VII, Verschiedenes 13, 1936 undatiert, Seite 22

Staat dennoch eine Weltproduktion schaffen
konnte: Das erste ist, daß unser Vaterland
ein Teil des großen deutschen Sprachgebie¬
tes ist und dadurch des Vorteiles eines
großen, einheitlichen Sprachraumes, der
sonst nur den großen Filmmächten zu Ge¬
bote steht, teilhaftig wird. Das zweite Mo¬
ment: Der Österreicher, der auf eine viel¬
hundertjährige Theatertradition zurückblickt,
hat Theaterblut. Diese Begabung kommt auch
dem Film zugute. Unser Vaterland hat al¬
lein durch seine Künstler großen Anteil an
der Weltfilmproduktion. So hat kürzlich
eine reichsdeutsche Zeitung die 24 besten
Darsteller des deutschsprachigen Films zu¬
sammengestellt, darunter befanden sich acht
Österreicher, also ein Drittel. Auch in Eng¬
land und Amerika trifft man überraschend
viel Filmschaffende, die entweder österrei¬
chischer Herkunft sind oder zumindest durch
die österreichische Schule gegangen sind.
Der österreichische Film ist noch jun¬
Daß er heute eine wirtschaftl. und kulturelle
Bedeutung erlangt hat, beruht einfach auf
der glücklichen Tatsache, daß die ersten
Filme, die Österreich in die Welt geschickt
hat, gut waren und sich mit einem Schlag
ihre Sympathie eroberten.
Die österreichische Filmproduktion, die
etwa 20 bis 25 Prozent der deutschsprachi¬
gen bestreitet, hat in ihren Stoffen und
ihren Arten einen großen Spielraum.
Ich möchte vier große Gruppen
herausgreifen: Die eine, die wir unter
dem Schlagwort „Wiener Impressionis¬
mus“ zusammenfassen können, wird gekenn¬
zeichnet durch die Filme „Maskerade“ und
„Episode". Es gehören dazu „Hohe Schule",
„Vorstadtvarieté“, Letzte Liebe" und „Ma¬
ria Baschkirtseff“. Ihnen allen ist gemein¬
sam der rückwärtsgewandte Blick, das
Wurzeln in der angekränkelten Atmosphäre
der Vergangenheit, mit der nicht kritisch
abgerechnet, sondern die mit einer gewissen
wehmütigen Liebe verkörpert wird. Es ist
Schnitzlersche Luft, die in diesen Filmen
weht, ob sie nun die Skandalgeschichte eines
Aktbildes („Maskerade") oder das Märchen
von der platonischen Freundschaft des
Kunstmädens („Episode"), ob sie die Tra¬
gik eines überlebten Ehrenkoder („Hohe
Schule") oder die Verderbtheit des Wiener
Pratersängertums („Vorstadtvariete
Schicksalen werden lassen.
Als zweite Gruppe möchte ich jene
Filme nennen, die bestimmt sind, bewußt
einen Werbezweck für Österreich zu erfüllen.
Der österreichische Staat stellt mit Aus¬
nahme der Regelung von Wochenschau und
Kurzfilm keine öffentlichen Mittel für die
Filmherstellung zur Verfügung. Hierher
gehören u. a. „Das weiße Rößl“ und
„Singende Jugend“. Der Vorzug dieser
Filme ist ihr Zweck und ihre volkstümliche
Haltung, ein empfindlicher Mangel die
unechte, operettenhafte Zeichnung österrei¬
chischer Volkssitten.
Die dritte Gruppe, charakterisiert durch
Titel wie „Fahrt in die Jugend, „Him¬
mel auf Erden, „Wer zuletzt küßt...
umfaßt das Gros der Durchschnittsunter¬
haltung, wie es jede Produktion besitzt und
vielfach auch nach dem gleichen Schema
herstellt.
Die vierte Gruppe umfaßt schließlich
den gepflegten österreichischen Unterhal¬
tungsfilm, als dessen Repräsentant etwa
„Leuchter des Kaisers“ genannt sei.
Es ist hier der Ort, weltanschaulich kriti¬
sche Worte zur österreichischen Filmproduk¬
tion zu sagen. Wir wissen, daß in diesen
Filmen nur ein Bruchteil von Österreicher¬
tum lebt, jener, der am intern, ist und
die eigentümlichsten Vorzüge unseres Volks¬
stammes nur durch eine dicke Firnisschicht
gerade noch ahnen läßt. Auch vom christ¬
lichen Standpunkt bleibt trotz des oft außer¬
ordentlichen Kunstwertes, der unseren
guten Filmen zweifellos zukommt, ein bit¬
terer Rest offen: Das Weltbild dieser Filme

Roulette
Österreichische Casino A.
Wien III, Schwarzenbergplatz 5a
„OBSERVER
1. österr. behördlich konzessioniertes
Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte
Wien 1, Wollzeile 11, Telephon R-23-0-43
S. VIII. 1938
Der Prager illustrierte Montag.
Picks Hutmuseum wird versteigert
Wien. In Wien gibt es ein originelles Hut¬
museum, dessen Besitzer der Oberlandesgerichts¬
rat a. D. Alfred Pick ist. Wie wir hören, wird
en demnächst versteigert worden.
Der Oberlandesgerichtsrat a. D. Dr. Alfred
Pick, der Sohn des Komponisten des Fla¬
kerliedes besitzt in seiner umfangreichen
Sammlung über Alt-Wien eine eigene Vitrine
für Hüte. Als vor etwa 45 Jahren im Café
Laferi der Baron-Jean, einer der ur¬
wüchsigsten Heurigensänger, mit einem Un¬
bekannten wettete, in einer halben Stunde
dreissig Gläser Schnaps auszutrinken, was
ihm auch gelang, wollte Dr. P. ein Andenken
an dieses historische Ereignis haben und
bat sich den Hut vom Baron-Jean aus, indem
er ihm dafür den seinen gab. Mit diesem
ersten Hut begann die Sammlung, eine regel¬
rechte Hutparade aus dem vorigen Jahrhun-
dert; neben dem kleinen braunen Hütchen
Karl Blasels liegt der Stösser des Fürsten
Trautmannsdorff, daneben der be¬
rühmte Strohhut Alexander Girardis, den
er im Armen Jonathan getragen hatte und
der sozusagen eine kleine Revolution in der
Herrenmode hervorgerufen hatte. Auch andere
Bühnenhüte finden wir da: einen grauen Flor¬
hut der Stella Hohenfels, einen Hut, mit
dem Hugo Thimig über 50mal in den
Wilddieben aufgetreten ist. Ferner der Hut
der Kaiserin Elisabeth — ein Modell zu
ihren Reithüten, Arthur Schnitzlers
weichkrempiger grauer Schlapphut, der Zy
linder des Heurigensängers Guschel¬
bauer, der Geheimratshut des Philantropen
Graf Wilczek, gleich daneben der letzte
schwarze Kämmererhut, der in Altösterreich
verfertigt wurde, und seinem Enkel, dem Gra¬
fen Karl Wilczek gehörte. In treuer Eintracht
finden wir die Kopfbedeckungen zweier gros¬
ser Gegner: den Zylinder des Bürgermeisters
Lueger neben dem dunklen Barett des
Rabbiners Güdemann.