VII, Verschiedenes 13, 1936 undatiert, Seite 23

13.
Miscellaneous
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OBSERER
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WIEN, I., WOLLEILE 11

Ausschnitt aus: „NEUES WIENER JOURNAL


93
vom
SEP.

Das Land, in dem Beethoven
getraumt hat.
Unterrichtsminister Zay auf dem Theaterkongreß.
Der gestrige letzte Kongreßtag brachte noch eine Reihe
hochinteressanter Referate. So hielt Direktor Professor
Röbbeling einen Vortrag über das Theater als völker¬
verbindenden Faktor.
Die Rede des Ministers.
Dann ergriff der französische Unterrichtsminister Jean
Zay das Wort und gedachte vor allem des französisch¬
österreichischen Kulturabkommens. Dann feierte er als Franzose
den guten Geschmack und die Leichtigkeit, die man als gemeinsame
Züge Paris und Wien zuzuerkennen liebt. „Das Theater und
die Organisation des Theaters in unserem Lande", führte
Minister Zay aus, „gehört zu den ersten Gegenständen, denen
unsere Regierung ihre Sorgfalt zuwenden zu sollen geglaubt
hat, insbesondere jene vier Bühnen, die vom französischen Staat
subventioniert sind und deren Ruf sich auf verehrungswürdige
Traditionen gründet. Wir tragen in uns, wenn wir zur Welt
kommen, einige vertraute Verse von Corneille, von Viktor Hugo,
von Racine und Musset. Ich bin damit beschäftigt, unsere
offiziellen Theater zu verjüngen und sie den neuen Bedingungen
der dramatischen und musikalischen Kunst anzupassen. Der
Minister versprach dann, nach seiner Rückkehr nach Paris die
Frage der Steuern einer Prüfung zu unterziehen und eine
Reform des Urheberrechtes durchzuführen. Nach einem noch¬
maligen lobenden Hinweis auf das französisch=österreichische
Kulturabkommen pries Unterrichtsminister Zay Oesterreich als
das Vaterland Grillparzers, Schnitzlers und Hofmannsthals,
als ein wunderbares Land, in dem Beethoven geträumt und
Schubert das Licht der Welt erblickt hat. Der Kongreß und die
Feste sind ihm der Beweis und Garantie dafür, daß alle Völker
der Welt dahin gelangen können, die gleiche Sprache zu sprechen.
In der Nachmittagssitzung kündigte Vizepräsident Henri
Clerc als Sitz des nächsten Theaterkongresses im Jahre 1937
Paris an.
Der Bundesminister für Unterricht gab gestern zu Ehren
des französischen Unterrichtsministers Jean Zay in den Räumen
des Bundesministeriums für Unterricht ein Frühstück.




OBSERVER
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Zeitungs-Ausschnitte
WIEN, I., WOLLEILE 11

Ausschnitt aus:
Wien
9. SEP. 1936
vom
Epilog zum Theater¬
kongreß
Der neunte Internationale Theater¬
kongreß, der bis gestern in Wien tagte, ist
zu Ende. Die Bilanz, die heute zu ziehen
wäre, kann nur eine vorläufige sein. Die
wahren Auswirkungen und Früchte einer
solchen Veranstaltung muß erst die Zukunft
bringen, sie müssen langsam reifen, man
möchte fast sagen: kaum merklich.
Denn was ist denn der Sinn dieser Kon¬
gresse? Nicht zuletzt ihre Mehrzahl. Die stän¬
dige Fühlungnahme der führenden Theater¬
persönlichkeiten aller Länder, der ständige
Austausch der Gedanken, Pläne und Erfah¬
rungen, die immer wieder erneuerte beson¬
dere Festlichkeit, die das Theaterereignis
umgibt und das Theater zum Ereignis macht.
Jeweils in anderen Städten, aber gerade so
durch den Kranz der Theaterfestlichkeiten die
Weltstädte umschlingend und vereinigend.
Was in den Vorträgen der Delegierten
zum Ausdruck kam — es ist nur ein Teil,
gewissermaßen der sicht lar programmatische,
des Kongresses. Ein wichtiger Teil, gewiß,
denn es ist immer wichtig, wenn in klarer
Formulierung die Erkenntnis auch gesagt
wird, daß die Keime und Triebkräfte des
Theaters, trotz aller notwendigen natio¬
nalen Varianten, doch eine gemeinsame
Angelegenheit der Menschen sind, Kräfte die
an den gleichen Ursachen erkranken und ge¬
nesen, die man aber deswegen auch besonders
pflegen soll, weil sie, im überzeugend
Gefühlmäßigen wurzelnd, ein inniges Band
der Völkereinigung sind — oder doch sein
könnten. Gerade in der gestrigen Rede des
französischen Unterrichtsministers Jean Zay
wurde dies deutlich — denn kein Oesterrei¬
cher hätte sein eigenes Wesen schöner und
treffender formulieren können als dieser
Franzose, wenn er, von Grillparzer, Schnitz¬
ler und Hofmannsthal ausgehend, erklärte:
„Wir befinden uns hier in dem einzig¬
artigen Klima, in dem einige der wunder¬
barsten Lieder der menschlichen Seele ent¬
standen sind, und das, was wir gerade be¬
wundern, ist, daß diese Lieder, oft schmerz¬
list, sich von einer, ich weiß nicht, welcher,
Leichtigkeit zu begleiten wissen, die nicht Sorg¬
losigkeit ist, sondern eine bewunderswerte
und leichte Art, den Schmerz zu über¬
winden...
Aber der zweite, nicht minder wichtige
Teil des Kongresses ist weniger programma¬