13. Miscellaneous
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mission einmal für das deutsche Drama eine Lanze zu brechen. So
nahm mit Hochgefühl die Einladung an, obwohl ich immer gegen
alles, was an Menschen aus Japan kommt, eine Abneigung gehabt habe.
Wir blieben also nachher zusammen und sprachen. Frau Nacco
saß schweigend, starr und mit gesenkten Augen daneben. Wenn sie
einmal fragte, war es so, als müßte sie jedesmal um Entschuldigung
ob solcher Künheit bitten. Sie, die auf der Bühne so vielgestaltig
war, saß da wie eine Puppe, wie eine Figur. So gar nichts von
Schauspielerin war an ihr, und es ist sicher, daß die Duse, mit der
man sie so oft verglichen hat im Leben ganz anders ist als die kleine
Japanerin mit den schlanken Händen.
Aber er! Lebendigeres Leben habe ich kaum je gesehen. Und er
war im Leben genau wie auf der Bühne: heiß, übersprudelnd, voll
von Leidenschaftlichkeit. Beim Auftreten hat man ihn ein wenig gar
zu sehr neben der Yacco übersehen, und wenn man hinsah, dachte man,
sein Springen und Gliederverrenken, sein Pfeifen, Zischen und
Zappeln sei mehr Akrobatik als Schauspielkunst. Ein sprühendes
Temperament war er sicher.
Also wir sprachen von deutschen Stücken, und ich habe ihn beson¬
ders auf den Fuhrmann Henschel hingewiesen. Als er nach Schnitz¬
ler fragte, habe ich von „Anatol und der Liebeleit erzählt, Stücken, die
ich liebe, ohne sie nachzufühlen. Aber er winkte schnell ab: „Das ist
ichts für uns. Wir wollen Handlung, keine Träume auf dem Theater.
Und mit diesem „Wir wollen war er bei seinen Plänen an¬
gekommen. Er wollte sich ein Theater bauen, er wollte europäische
Stücke in Japan spielen, er wollte die japanische Bühne reformieren,
er wollte die japanische Schauspielkunst reformieren, er wollte eine
Zeitschrift gründen, er wollte, er wollte.
Es ist ihm alles gelungen: das Theater, die Zeitschrift, die
Bühnenreform, die neben der Nacco auch andre Frauen auf die Szene
brachte, die Reform des Spielplans — er hat Shakespeare, ja sogar
Ibsen gespielt.
Wie lebte er, als er das alles erzählte! Wie glühten seine Augen,
wie sprach sein Gesicht, dieses gelbe, japanische Gesicht, das sonst bei
seinen Landsleuten so starr ist wie eine Maske.
Und es ist ja wohl auch eine Maske. Der Schauspieler aber,
gerade der Schauspieler, mußte die Maske abwerfen, die von den
Japs sonst immer in Europa getragen wird. Er verhüllte sich nicht.
Er zeigte uns, was er wollte, was ganz Japan will —: sie wollen
überall im Wettbewerb sein. Und das fängt niemand an, solch Un¬
ternehmen, ohne die Hoffnung auf den endlichen Sieg.
Es war eine reiche Stunde, dieses Gespräch mit Kawakami, und
es war mehr als die Begegnung mit einem exotischen Schauspieler.
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mission einmal für das deutsche Drama eine Lanze zu brechen. So
nahm mit Hochgefühl die Einladung an, obwohl ich immer gegen
alles, was an Menschen aus Japan kommt, eine Abneigung gehabt habe.
Wir blieben also nachher zusammen und sprachen. Frau Nacco
saß schweigend, starr und mit gesenkten Augen daneben. Wenn sie
einmal fragte, war es so, als müßte sie jedesmal um Entschuldigung
ob solcher Künheit bitten. Sie, die auf der Bühne so vielgestaltig
war, saß da wie eine Puppe, wie eine Figur. So gar nichts von
Schauspielerin war an ihr, und es ist sicher, daß die Duse, mit der
man sie so oft verglichen hat im Leben ganz anders ist als die kleine
Japanerin mit den schlanken Händen.
Aber er! Lebendigeres Leben habe ich kaum je gesehen. Und er
war im Leben genau wie auf der Bühne: heiß, übersprudelnd, voll
von Leidenschaftlichkeit. Beim Auftreten hat man ihn ein wenig gar
zu sehr neben der Yacco übersehen, und wenn man hinsah, dachte man,
sein Springen und Gliederverrenken, sein Pfeifen, Zischen und
Zappeln sei mehr Akrobatik als Schauspielkunst. Ein sprühendes
Temperament war er sicher.
Also wir sprachen von deutschen Stücken, und ich habe ihn beson¬
ders auf den Fuhrmann Henschel hingewiesen. Als er nach Schnitz¬
ler fragte, habe ich von „Anatol und der Liebeleit erzählt, Stücken, die
ich liebe, ohne sie nachzufühlen. Aber er winkte schnell ab: „Das ist
ichts für uns. Wir wollen Handlung, keine Träume auf dem Theater.
Und mit diesem „Wir wollen war er bei seinen Plänen an¬
gekommen. Er wollte sich ein Theater bauen, er wollte europäische
Stücke in Japan spielen, er wollte die japanische Bühne reformieren,
er wollte die japanische Schauspielkunst reformieren, er wollte eine
Zeitschrift gründen, er wollte, er wollte.
Es ist ihm alles gelungen: das Theater, die Zeitschrift, die
Bühnenreform, die neben der Nacco auch andre Frauen auf die Szene
brachte, die Reform des Spielplans — er hat Shakespeare, ja sogar
Ibsen gespielt.
Wie lebte er, als er das alles erzählte! Wie glühten seine Augen,
wie sprach sein Gesicht, dieses gelbe, japanische Gesicht, das sonst bei
seinen Landsleuten so starr ist wie eine Maske.
Und es ist ja wohl auch eine Maske. Der Schauspieler aber,
gerade der Schauspieler, mußte die Maske abwerfen, die von den
Japs sonst immer in Europa getragen wird. Er verhüllte sich nicht.
Er zeigte uns, was er wollte, was ganz Japan will —: sie wollen
überall im Wettbewerb sein. Und das fängt niemand an, solch Un¬
ternehmen, ohne die Hoffnung auf den endlichen Sieg.
Es war eine reiche Stunde, dieses Gespräch mit Kawakami, und
es war mehr als die Begegnung mit einem exotischen Schauspieler.
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