VII, Verschiedenes 13, 1936 undatiert, Seite 58

13. Miscellaneous
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I
JAHRBUCH DES THEATERS DER EXPRESSION.
Inhalt: Lothar Schreyer: Die Theater¬
Heraus! Alle sollen sehen: Die Larve. Das Nichts.
ist die erste nicht. Nichts Menschli
Zertreten wir die Larven, und wenn sie sich mehren wie
leiche Herwarth Walden: Die Gegenwart
Die Kunst ist nichts Menschliches.
Karnickel. Dann fliegt das Nichts in die Luft. Vexer¬
der deutschen Bühne Die Zukunft der
Mensch mach ein Ende!
bild: Wo ist die Jungfrau? Lang lang ist's her¬
deutschen Bühne Der Sohn der Jungfrau
Heraus!
von Orléans Das Tagebuch der S...
Der Theaterbesucher ist kein Me¬
Lothar Schreyer: Weihnachtsmärchen Deutsche
kennen wir, daß wir nicht Besucher
Theaterkultur Herwarth Walden: Die Helden
Hauses sind, daß man uns dazu gem
von der Presse beim Held vom Wald Die
Das Theater geht solange zum Publikum, bis der
wissen wir, daß wir Menschen sind
Mensch sich bricht. Alle Theater wollen zum Brechen
Kunst dem Volke Anmerkungen Mitteilungen
etwas aus uns machen will. Zu sein
voll sein. Bruch. Einem dringenden Bedürfnis ab¬
Unser Geist ist. Im Geist sind we
zuhelfen. Du fühlst mit diesem Drang im Leibe. Hilfe
Mensch. Geister zu sein, sehnen wir
tut not.
Geist im Theater? Er erscheint nur
Etwas Gewaltiges ist der Mensch. Raum ist in der
Die Theaterleiche
spricht als ein alter Mann voll geistige
kleinsten Hütte. Pärchen ohne Paarung sind prosaisch.
Dichter verscheidet und gibt seinen Ge¬
Lothar Schreyer
Daher der Name Prosadichter. Das Volk der Denker
Publikum hat keinen Geist
und Dichter. An ihren Werken sollst du sie erkennen.
Das ist das Ende.
Im Sturm fährt der Geist herab
tötet den Ungeist. Das Theater will du
Das Theater ist ein Geschäft. Es wird mit Ge¬
Schaustellung im öffentlichen Haus. Dem Familien¬
unterhalten will. Wir aber siegen
vater läuft das Wasser im Munde zusammen. Die
schöpfen gehandelt. Es wird mit Schöpfern gehandelt.
Der Geist besiegt die Masse. Der
l'amilienmutter löffelt die Suppe aus. Die Familienkinde
Mädchenhändlern läßt man ihre Ruhe nicht. Wir sind
Masse. Das Publikum wird nie den Gei¬
Gemütsmenschen. Wir wissen Unterschiede zu machen.
werden paarweise erbrochen. Es ist eine Kunst zu leben.
einmal weichen die endliche Instinkte
Wer scheidet Schöpfung vom Geschäft? Kunst ist
Jedermann weiß, daß die Beinstellung die einzig
Sehnsucht. So wahr die Macht der Un¬
wahre Stellung zum Leben ist. Meine Beine, deine Beine,
Schöpfung. Ist Theater Kunst? Für alle Gemüts¬
ist als die Kraft der Endlichkeit. Das
heißt das beliebte Spiel. Es ist zum Davonlaufen. Weißt
menschen. Gemütsmensch ist das Mensch, bei dem e¬
ist das Ende des endlichen Lebens.
du, wieviel Beinlein stehen? Nach der bekannter
nur die Ruhe machen kann. Und wenn die Welt brennt,
ist angebrochen. Die Zeit der Armut
Melodie. Frage Schillern, Goethen.
nur immer gemütlich. Wie wohl ist dem, der dann und
leben nicht mehr. Wir erleben. Bri¬
wann sich etwas Schönes dichten kann. Und wenn man's
Einsam bin ich nicht alleine. Wenigstens einen Stel¬
Schwester um Schwester. Mensch un
nicht kann, geht man ins Theater. Dort wird einem vor¬
platz kannst du dir kaufen. Tausend Menschen ver
Blume. Volk ist Menschheit, Leben
gedichtet, daß es mit Natürlich wei¬
laufen sich, daß die Kasse ausverkauft hat. Alles is
Wir sind die Welt. Was gehen und
käuflich, nur nicht die Kunst.
Natur. Lebendig wie das Leben. Das Leben ist ein
die Welt bedeuten. Die Bretter bede
Theater, ach ja, Krachen ist schön, aber bitte nich
Man sieht ihr ihre Jahre nicht an. Der Kenner
Welt bedeutet nichts. Nichts deutet
schießen. Das stört die Verdauung.
wackelt mit dem Denkorgan. Der Mensch denkt. Das
künden die Welt. Die Welt kündet un
Mensch lenkt. Die Kunst sollte sächlich sein. Dann er¬
Die Hauptsache im Theater ist, daß man die edlere
schaut dem Werden zu. Der Erlebende
kennt man wenigstens, ob sie gegenständlich ist oder
Funktionen nicht stört. Man behandle das Publikum wie
Der Geist ist keine Oeffentlichkeit. Da
nicht. Nun — das Theater ist: Das
ein rohes Ei. Bitte nicht, Kolumbus
Innerlichkeit. Der Geist ist kein persön
Das so nebenbel.
Erkenne dich selbst. Und erst auf dem Theater. Das
Geist ist die Gegenwart des All. Allge¬
Das ist eine Sache. Das ist eine Nebensache.
beruhigt. Sind wir doch allzumal Sünder. König und
im geistmächtigen Menschen. Es gibt
Sachlich gesprochen ist die Nebensache nicht notwendig
Bettler, Schulter an Schulter. Von sonstigen Be¬
Wir sind keine Zuschauer. Wir sind
Aber wir schmeicheln uns, Bedürfnisanstalten zu haben
ziehungen ganz zu schweigen. Man denke an das kleine
Theater ist eine öffentliche Versammlung
Denn wir sind ein Kulturvolk. Wir wissen, was sich ge¬
Schlaganfälschen. du mein Heimat-Land!
den haben die innere Sammlung. Das
hört. Es lebe das Kulturtheater.
Die Welt ist eine Hühnerleiter. Die weltbedeutenden
Wir sehen die Leere des Theaters.
immer feste druft. Die Liebe höret nimmer auf.
Bretter sind auf dem Holzwege. Alle Wege führen nach
kein Gesicht. Keine Gesichte sind im
Ach Otto Ernst, was du mir alles ernst. Ernst ist das
kom. Nur ein Weg führt zur Kunst: das Kunstwerk
Darauf kommt es an. Wir wollen die Une
Theater, heiter ist die Welt.
Die Kunst ist nicht in Rom. Wer sich der Welt ergibt
Das ist nicht belustigend. Das ist nich
Die Bretter, die die Welt bedeuten. Das heißt eine
ist bald allein. Der Eine ist das im Kunstwerk. Alle sind
Ist die Macht der Kunst.
Welt. Das heißt deine Welt. Das Publikum lacht sich
in Theater allein. Mit allen Mittel faut das Theater alle.
Die neue