VII, Verschiedenes 13, 1936 undatiert, Seite 13

OBSERVER
Erstes österreichisches be¬
hördlich konzessioniertes
Unternehmen
für Zeitungsausschnitte
WIEN, I.,
Wollzeile 11. Telephon R 23-0-43
Ausschnitt aus
24. N 1630
vom
Der Fischer-Verlag nach Wien übersiedelt
Die heutige „Wiener=Zeitung" bringt die
Dr. Bermann-Fischer hat seine Verlags¬
Protokollierung eines neuen Verlages, des
tätigkeit bereits begonnen und ist daran, ein
„Bermann-Fischer Verlags Ge= ausgedehntes literarisches Programm zu ver¬
sellschaft m. b. H.
wirklichen. Eine der ersten Erscheinungen des
Damit wird die von uns schon vor län¬
neuen Wiener Verlages wird die Festrede
gerer Zeit gemeldete teilweise Übersiedlung
sein, die Thomas Mann vor einigen Wochen
des bekannten Fischer=Verlages aus Berlin
in Wien zu Ehren des 80 Jahre alt gewor¬
nach Wien Wirklichkeit. Der Leiter des Ver¬
denen Professors Siegmund Freud hielt
lages ist Dr. Gottfried Bermann, der im Herbst erscheint dann der dritte Band
Schwiegersohn des vor einiger Zeit verstor= des Romanzyklus „Joseph in Agypten“ von
benen Gründers des Berliner S. Fischer¬
Thomas Mann, dem möglicherweise noch ein
Verlages. Er hat das von seinem Schwieger¬
vierter Band folgen wird. Der Verlag wird
vater übernommene Unternehmen nun in aber auch junge, vorläufig unbekannte
Berlin verkauft und wird mit einer Reihe
Schriftsteller und ausländische Dichter pfle¬
von Autoren von jetzt an in Wien arbeiten.
Der alte S. Fischer=Verlag hat bekanntlich in
gen. So bringt er zum Beispiel die im Laufe
der modernen deutschen Literatur eine ent¬
der kommenden Saison im Theater in der
scheidende Rolle gespielt. Es seien nur aus
Josefstadt zur deutschen Uraufführung ge¬
der Fülle der Verlagsautoren die Namen
langende Komödie „Der Trojanische Krieg
Thomas Mann, Gerhard Hauptmann,
findet nicht statt..." von Jean Girau¬
Artur Schnitzler usw. erwähnt.
doux in Buchform heraus.

Nr. 39 & 28. Juni 1926
ZUKUNT
Klingt harmlos. Und doch meint es nichts anderes als die (im
selben Blatt bezahlte) Preisgabe zweier fescher, kultivierter
lebenslustiger Vierzigerinnen“, die jüd. Gentlemen als Freunde
OBSERVER
suchen“, „Chiffre materiell desinteressiert. Hauptpostlagernd ge¬
gen Schein.“ Indessen, das tut sich in Prag. Weht im Wiener
Erstes österreichisches be¬
Blätterwald reinere Luft? Kaum. Da gibt es dunkle Winkel, in
hördlich konzessioniertes
die kein Kulturwärter die Nase steckt. Wie wäre es sonst mög¬
Unternehmen
lich, daß folgendes inseriert wird:
für Zeitungsausschnitte
Distinguierter Gentleman, 40 Jahre alt, ledig, gutsituiert,
WIEN, I.,
sucht auf diesem Wege wirklich schöne, große, fabelhaft ge¬
Wollzeile 11. Telephon R 23-0-43
pflegte, gesunde jüdische Dame im Alter von 25 bis 30 Jahren,
Rubensfigur bevorzugt, als Freundin ehrbar kennen zu lernen.
Zuschriften unter Rubens-Dauerfreundschaft
Oder daß dieselbe Inseratenplantage mit folgendem Markt¬
Ausschnitt aus der Zukunft Me¬
schrei lebendige Ware zum Angebot locken darf
Als erster Freund Deines Lebens will ich Du, hübsches,
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gut erzogenes, fesches Mädel von 18 bis 22 Jahren — auch arm -
vom
im Auto Italiens Schönheit zeigen. Drei Märchenwochen wie im
Film und später liebevolle Kameradschaft verspricht seriöser
eleganter Dreißiger. Sofortige ausführliche Zuschrift mit voller
Liebesmarkt mit polizeilicher Genehmigung.
Adresse und letztem Lichtbild unter.
Die „Kultur“ bekämpft in Genf zwar den Mädchenhandel,
Das ist die noch dazu fettgedruckte Anatol-Poesie jener Frei¬
befördert ihn aber, wenn er „auf dem nicht mehr ungewöhnlichen
beuter des Eros, die sich tagsüber als Verkaufskanonen, Textil¬
Wege“ des Inserats seine Opfer sucht. Es ist also verboten, jung¬
reisende oder sonstwie händlerisch der bürgerlichen Gesellschaft
Tänzerinnen nach Rio de Janeiro zu locken und sie dann ins
nützlich machen, um das anständig erworbene Geld für Italien¬
Freudenhaus zu sperren; es ist aber in einzelnen Ländern erlaubt,
reisen in „liebevoller Kameradschaft“ unanständig zu verjubeln.
daß die Presse sich als Vermittlerin auf dem Liebesmarkt be¬
Ja, unanständig; denn der Preis, den dieser Liebeshändler ver
tätigt und unter „Vermischtes“ im Anzeigenteil folgenden Rei¬
langt, ist nicht gering: er will der erste Freund Deines Le¬
gen (schlimmer als der Arthur Schnitzlers) aufführen läßt:
bens sein. Läßt sich die Säuberung des Inseratenteils gewisser
Bin Jude, 31 Jahre alt, suche Skikameradin. Antworten
Blätter nicht durchsetzen?
unter „Nicht groß“ hauptpostlagernd gegen Schein.