VII, Verschiedenes 13, 1936 undatiert, Seite 56

s
b 44/10
gearbeitet hat.
werde. Der von

Deutschland bereits im Sattel sitzen. Damit ist auch macht, die Julia spielen zu lassen, in bösesten Wiener Rothschild, der seiner Tochter als Draufgabe
das Schwerste überwunden; man darf ruhig das Wort Sinne reinhardtisch. Welch ein perverses Reizmittel bei einem Anleihevertrag eine Herzogskrone verschaffen
Bismarck's auf sie anwenden: reiten werden sie schon für die Damen und Herren aus WIV — Lulu als
will, ist freie Erfindung des Autors. Um die Sen¬
allein können.
Julia. Und dazu Moissi, dessen Romeo noch imme
sation wird das Publikum geblufft, und der Auto¬
Eine stille Saison; ein wenig Lärm haben die über die Talentprobe nicht hinausgekommen ist und darf es sich auf die Habenseite schreiben, daß man in den
Gedenkfeiern für den großen Fritz gemacht. Der So
der gerade in dieser Rolle am bedenklichsten mit beiden Lagern nicht darüber einig werden kann, ob er die
datenkönig und Philosoph von Sanssouci war natür¬
Tenoristentugenden prunkt, und die Uebrigen, der Rothschilds ärgern oder glorifiziren wollte. Wenn der
lich weit literarischer als die Sänger, die er jetzt ge¬
Eine besser, der Andere schlechter, aber alle stillos Name Bleichröder erwähnt wird, als der eines talentirte
und wüst, auf Clownsprunge und Geschrei dressirt
funden hat. Lauff, der Hausdichter Kaiser Wilhelms
Anfängers, den das Frankfurter Haus als „junge
hat seine Sache recht anständig gemacht. Sein Fest¬
In den Kammerspielen wird Peter Nansen's alte Mann" nach Berlin geschickt hat, weil kein echte
Novelle „Eine glückliche Ehe" jetzt als Lustspiel ge¬
spiel „Der große König, an dem Kaiser Wilhelm al¬
Rothschild in das Nest wollte, in dem ja doch nicht
Regisseur mitgewirkt hat und für das er sich als Zu¬
geben. Diese sonnige und behagliche Satire kam zu holen ist, freuen sich die Berliner riesig darüber,
schauer geradezu opfert, ist reinlich, ohne allzu dicke als eine der ersten Proben des Jung=Dänenthums daß sie den Rothschilds so über den Kopf gewachsen
Geschmacklosigkeiten gearbeitet und gibt in verschwen- nach Deutschland und hat sehr gefallen. Sie gehörte sind. Und sie kommen sich kolossal revolutionär vor,
derischer Ausstattung hübsche Bilder aus der Frideri¬
bald zu den Büchern, die Alle gelesen haben wenn der Autor ihnen seine Witze über die pumpen¬
cianischen Zeit, über denen die stramme Anmuth müssen. Auf der Bühne wirkt die Geschichte von den
den Herzoge und Könige vorsetzt. So ist denn die
Menzels schwebt. Der Kaiser hat nicht unrecht, wenn
Gatten, dessen Eheglück erst durch den Hausfreund
Rothschild=Komödie ein Kassenstück geworden. „Kunst¬
ihm seine Schauspieler in der Fridericianischen Uni¬
begründet und garantirt wird, etwas dünn. Der Rei¬
stück", sagt man auf berlinerisch.
form weit besser gefallen als in ihren Salonröcken, der Frechheit ist weg und wir haben im Cynismus
Auch Strindberg=Feiern befahl der Kalender
Adel, Offiziere, Beamte und die höhere Schuljugen
solche Fortschritte gemacht, daß uns die spöttische Die interessanteste spielte dieser Tage auch in der
wird begeistert in dieses Urtheil einstimmen, dem sich
Glorifikation der Regeldetri gar nicht mehr imponir
Königgrätzerstraße, wohin man sich Irene Triesch von
auch der strengste Kritiker rückhaltlos anschließen Immerhin läßt sich die Sache bei ganz hübscher Dar¬ der Brahm=Bühne ausgeborgt hat, um die historisch¬
darf. Das Deutsche Theater muß es natürlich büßen, stellung in den Klubsesseln der Kammerspiele als bür Komödie des großen Schweden „Königin Christine
daß Reinhardt das deutsche Theater zwischen München gerliche Komödie angenehm genießen.
aufführen zu können. Wundervoll mischt sich in
und London reformiren will. Der große Inszenierungs¬
In der Königgrätzerstraße lebt man aus dem diesem Werke Liebe zur und Respekt vor der Ge¬
künstler ist über die Interessen der Schumannstraße Vollen. Dort bezahlt nämlich das Haus Rothschild schichte seines Vaterlandes mit Haß und Verachtung
hinausgewachsen und ein ausverkaufter Cirkus ist die Kosten. Karl Roßler's Lustspiel „Die fünf Frank der Frauen. Eine Weibchennatur auf dem Throne
ihm lieber als zehn Abende leerer Kammerspiele bei
furter" kokettirt ganz geschickt mit der Geschichte dieses wird geschildert, die lächelnd, schmeichelnd in kin¬
höchster künstlerischer Vollendung. Die „Turandot.“ Welthauses und gibt sich aus der leeren Hand den dischem Trotz und in hysterischer Laune das Chaos
Aufführung, die jetzt im Deutschen Theater jubi¬ Anschein einer großen Indiskretion. Pikanie Ge= ber Schweden heraufbeschwört. Erst als ihr der
schichten aus der Streberzeit der fünf Söhne Amsche
lirt, ist bereits derart verschlampt, daß es eine
Purpur herabgerissen wird, als die Krone beschmutz
Schande ist. Und in der Neuinszenierung von „Rome
Meyer's in London, Paris, Neapel und Wien liegen am Boden liegt und nichts mehr übrig bleibt als
und Julia" ist der Versuch, Fräulein Johanna Ter in der Frankfurterlust, aber das Einzige, was uns das Weib, erhebt sich aus diesem schönen Sünden¬
win, die sich als Wedekind'sche „Lulu" bemerkbar wirklich erzählt wird, die kecke Wucherererpressung des wust die Königin. Die Königin triumphirt über das