13. Miscellaneous
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Die thaten es ihm an, und er schämte sich sehr der heimischen
mit welchen er den Wienern die Wunder der symbolischen Dichtung
Afterkünste für die Gartenlaube und die bildersüchtigen Herren vom
Ring und der Börs.
zeigte, aber man kam nicht um des Maeterlinck willen und der Andern,
denen es galt, sondern um den Bahr zu hören.
Von den Bidern und Malern ging er zu den Büchern und
Nicht, daß sie ihn allzuheftig lieben, durchaus nicht. Heimlich und
Dichtern, hörte und las die neuen Wunder der Moderne, welche wie
laut, daß sie fast bersten vor Gift, ärgern sie sich über ihn, die guten
seltene, köstliche Archideen aus dem plumpen, stinkenden Cadaver des
Freunde besonders; wogegen wieder Andere sind, die ohne Verständniß
Naturalismus erblähten, versenkte sich in die schönen und tiefen Verse des
die Köpfe schütteln und die Achseln zucken, weil sie Nichts von sich selber
kargen Mallarmé und las die perverse Trauer des Dichter=Vagabuden
in ihm finden, was doch jeder vom Dichter will, den er versteht. Sie
Verlaine, die rührt und reizt. Den mystischen Sär Peladan lernte er
werfen ihm vor, daß er ein Chamäleon sei, weil er seinen Stil immer
kennen, der mit erhabenen Gesten wie ein assyrischer Herrscher durch das
ändere und seine Ziele in der Kunst. Ihm aber macht das Nichts, aber
Leben wandelt, das köstliche „nouveau jeu des Lavedan und die „joie
schon gar Nichts. Es ist ihm sogar sehr recht, denn diese guten Leute
triste des Anatol France. Auch den schelmischen Rod und den uner¬
besorgen ihm die nothwendige Reclame, die er keineswegs verachtet, und
gründlichen Barras, welcher seiner Seele verwandt schien. Und da sah
es kostet ihn Nichts. Er ist darauf bedacht, daß sie von ihm immer
er, daß der große Hugo mit seinem ehernen Worte Recht hatte, daß
wieder reden, er läßt sich auf dem Umschlag eines Buches als Zauberer
dieses Paris wirklich das Gehirn der Welt war. Oder doch der Kunst,
abbilden und widmet das Buch seinem Hunde, er nimmt bekannte
die immer neue, seltene Noten fand, die sie vertieften und verjüngten.
Persönlichkeiten, versieht sie mit andern Namen und stellt sie auf die
Ja, dieses mußte die echte Kunst sein, nach so viel irrendem Wahn und
Bühne, daß alle Leute sie erkennen; und das freut die Leute, sie laufen
tastenden Wünschen, welche galt. Ihm wurde unsagbar gut, wie
in das Stück und sind stolz, daß sie errathen. Sie merken sich aber
schmeichelnde Geigen sang es in seiner Seele, und mystische Hände
den Namen dessen, der so seltsame Späße macht, der sie verblüfft und
spielten leise über seine Nerven, daß es ihn schauerte. Da wußte er,
reizt. Und er selber hat sein Plaisir daran, „pater les bourgeois,
daß die echte Kunst die Dinge im Leben nicht mit plumpen Griffen be¬
das gefällt ihm.
singert und mit mustenden Blicken beängt, in gemeiner Deutlichkeit,
Wie den Naturalismus, so hat er den Symbolismus überwunden,
sondern, daß sie nach kößlichen und seltenen Zeichen sucht für die Deutung
denn sein Geist ist frei und leicht und läßt sich nicht in Fesseln schlagen.
geheimer Lebensräthsel. Und er überwand den brutalen Naturalismus
Alles, was starre Formel und Schablone ist, haßt er und verläßt er,
und pflegte die Kunst des Symbols.
und weil er sie flieht, ist er Symbolist geworden.
Die faustischen Dränge in ihm aber feierten nicht, und er wanderte
In seiner Heimath war noch Alles beim Alten, die Künstler malten
weiter. Am sonnigen Ufer des Guadalquivir schlenderte er hin, müßigen
noch, wie man Bilderbogen malt, sie malten die Gedanken früherer
Ganges, doch suchenden Sinnes, wo süße Düfte und braune Gitanen
Malergenerationen, nicht ihre eigenen; und eben so machten es die
ihm wonnig die Nerven schaukelten. Dann wieder quer durch Europa
Bildhauer. Die Einen und die Andern wußten Nichts davon, daß der
hindurch, nach dem hohen Norden, daß er auch die kalte Pracht der
Künstler auch etwas Anderes thun kann, als Bilder malen und in
stolzen Czarenstadt kennen lerne. So blieb ihm von den Säulen des
Marmor hauen, sie wußten Nichts von der intimen Kunst der Wohnung,
Hercules bis zu den hyperboreischen Grenzen Nichts unbekannt, und die
der Möbel und Geräthe, das überließen sie den Tapezierern und Tischlern
Seele Europas, die nackt und durchsichtig vor ihm lag, wurde die seine
und andern Handwerkern, die immer nur das wiederkauten, was Andere
ohne Geheimniß.
lang vor ihnen von sich gegeben. Da kam er, den das ekelte, und offen¬
Und er kehrte heim in sein liebes Wien. Dieses galt ihm als die
barte den Künstlern seiner Heimath, daß sie nicht nur für Museen und
wahre Heimath, es ist ihm verwandt, denn er hat die Wienerische Note.
Ausstellungen schaffen sollten, sondern auch für Privatwohnungen; er
Das Weiche und Spielerische, das an schöne liebende Frauen erinnert und
zeigte ihnen, daß man die feinsten Schwingungen der Künstlerseele, all
womit die Wiener Luft erfüllt ist, das streichelt ihm kosend die Nerven
ihr Ahnen und Drängen ebenso in einen Sessel oder in ein Trinkglas
und weckt Resonanz. Nur zu capuanisch, zu duselig, war sie ihm immer
legen könne, wie in ein Bild oder in eine Büste; er lehrte sie, daß es
nur Sonntag! Es sollte doch auch einmal Montag werden, und kein
auch Sessel geben müsse, die nicht zum Sitzen, Gläser, die nicht zum
blauer, wo wieder gefeiert wird! Frisches Leben wollte er schaffen, eine
Trinken sind.
wienerische Kunst. Und er ließ sich nieder im alten „Griensteidl", das
Aber über diesem heiligen Kunstfrühling, dem er die Bahn wies,
damals noch ein alter verrauchter Kasten war, und der treffliche Heinrich
vergaß er nicht die Kunst der Heimath, der Provinz zu pflegen. Von
credenzte ihm Café und Literatur. Um ihn aber schaarten sich die jungen
Linz, der Provinzstadt, war er ausgegangen und über Paris, Peters¬
Dichter Wiens und die es werden wollten, und er schuf mit ihnen die
burg, Madrid und Wien war er wieder dahin zurückgekehrt.
Moderne, welche die steilen und wilden Dränge der Natur bezwingt und
Er wird nicht dort bleiben, er wird auch die Heimathskunst und
die Kunst der Nerven pflegt. Da saßen der schelmische Carlweis und
die Secession überwinden; denn seine Seele ist nicht auf eine einzige
der heimliche Schwazkopf, der seine Feder lächelnd in tödtliches Gift
Note gestimmt und nicht auf zwei oder drei. Sie nimmt immer neue
taucht, und J. J. David, der eigentlich C. F. Meyer heißt, was er nicht
Töne auf, die sie mit feinstem Gehör wahrnimmt, bevor die Andern sie
sagen will. Die waren nur dabei, aber sie brauchten nicht erst erweckt
hören. Darum ist er immer ein Anderer. Eben darin ist er immer
zu werden, wie die Andern, der Schnitzler mit der Locke und dem „süßen
Derselbe. Das ist das Geheimniß seiner Art. Seine Devise ist das
Mädel" und der feine und tiefe Beer=Hoffmann und besonders die
Wort des köstlichen und tiefen Barras: „Car il n’est qu'une chose,
ganz Jungen, welche strebten und tasteten. Die entdeckte er und ver¬
que je préfère à la beauté, c'est le changement“.
kündete sie der Welt. Den großen Hoffmannsthal, welcher kühl und tief
Das ist die künstlerische Formel dieses Bahr. Ich denke, ich muß
ist wie ein See, in dem sich das Leben spiegelt, und Meister ist der heim¬
sie kennen, denn ich bin ja er selber....
lichen Symbole, welche die Menge nicht versteht; und den seltenen Macasy
Anmerkung der Redaction: Wir beeilen uns mit dem Ab¬
pries er, den Niemand kennt, den lieben Bératon, den frischen Andrian
druck dieser Arbeit, denn bei der rapiden Art, mit der der Herr Ver¬
und den einzigen Altenberg, dem das beredte Geheimniß des Gedanken¬
fasser seine künstlerische Gesinnung und Ausdrucksweise zu wechseln
strichs kund ist.
pflegt, könnte sie leicht nicht mehr zutreffend und antiquirt erscheinen:
bis eine Arbeit von ihm gedruckt wird, ist er ja meist schon ein Anderer,
Aber indem er diese und noch Andere entdeckte, entdeckte er sich
als zur Zeit, da er sie verfaßt hat.
selber. Ueber dem Entdecker vergaß man die Entdeckten oder achtete
ihrer geringer. Man vernahm die fremden Namen, die er verkündete,
aber man merkte sich nur den seinen. Man ging in seine Conferenzen
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Die thaten es ihm an, und er schämte sich sehr der heimischen
mit welchen er den Wienern die Wunder der symbolischen Dichtung
Afterkünste für die Gartenlaube und die bildersüchtigen Herren vom
Ring und der Börs.
zeigte, aber man kam nicht um des Maeterlinck willen und der Andern,
denen es galt, sondern um den Bahr zu hören.
Von den Bidern und Malern ging er zu den Büchern und
Nicht, daß sie ihn allzuheftig lieben, durchaus nicht. Heimlich und
Dichtern, hörte und las die neuen Wunder der Moderne, welche wie
laut, daß sie fast bersten vor Gift, ärgern sie sich über ihn, die guten
seltene, köstliche Archideen aus dem plumpen, stinkenden Cadaver des
Freunde besonders; wogegen wieder Andere sind, die ohne Verständniß
Naturalismus erblähten, versenkte sich in die schönen und tiefen Verse des
die Köpfe schütteln und die Achseln zucken, weil sie Nichts von sich selber
kargen Mallarmé und las die perverse Trauer des Dichter=Vagabuden
in ihm finden, was doch jeder vom Dichter will, den er versteht. Sie
Verlaine, die rührt und reizt. Den mystischen Sär Peladan lernte er
werfen ihm vor, daß er ein Chamäleon sei, weil er seinen Stil immer
kennen, der mit erhabenen Gesten wie ein assyrischer Herrscher durch das
ändere und seine Ziele in der Kunst. Ihm aber macht das Nichts, aber
Leben wandelt, das köstliche „nouveau jeu des Lavedan und die „joie
schon gar Nichts. Es ist ihm sogar sehr recht, denn diese guten Leute
triste des Anatol France. Auch den schelmischen Rod und den uner¬
besorgen ihm die nothwendige Reclame, die er keineswegs verachtet, und
gründlichen Barras, welcher seiner Seele verwandt schien. Und da sah
es kostet ihn Nichts. Er ist darauf bedacht, daß sie von ihm immer
er, daß der große Hugo mit seinem ehernen Worte Recht hatte, daß
wieder reden, er läßt sich auf dem Umschlag eines Buches als Zauberer
dieses Paris wirklich das Gehirn der Welt war. Oder doch der Kunst,
abbilden und widmet das Buch seinem Hunde, er nimmt bekannte
die immer neue, seltene Noten fand, die sie vertieften und verjüngten.
Persönlichkeiten, versieht sie mit andern Namen und stellt sie auf die
Ja, dieses mußte die echte Kunst sein, nach so viel irrendem Wahn und
Bühne, daß alle Leute sie erkennen; und das freut die Leute, sie laufen
tastenden Wünschen, welche galt. Ihm wurde unsagbar gut, wie
in das Stück und sind stolz, daß sie errathen. Sie merken sich aber
schmeichelnde Geigen sang es in seiner Seele, und mystische Hände
den Namen dessen, der so seltsame Späße macht, der sie verblüfft und
spielten leise über seine Nerven, daß es ihn schauerte. Da wußte er,
reizt. Und er selber hat sein Plaisir daran, „pater les bourgeois,
daß die echte Kunst die Dinge im Leben nicht mit plumpen Griffen be¬
das gefällt ihm.
singert und mit mustenden Blicken beängt, in gemeiner Deutlichkeit,
Wie den Naturalismus, so hat er den Symbolismus überwunden,
sondern, daß sie nach kößlichen und seltenen Zeichen sucht für die Deutung
denn sein Geist ist frei und leicht und läßt sich nicht in Fesseln schlagen.
geheimer Lebensräthsel. Und er überwand den brutalen Naturalismus
Alles, was starre Formel und Schablone ist, haßt er und verläßt er,
und pflegte die Kunst des Symbols.
und weil er sie flieht, ist er Symbolist geworden.
Die faustischen Dränge in ihm aber feierten nicht, und er wanderte
In seiner Heimath war noch Alles beim Alten, die Künstler malten
weiter. Am sonnigen Ufer des Guadalquivir schlenderte er hin, müßigen
noch, wie man Bilderbogen malt, sie malten die Gedanken früherer
Ganges, doch suchenden Sinnes, wo süße Düfte und braune Gitanen
Malergenerationen, nicht ihre eigenen; und eben so machten es die
ihm wonnig die Nerven schaukelten. Dann wieder quer durch Europa
Bildhauer. Die Einen und die Andern wußten Nichts davon, daß der
hindurch, nach dem hohen Norden, daß er auch die kalte Pracht der
Künstler auch etwas Anderes thun kann, als Bilder malen und in
stolzen Czarenstadt kennen lerne. So blieb ihm von den Säulen des
Marmor hauen, sie wußten Nichts von der intimen Kunst der Wohnung,
Hercules bis zu den hyperboreischen Grenzen Nichts unbekannt, und die
der Möbel und Geräthe, das überließen sie den Tapezierern und Tischlern
Seele Europas, die nackt und durchsichtig vor ihm lag, wurde die seine
und andern Handwerkern, die immer nur das wiederkauten, was Andere
ohne Geheimniß.
lang vor ihnen von sich gegeben. Da kam er, den das ekelte, und offen¬
Und er kehrte heim in sein liebes Wien. Dieses galt ihm als die
barte den Künstlern seiner Heimath, daß sie nicht nur für Museen und
wahre Heimath, es ist ihm verwandt, denn er hat die Wienerische Note.
Ausstellungen schaffen sollten, sondern auch für Privatwohnungen; er
Das Weiche und Spielerische, das an schöne liebende Frauen erinnert und
zeigte ihnen, daß man die feinsten Schwingungen der Künstlerseele, all
womit die Wiener Luft erfüllt ist, das streichelt ihm kosend die Nerven
ihr Ahnen und Drängen ebenso in einen Sessel oder in ein Trinkglas
und weckt Resonanz. Nur zu capuanisch, zu duselig, war sie ihm immer
legen könne, wie in ein Bild oder in eine Büste; er lehrte sie, daß es
nur Sonntag! Es sollte doch auch einmal Montag werden, und kein
auch Sessel geben müsse, die nicht zum Sitzen, Gläser, die nicht zum
blauer, wo wieder gefeiert wird! Frisches Leben wollte er schaffen, eine
Trinken sind.
wienerische Kunst. Und er ließ sich nieder im alten „Griensteidl", das
Aber über diesem heiligen Kunstfrühling, dem er die Bahn wies,
damals noch ein alter verrauchter Kasten war, und der treffliche Heinrich
vergaß er nicht die Kunst der Heimath, der Provinz zu pflegen. Von
credenzte ihm Café und Literatur. Um ihn aber schaarten sich die jungen
Linz, der Provinzstadt, war er ausgegangen und über Paris, Peters¬
Dichter Wiens und die es werden wollten, und er schuf mit ihnen die
burg, Madrid und Wien war er wieder dahin zurückgekehrt.
Moderne, welche die steilen und wilden Dränge der Natur bezwingt und
Er wird nicht dort bleiben, er wird auch die Heimathskunst und
die Kunst der Nerven pflegt. Da saßen der schelmische Carlweis und
die Secession überwinden; denn seine Seele ist nicht auf eine einzige
der heimliche Schwazkopf, der seine Feder lächelnd in tödtliches Gift
Note gestimmt und nicht auf zwei oder drei. Sie nimmt immer neue
taucht, und J. J. David, der eigentlich C. F. Meyer heißt, was er nicht
Töne auf, die sie mit feinstem Gehör wahrnimmt, bevor die Andern sie
sagen will. Die waren nur dabei, aber sie brauchten nicht erst erweckt
hören. Darum ist er immer ein Anderer. Eben darin ist er immer
zu werden, wie die Andern, der Schnitzler mit der Locke und dem „süßen
Derselbe. Das ist das Geheimniß seiner Art. Seine Devise ist das
Mädel" und der feine und tiefe Beer=Hoffmann und besonders die
Wort des köstlichen und tiefen Barras: „Car il n’est qu'une chose,
ganz Jungen, welche strebten und tasteten. Die entdeckte er und ver¬
que je préfère à la beauté, c'est le changement“.
kündete sie der Welt. Den großen Hoffmannsthal, welcher kühl und tief
Das ist die künstlerische Formel dieses Bahr. Ich denke, ich muß
ist wie ein See, in dem sich das Leben spiegelt, und Meister ist der heim¬
sie kennen, denn ich bin ja er selber....
lichen Symbole, welche die Menge nicht versteht; und den seltenen Macasy
Anmerkung der Redaction: Wir beeilen uns mit dem Ab¬
pries er, den Niemand kennt, den lieben Bératon, den frischen Andrian
druck dieser Arbeit, denn bei der rapiden Art, mit der der Herr Ver¬
und den einzigen Altenberg, dem das beredte Geheimniß des Gedanken¬
fasser seine künstlerische Gesinnung und Ausdrucksweise zu wechseln
strichs kund ist.
pflegt, könnte sie leicht nicht mehr zutreffend und antiquirt erscheinen:
bis eine Arbeit von ihm gedruckt wird, ist er ja meist schon ein Anderer,
Aber indem er diese und noch Andere entdeckte, entdeckte er sich
als zur Zeit, da er sie verfaßt hat.
selber. Ueber dem Entdecker vergaß man die Entdeckten oder achtete
ihrer geringer. Man vernahm die fremden Namen, die er verkündete,
aber man merkte sich nur den seinen. Man ging in seine Conferenzen