VII, Verschiedenes 13, undatiert, Seite 10

13. Miscellaneous
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Neues von Büchertisch
Von Carl Busse
occescere crece ecce crece ecce crecette
Karl Adolph, Töchter (Wien, Deutsch=österreichischer Verlag) — Walter von
Molo, Die Freiheit (Berlin, Schuster & Löffler)
— Georg Wasner, Eine Ber¬
linerin (Berlin, E. Fleischel & Co.) — Julius Havemann, Schönheit (Leipzig,
G. K. Sarasin) — Marie von Bunsen, Im Ruderboot durch Deutschland
(Berlin, S. Fischer) — Lulu von Strauß und Torney, Aus der Chronik nie¬
derdeutscher Städte (Stuttgart, Franckhsche Verlagshandlung)
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Als Theodore Roosevelt einst gefragt durchaus wider Byron wären. Dabei käme
wurde, was für Bücher ein Staats¬
zwar ein schiefes literarisches Urteil heraus,
mann lesen sollte, gab er zur Ant¬
aber es beruhte doch auf einem gesunden
wort: Gedichte, Romane, Novel¬
Instinkt. Und man mag gar nicht daran
len. Denn — sagte er —
denken, was Leute ihrer Art zur modernen
Staatsmann muß vor allem die menschliche
deutschen Dichtung sagen würden.
Natur und die Bedürfnisse der Menschenseele
Ein Wiener Roman hat mich auf diese
kennen, beides jedoch findet er bei den großen Gedanken gebracht. Er ist künstlerisch nicht
Dichtern und Romanschreibern so richtig wie bedeutend, er fällt hier und da ins Platte,
nirgends sonst dargestellt.
er wird in der Literaturgeschichte nicht fort¬
übe, diese Antwort wird sich niemand
leben. Aber wenn etwa ein österreichischer
wundern, der sich ein wenig in der Geschichte Staatsmann da wäre, dem ich etwas zum
umgetan hat. Nicht nur die größten Staats= Lesen aussuchen sollte, so würde ich ihm
männer aller Zeiten, sondern auch die be¬
trotz alledem nicht die Werke der Herren
deutendsten Feldherren und Forscher der
Hofmannsthal und Schnitzler in die Hand
Welt, kurz die führenden Geister auf allen
drücken, sondern eben diesen Roman. Denn
Gebieten haben von je ein Verhältnis zur
zwar entbehrt er aller ästhetischen Finessen,
Dichtung gehabt. Wo es fehlt, kann man
aller verzwickten Psychologie, aller kostbaren
fast mit Sicherheit darauf schließen, daß dem und geistreichen Worte, aber er hat einen so
betreffenden Geist überhaupt eine letzte Eigen¬
echten Lebensgehalt, daß er dadurch die
schaft zu umfassender Größe mangelte, daß Mängel der Form ausgleicht und uns be¬
er irgendwie das Subalterne, das speziell
reichert entläßt. Der Mann, der ihn ge¬
Fachliche seines Berufes nicht ganz über¬
schrieben hat, kennt vielleicht die Gesetze der
wunden hatte.
Ästhetik nicht, aber er kennt das Volk von
Aber umgekehrt sieht man von hier aus Wien. Er ist vielleicht kein besonderer Dich¬
auch deutlich, welche Aufgaben der Dichtung
ter, den man um ein Autogramm bitten,
gestellt sind, und daß sie sich selbst des höch¬
aber er ist ein Mensch, zu dem man hingehn
sten Ruhmes beraubt, wenn sie sich artistisch und dem man die Hand schütteln möchte.
oder sonstwie literarisch=fachlich verengt
Sein Name ist Karl Adolph. Sein
Ich glaube, es war Goethe, der einmal ge= Roman heißt „Töchter", doch er hieße
sagt hat, er möchte nur etwas schreiben, was
wohl noch besser „Töchter des Volkes". Er
auch Menschen, die ein großes Leben geführt
spielt in einem Wien, das wir kaum kennen,
hätten, mit Gewinn und Interesse lesen das uns die Literatur der letzten zwanzig
könnten. Damit ist nicht etwa alles Idyllische,
Jahre fast völlig unterschlagen hat. Das Wien
Kleine und Enge verurteilt — soweit es treu der Dichtung ist heut das Wien Schnitzlers,
gespiegelt ist, hat es sein natürliches Recht
das überkultivierte, geistreich=untätige, jüdisch¬
sondern nur alles bloß Manierierte, auf
durchsetzte, oder es ist das Wien von Rudolf
schiefer Geistreichigkeit, subjektiver Willkür oder
Hans Bartsch, das romantische, musikdurch¬
reinem Asthetizismus Beruhende. Was die
klungene. Hier wie da ist es jedenfalls die
großen Männer der Tat und des Gedankens
Phäakenstadt, in der man liebt, mit zärtlichen
von der Dichtung begehren, das ist natürlichen
Empfindungen herumgeht, ausgesuchte Ge¬
Lebensgehalt, ist echte Realität, die stets Teil¬
fühlchen konserviert und alles andre tut, bloß
nahme erweckt. Für die fachliche Schleif¬
nicht arbeitet. Man hat als Norddeutscher
arbeit oder für die kapriziösen Bocksprünge
ein bißchen Sehnsucht und ein bißchen Ver¬
eines Sonderlings haben sie kein Interesse.
achtung dafür. Doch nun kommt dieser Karl
Gewiß kann es dabei geschehn, daß sie
Adolph und reißt uns in jenes Wien, das für
einen genialen, aber subjektiv verengten
kostbare psychologische Feinheiten ebensowenig
Dichter - eben weil er nur Selbstbilder
Sinn hat wie für innige Schwärmerei -
gibt — verachten und einen minder be¬
in das Wien, das arbeiten muß, wenn es
deutenden, der aber ein breites Weltbild nicht hungern will, in das Wien der kleinen
gibt, erschätzen. Man kann sich vorstellen,
Leute, der Hausmeister und Fiaker, der Sau¬
daß Bismarck, Roosevelt und ähnliche Tat¬
stecher und Fleischhacker, der Näherinnen und
menschen mit Begeisterung für Scott, aber
Dienstmädchen, ja noch tiefer — tiefer, in