheit, die
ohne Schwierigkeit. Es wird auch bald ein neuer Band Essay¬
überall nur sympathische Aufnahme finden kann. In der Schweiz
herauskommen unter dem Titel „Leiden und Größe der Meister"
Dieser Band enthält vei Aufsätze über Goethe, je einen über leben zwei Kinder im Alter von fünfzehn und siebzehn Jahren.
Platen, Theodor Storm, ferner den Reflex einer Reise nach Sie sollen dort ihre Studien vollenden, bevor ich an die Mög¬
Amerika unter dem Titel „Meerfahrt mit Don Quichotte". lichkeit einer Veränderung des Wohnsitzes denken kann.“ In
Schließlich den Wagner=Essay, der heute in Wien als Vortrag Nizza hat Heinrich Mann ein neues Werk fertiggestellt,
„Heinrich IV.“, einen Roman. Es ist vielleicht schöner als alles,
gelesen wird.
was er bisher geschrieben hat, und wird demnächst erscheinen.
Zu den Mißverständnissen, die bedeutenden Menschen stets
Thomas Mann streift sein Verhältnis zur österreichischen
auf den Fersen folgen, gehört die Art, wie man jetzt Richard
Literatur. „Ich komme von einem Mittagessen im Hause Raoul
Wagner und Thomas Mann zusammenzudenken pflegt. „Ich
Auernheimers, die Witwen der Dichter, die mir etwas bedeuten,
habe nie ein Pamphlet gegen Wagner verfaßt. Wagner ist mit
das künstlerische Erlebnis meiner Münchner Jugend gewesen, waren zugegen: Frau Hofmannsthal, Frau Olga Schnitzler,
Frau Wassermann, ebenso Frau Mahler=Werfel und Franz
Ich habe nie eine Aufführung des „Tristan“ im Nationaltheater
Werfel. Seinen Verdi=Roman schätze ich besonders, ebenso die
versäumt. Mein Verhältnis zu Wagner ist in Wirklichkeit ein
sehr leidenschaftliches. Keine naive Verhimmelung. Wagner ist „Geschwister von Neapel.
Das Gespräch kommt auf die künstlerische Form, in der
nur angeschaut mit dem Willen zur Erkenntnis.
Franz Werfel die Antithese zwischen der aristokratisch deutschen
und der demokratisch-südländischen Melodie in geistvoller Deutung
gestaltet hat. Damit ist neuerdings die Frage berührt, die Thomas
Mann zu seinem Vortrag nach Wien geführt und in kunst¬
politische Feindschaft hineingerissen hat. Wir werden am besten
heute aus seinem Vortrag erfahren, was der Dichter in Wahrheit
zu diesem Thema zu sagen hat.