VII, Verschiedenes 13, 1936 undatiert, Seite 33

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Ausschnitt aus
vom
3.
Der Tiroler Franz Hochegger, ein österreichischer
Schulmann.
Das Akademische Gymnasium in Wien beging in diesen
Tagen eine Festfeier mit der Enthüllung einer Helden¬
gedenktafel für gefallene Lehrer und Schüler und verband da¬
mit eine Feier zur Erinnerung an den 70jährigen Bestand des
jetzigen Anstaltsgebäudes. Das Aufblühen dieser Schule ist un¬
auflöslich verbunden mit dem Namen eines Tirolers, des
Regierungsrates Dr. Franz Hochegger.
Das „Akademische“ ist das älteste Gymnasium Oesterreichs,
seine allerersten Anfänge können bis in die erste Hälfte des
13. Jahrhunderts zurückverfolgt werden. Bis zum Jahre 1866
befand es sich, in den Räumen äußerst eingeschränkt, auf dem
Universitätsplatz in der Inneren Stadt. Der zähen Tatkraft
seines damaligen Direktors Hochegger war es zu danken, daß
durch die Förderung des Kaisers Franz Josef und des Mini¬
steriums Schmerling die Schule ein neues Heim bekam.
Am 18. Oktober 1866 wurde der gotische Prunkbau, ein Werk
des Dombaumeisters Friedrich Schmidt, auf den damaligen
Stadterweiterungsgründen am Wienfluß eingeweiht. Unüber¬
sehbar sind die Namen bedeutender Männer, die aus der An¬
stalt hervorgegangen sind. Um nur einige zu nennen: Castelli,
Bauernfeld, J. G. Seidl, Nestroy, Schubert, Hellmesberger;
Exner, Hyrtl, Unger, Schmerling, Taaffe, Redlich, Michael
Hainisch, Masary; Scherer, Hauer, Escherich, Zumbusch; Hof¬
mannsthal, Schnitzler und der Nobelpreisträger Schrödinger.
Bedeutende Lehrer waren an der Anstalt tätig, hervorragende
Schulmänner sind aus ihr hervorgegangen. Auf die Entwick¬
lung dieser berühmten Schule hat Hochegger als Direktor
durch viele Jahre bestimmenden Einfluß geübt.
Franz Hochegger entstammte einer alten Bürgersfamilie
in Innsbruck, wo er am 4. Oktober 1815 in der Maria¬
Theresien-Straße zur Welt kam, in dem Hause, dass im Jahre
1934 abgerissen wurde und dem Umbau für den Sparkassen¬
durchgang Platz gemacht hat. Nachdem er in seiner Vaterstadt
das Gymnasium und den philosophischen Kurs beendet hatte,
begann er an der Innsbrucker Universität Sprachen und Lite¬
ratur zu studieren, ging dann aber nach Wien. Bei der Aus¬
sichtslosigkeit, damals im Lehramte unterzukommen, widmete
er sich zwei Jahre der Heilkunde und darauf zwei Jahre dem
Rechtsstudium, ohne jedoch Geschmack daran zu finden. Seine
Neigung zog ihn unwiderstehlich zu den Sprachen. Mühelos
erlernte er Französisch und Italienisch, trieb Englisch und
Spanisch; auch die deutsche Literatur fesselte ihn, doch seine
dauernde Liebe galt den klassischen Sprachen, vor allem dem
Latein.
Die gewaltige Umwälzung, die das Jahr 1848 im öster¬
reichischen Unterrichtswesen auslöste, brachte ihn dann doch ins
Lehramt; er kam 1850 als Supplent an das Josefstädter Gym¬
nasium in Wien, legte hierauf die Lehramtsprüfung ab und
wurde auch Privatdozent an der Universität. Bereits 1852 ging
er als wirklicher Lehrer nach Preßburg, kam aber schon
das Jahr darauf an das Theresianum nach Wien zurück.
1856 erhielt er eine Professur an der Universität in Pavia,
von der ihn aber 1859 der Krieg vertrieb. Er erhielt darauf
die Lehrkanzel für klassische Philologie an der Prager Univer¬
sität, folgte jedoch schon nach einem Jahr dem Wunsche der
österreichischen Regierung, die Leitung des Akademi¬
chen Gymnasiums in Wien zu übernehmen.
Damit hatte Hochegger das richtige Betätigungsfeld für seine
unermüdliche Schaffenskraft gefunden. Er war ein eifriger
Verfechter des Wertes der klassischen Sprachen und ihrer Stel¬
lung im Unterrichte. Er erwies sich als aufrechter deutscher
Mann und war vor allem ein warmer Förderer und Freund
der ihm anvertrauten Lehrer und Schüler, die bereits 1867
ihm den Dank dafür sichtbar zum Ausdruck brachten, indem
sie sein Bild neben dem des ebenso berühmten Schulmannes
Karl Enk von der Burg feierlich in der Anstalt enthüllten.
Er veröffentlichte zahlreiche wissenschaftliche Arbeiten, war
Schriftleiter der „Zeitschrift für die österreichischen Gymnasien"
Mitherausgeber des grundlegenden Werkes „Die Fortschritte
des Unterrichtswesens in den Kulturstaaten Europas" und rief
1860 den Verein „Mittelschule" ins Leben.
Der Festsaal seiner Anstalt sah aber auch künstlerische Ver¬
anstaltungen. Hochegger, der sich in seinen Mußestunden als
Tondichter mit Erfolg versuchte, schuf aus seinen Schülern
einen prächtigen Chor. Die Wiener Singakademie gab dort
unter Rudolf Weinwurm wiederholt ihre Konzerte, Wil¬
helm Jordantrug seine „Nibelungen“ vor, der Shakespeare¬
vorleser Rudolf Genée, Karl Vogt u. v. a. hielten dort
Vorträge.
Schließlich darf auch die dichterische Begabung Hoch¬
eggers nicht vergessen werden. Adolf Pichler, der als Stu¬
dent in Wien viel mit ihm verkehrte, brachte schon ein Gedicht
in den „Frühliedern aus Tirol“. Hochegger versuchte sich aber
auch auf dem Gebiete des Dramas, doch nur ein Schauspiel,
„Suleika" (1845) übergab er der Oeffentlichkeit, in dem
er, beeinflußt durch die Romantik, die alte Sage des Grafen
von Gleichen behandelt.
Die aufreibende Tätigkeit des körperlich kräftigen Mannes
hatte ein Gehirnleiden zur Folge, dem leider eine Urlaubsreise
nach Italien nicht die erhoffte Heilung brachte, sondern dem er
in der Nacht des 27. September 1875 zu Hall in Tirol erlag.
Von seinen vier Kindern lebt heute noch seine einzige Tochter
Virginia hochbetagt in Innsbruck als die Witwe des Uni¬
versitätsprofessors Dr. Karl Brunner.
Dr. Hans Lederer.