VII, Verschiedenes 13, 1936 undatiert, Seite 45

13.
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Romain.
Wenn ihn ein Blick vom Büffet her traf, lächelte er so
leise und schüchtern, daß Niemand es zu merken vermochte.
Und in der That, Niemand wußte, wie gute Kameraden sie
waren — Niemand wußte, was die Weihnacht ihm bescheert hatte.
Das kleine Mädchen.
Man trifft das kleine Mädchen Abends um neun an der
Potsdamer Brücke; vorher hat man sie hinbestellt.
Oder in
Wilmersdorf; auch im Winter. Oder Sommers in Halensee,
wenn getanzt wird. Oder an jedem Donnerstag in der schön
gebohnten Victoriabrauerei. Oder am einfachsten: auf der
Straße; wenn sie von der Arbeit kommt. Wenn sie zu Ende
geplättet hat, wenn sie zu Ende genäht hat, wenn sie zu Ende
verkauft hat, wenn sie zu Ende probirt hat. Nach einer Weile
kommt man mit dem kleinen Mädchen öfter zusammen. Nach
einer Weile regelmäßig vier Mal Abends in der Woche. Nach
einer Weile ist man untrennbar mit ihr verknüpft. Nach einer
Weile trennt man sich doch von ihr; Zahnschmerzen der Seele
treten vorübergehend ein; sie schweigen bald.
Zuweilen
schießt einen das kleine Mädchen todt. Aber das thun nur die
rüdigen; in besonderen Fällen, wo besondere Liebesleute gepaart
sind, etwa ein Schwächling und ein wüstes Frauenzimmer, ein
cochon triste und ein cochon furieux.
Aber, kleines Mädchen, laß Dich nicht verleumden durch
solche schlimmen Gerichtsverhandlungen. Du bleibst eine Poesie
im Weltstadtrummel. Du bist nicht immer eine Dirne, wenn
Du auch Deinen jungen Körper dem liebsten Fritz nicht versagst.
Du bist eine wildwachsende Blume in einer schaudervoll zweck¬
mäßigen Ackerfurche. Du weißt, daß Du nach einiger Zeit
zertrampelt wirst, aber Du schenkt dennoch Deinen Duft.
Und darum, kleines Mädchen, haben die Dichter Dich
belohnt. In der modernen Zeit dichten Sie nicht bloß erhabene
Oden an Fanny und besoffene Sonette an Laura, sondern
sie ziehen in ihren Zauberkreis die Else und die Miete und
auch Dich, liebe Hete. Und alle Eure traurig lustigen
Freundinnen.
Kleines Mädchen, ein alter Herr hat Dich ganz unsterblich
gemacht. Es war der Herr Theodor Fontane, der von Lene
erzählt hat. Er warnte freilich in seinem naiven Konservatismus:
nicht das Herz hineinziehen lassen! So lange das Herz nicht
hineingezogen wird, so lange kann es ohne Unglück abgehen.
Wird der empfindsame „Mittelkurs" eingeschlagen, wie zwischen
Botho und Lene, so kann das Leben beider Aermsten eine
Trübung empfangen, und eine einzige Irrung solcher
Art zieht ewige Wirrungen nach sich.
Ja — „vieles
ist erlaubt, nur nicht das, was die Seele trifft, nur nicht
Herzen hineinziehen." Der Herr Theodor Fontane behandelt
Dich ein bischen wie eine Sache, was? Es scheint nur so. Er
hat ja die Lene doch geschaffen, das herrlichste aller kleinen
„Mädchen, und um ihr feines, gesenktes Haupt fluthet seine ganze
Karlchen Bleibtren gezeichnet hat, der Dichter der „Schlach
Gesellschaft“: die Kellnerinnen? Sei nicht so böse! Ich
sie ja auch nicht leiden. Aber die modernen Dichter behan¬
daß Du auch hier manche gute Kollegin haft. Auch sie
zur leidenschaftlich begehrten Liebespenderin, zur Göttin, die
junges Leben beglücken oder vernichten kann. Sie wird
letzten Gefährtin galgenhumoristischer Känze, die
frühen Dasein Schiffbruch gelitten
die von
geistigen Gebieten und aus bürgerlichen Kämpfen
diesen trostvollen Dunstkreis betäubender Erotik flüchteten.
weil die Unanständigkeit dieser Mädchen nicht offiziell, weil
nicht gesetzlich konstatirt ist, weil sie immerhin erobert
wollen und Geldopfer zwar nicht verschmähen, aber auch
ohne Weiteres für Geld zu haben sind, weil sie nicht V
gehören, sondern oft einem Einzigen peinlich treu sind, wei
in der Mitte stehen zwischen selbstloser Liebeswahl und
werbsmäßiger Gemeinheit, weil ihnen diese mystische Zwi¬
Magazin

Wäsche¬
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