VII, Verschiedenes 13, 1936 undatiert, Seite 26

13.
ses
box 4479
Ausschnitt aus:
Der Morgen, Wien
vom
5. Okt. 1935
L. U.
Zweimal Ehekomödie
In der Oscar=Wilde Aufführung des
Deutschen Volkstheaters („Der ideale
Gatte“) entfalten die Toiletteneinfälle bei¬
nahe den stilvollsten Esprit. Denn die
Aphorismengala der Komödie schien emp¬
findlich beschnitten und auf „Theaterwir¬
kung" zurecht gerückt. Der gewiß wohlmei¬
nende Irrtum des neuerdings vielbe¬
nützten Wilde Bearbeiters Carl Lerbs ist
der Verzicht auf den parodistischen Grund¬
CASINOS IN OSTERREICH
charakter dieser antigesellschaftlichen Stücke
Baden / Salzburg / Semmering
des großen Dichters der wohlerzogensten
Roulette — Baccara — Chemin de fer
Ironie. Wildes satirischer Feldzug galt
nämlich weniger der Gesellschaft, als dem
österreichische Casino A. G.
Theater, dem diese Gesellschaft zujubelte
Wien III, Schwarzenbergplatz 5a
und der Bühnenerfolg seiner Lustspiele
wurde zum Ergötzen des scharmant bissigen
S
Oscar ein großes Mißverständnis. Das
„OBSERVER
sich, wie man sieht, bis zum Premierentag
I. österr. behördlich konzessioniertes
von heute erhalten hat. Denn man spielt
Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte
noch immer und seit Carl Lerbs geradezu
Wien 1, Wollzeile 11, Telephon R-23-0-43
justament diese so glitzernd kühlen Ausge¬
lassenheiten als ernsthafte und witzigerühr¬
same Theaterhandlungen herunter. Wildes
Absicht aber war, zu zeigen, daß auch ein
Ausschnitt aus:
wirklicher Dichter das Publikum in die
Gartenlaube führen könne, mit ebensoviel
Der Morgen, Wien
Tücke wie Gerissenheit.
Das vorausgesetzt sei anerkannt, daß
140
Oscar Karlweis ein mitunter entzückend
vom
reservierter Lord Goring ist, mit mehr
Geschmack als Schmiß knallenderen Sze¬
nenwirkungen ausweichend, aber im gan¬
zen doch eher eine Lordschaft aus dem
Hietzinger Cottage. Und daß Margit Weiler
mit kluge und warmer Anmut „dämoni¬
Versteigerung der Bibliothek Wassermanns
sche Konversation macht, die Möglich¬
un
keiten großer Gestaltung (in echteren Rol¬
len) andeutend... Schauspielerisch am
Samstag wurde in Aussee, in der Villa des Schriftstellers Jakob Wasser¬
freiesten und köstlichsten wirkten übrigens
mann, auf Betreiben der Steuerbehörde Steinach-Irding die Bi¬
Frau Terwin und Herr Wallburg, die
bliothek des verstorbenen Schriftstellers versteigert. Zu den Prachtstücken
beide, an keinen Stil gebunden, prachtvolle
der 3000 Bände umfassenden Bibliothek zählt vor allem eine 71bändige Voltaire¬
Humorentladungen boten. Sehr ergreifend
Ausgabe aus dem 18. Jahrhundert, eine große Balzac=Ausgabe und zahlreiche über¬
Vilma Degischers unerbittlich liebende
aus interessante Reiseliteratur, die wohl als Quellenwerke zu seinem „Columbus"
Gattin, in Gefühl und Haltung weit über
dienten. Weiters befinden sich in der Bibliothek zahlreiche Widmungsexemplare be¬
den Anlaß hinaus. Reizend Gusti Huber,
freundeter Schriftsteller, wie Hofmannsthals und Schnitzlers.
die freilich mehr Schnitzler als Wilde
spielt. Die Regie Herrn Chmelnitzkys tu¬
an Gepflegtheit und Gedämpftheit ihr
Bestes. Aber Salonatmosphäre von künst¬
lerischer Genauigkeit läßt sich nicht aus dem
Armel schütteln, noch dazu, wenn der Text
der eines Dichters, zudem — von Ge¬
danken und Gedankensplittern so sorgsam
befreit wird.