VII, Verschiedenes 13, 1936 undatiert, Seite 54

Theatererinnerungen zum besten gibt. Alexander Jaray ent¬
stammt einer altangesehenen Wiener Architektenfamilie, so daß
es nur zu begreiflich erscheint, daß sein Vater den Wunsch hegte,
den Sohn als Mitarbeiter in der Firma zu wissen. Dieser sagte,
um seinem alten Herrn nicht die Freude zu verderben, bereit¬
willigst zu dessen Vorschlägen ja, erbat sich aber die väterliche
Zustimmung zu der Fortsetzung seiner Studien bei Zumbusch
und Hellmer, die dem begabten Schüler ein überaus günstiges
Prognostikon für seine weitere künstlerische Laufbahn gestell
hatten.
Doch zwei Seelen wohnten in der Brust des jungen Bild¬
hauers, in der die Liebe zur bildenden Kunst mit seiner Sehn¬
sucht nach einer erfolgreichen Bühnenkarriere einen gewaltigen
Kampf ausfocht, der schließlich mit einem Besuch endigte, den
Jaray dem seinerzeit sehr bekannten dramatischen Lehrer Pro¬
fessor Leo Friedrich abstattete, um sich bei diesem hervorragenden
Fachmann ein ungeschminktes Urteil über seine Eignung zum
Schauspieler einzuholen. Leo Friedrich, der es mit seinem Lehr¬
amt sehr genau nahm, riet Jaray, auf alle Fälle bei ihm Unter¬
richt zu nehmen, da er in dem jungen Manne den gewissen
Geniefunken entdeckt zu haben glaubte, der für die Zukunft das
Allerbeste erwarten ließ.
Siebzehn Jahre Bühnenlaufbahn.
Nach einigen Monaten eifrigen Studiums, von dem der
Herr Papa allerdings nichts wissen durfte, hatte Jaray einen
Vertrag zu Siegmund Lautenburg nach Berlin in der Tasche,
wo er als Antrittsrolle den Kalb in „Kabale und Liebe zu
spielen bekam, obwohl er insgeheim gehofft hatte, bei seinem
ersten Auftreten den Ferdinand spielen zu dürfen. Siebzehn
Jahre hindurch war rey mit kleinen Unterbrechungen in
Berlin tätig, beschäftigte sich aber nach wie vor in seinen Muße¬
stunden mit der Bildhauerei. Zu seinem Erstaunen erhielt er
eines Tages die Nachricht, daß ihm für die Statue einer
Somnambule der Rompreis zugesprochen worden sei, ein Um¬
stand, der ihn bewog, dem Theater vorläufig Valet zu sagen,
um sich ausschließlich als bildender Künstler zu betätigen.
Von ihm stammt das bekannte Denkmal des berühmten
Schauspielers Josef Kainz, das sich heute auf dem nach ihm be¬
nannten Kainz=Platz unweit des Türkenschanzparks erhebt. Es
ist dies das erste Monument eines darstellenden Künstlers, das
auf einem öffentlichen Platz zur Aufstellung gelangte. Da aber
die Katze bekanntlich das Mausen nicht lassen kann, führte Jaray
zeitweilig das „Theater der Fünfhundert“ an der Neuen Wiener
Bühne und später im Volksbildungshaus „Faust" und „Hamlet
als Kammerspiele auf. Es ist daher leicht begreiflich, daß sich
seine bildhauerische Tätigkeit in erster Linie auf die Herstellung
von Büsten prominenter Schauspieler richtet.
Schauspielerbüsten.
Wir sehen in seinem Atelier den bekannten Kopf Max
Reinhardts, dem Jaray in Berlin bei dessen direktoralen An¬
fängen als künstlerischer Beirat zur Seite gestanden
Alexander Moissi und wieder Josef Kainz sind durch ausgezeich¬
nete Porträtbüsten vertreten. Wundervoll ist der Kopf Artur
Schnitzlers herausgearbeitet, sehr interessant eine Porträtbüste
Max Liedermanns, der noch als Zweiundachtziger dem Bildhauer
einige Sitzungen gewährt hat. Der verstorbene Altbundeskanzler
Seipel und General der Infanterie Minister a. D. Karl Vaugoin
haben durch den Meißel Jarays eine besonders liebevolle und
künstlerische Ausführung gefunden.
Vortrefflich ist ihm auch die Büste des bekannten Literatur¬
historiker Hofrat Glossy gelungen, dessen durchgeistigte Züge der
Künstler mit feinstem Verständnis zum Ausdruck brachte. Ganz
reizend ist der Entwurf zu einem Denkmal Peter Altenbergs, das
im Volksgarten zur Aufstellung gelangen soll, unter der Voraus¬
setzung, daß die Freunde des verstorbenen Dichters die hiezu not¬
wendigen Geldmittel aufbringen.
Das Liszt=Denkmal.
Als Pièce de résistance muß jedoch das Modell des Denk¬
mals des berühmten Komponisten und Klaviervirtuosen Fran¬
Liszt bezeichnet werden, das nunmehr in Eisenstadt zur Auf- spielers Hans Jaray, eines Neffen des Künstlers, zu sein, der
stellung gelangte. Jaray hat den Künstler in Lebensgröße, au
das schauspielerische Talent unbedingt von seinem Onkel ererbt
einer Bank sitzend, dargestellt. Der Blick ist träumerisch ins Weite haben dürfte. Beim Abschied konnte ich es nicht unterlassen, an
gerichtet. Ganz besondere Sorgfalt hat der Bildhauer auf die Jaray die Frage zu richten, ob er nicht gelegentlich Lust hätte,
Ausarbeitung der Hände verwendet, die förmlich auf den Augen
den Meißel wieder mit dem Schminkstift zu vertauschen. Sein
blick zu warten scheinen, wo sie den Tasten eines Klaviers die „Nein“ klang so unentschieden, daß man wohl annehmen darf,
feierlichen Klänge einer Symphonie entlocken dürfen.
Praxiteles dem Zweiten gelegentlich auf einer Wiener Bühne
Eines der letzten Werke scheint die Porträtbüste des Schau
zu begegnen.