13. Miscellaneous
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Rundschau.
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tim zwischen den bereits als ganz unzuläng¬
Tragische so untrennbar mit dem Komischen
lich anerkannten Beamtenvorlagen und der
verbunden ist, daß der Ernst aus dem Spaß
Erhöhung der Personalsteuern und anderen
und der Spaß aus dem Ernst quillt, noch
Steuervorlagen versucht. Ob dieses Junktim
immer keine richtige Tragikomödie ist. Diese
von der neuen Regierung aufrecht gehalten
liegt überhaupt nicht im Stoff, sondern nur
wird, ob es durchgesetzt werden kann, ist
in der Behandlung. Der Tragikomiker muß
abzuwarten. Daß der Staat neue Ein¬
über seinem Stoff, sowohl über dem Ernst
nahmequellen braucht, so lange es ihm nicht
als über dem Spaß, also auch jenseits von
gelingt die Staatsbetriebe durch Verringe¬
Gut und Böse stehen. Wie die Tragikomödie
rung der Ausgaben rentabler zu machen,
keine reine Stilgattung ist, so wird auch der
ist zweifellos. Es geht schließlich nicht an,
richtige Tragikomiker immer ein Mensch
daß der Staat aus Geldmangel die nötigsten
sein, von dem man nicht weiß, ob man ihn
Investitionen unterläßt, daß zu einer Zeit,
ernst oder komisch nehmen soll. Schnitzler ist
wo bereits in den verschiedensten Gegenden
wirklich so ein Mann: er hat es ja oft genug
des Landes der stärkste Waggonmangel be¬
bitter empfinden müssen, daß ihm seine
klagt wird, auch nicht ein Güterwagen zur
Gegner den Ernst als Pose oder Grimasse
Vermehrung des Fahrparkes bestellt wird
anrechneten und nur das Komische gelten
und daß ein großer Teil der unbedingt in
lassen wollten. Nun kommt aber ein stämmiger
die laufende Gebarung gehörigen Ausgaben
und untersetzter Mann im Radmantel und
dauernd auf den Kreditweg verwiesen wird.
im Schlapphut, auch auf seinen literarischen
Wieder sollen mehrere 100 Millionen Kronen
Wanderungen stets gradausschreitend, immer
Anleihen, teils zur Fundierung alter Schul¬
mit Kind und Kegel, das Alteste ein paar
den, teils zur Bestreitung neuen Bedarfes
Schritte voraus und die Frau mit dem
ausgegeben werden, obwohl die Rentenkurse
Jüngsten, wie es sich für eine brave Frau
unter dem Drucke der alljährlich wieder¬
gehört, ein paar Schritte hinterdrein, ein
kehrenden großen Anleihen sich — wenn
Prediger alles Selbstverständlichen im Leben
man von den letzten Tagen absicht — immer¬
und in der Erziehung, ein Mann ohne Salz
fort verschlechtern. Dabei ist weder für die
und ohne Ironie, der brüllt, wenn er lacht,
Wehrreform noch für die Wasserstraßen und
und im Ernst der richtige Vertreter der pa¬
Lokalbahnen, noch für die Sanierung der
thetischen Satire ist — und der will uns den
Landesfinanzen, noch für manchen anderen,
Tragikomiker vormachen! Wenn einer ein
nicht minder drängenden Bedarf die Be¬
Stück schreibt unter dem Titel: „Die Liebe
deckung vorgesehen. Das Gleichgewicht
höret (wohlgemerkt: nicht „hört, sondern
unserer Budgets ist nur ein scheinbares und
„höret") nimmer auf und wenn er diesem
die Ordnung der Staatsfinanzen ist
Werk die schönen Worte des Korintherbriefes
dringendste Aufgabe des Parlaments.
über die Liebe als Motio vorausschickt,
Reden, welche in den ersten Tagen der Bud¬
dann kann er meinetwegen der größte Dichter
getdebatte von Vertretern mehrerer Parteien
der Welt sein, aber ein Tragikomiker ist
gehalten wurden, berechtigen vielleicht zur
er ganz gewiß nicht. Nein, ein Tragikomiker
Hoffnung, daß das Abgeordnetenhaus sich
ist Otto Ernst nicht.
des Ernstes der Lage bewußt zu werden
Wenn sein Stück auch keine Tragi¬
beginnt.
Walther Federn.
komödie ist, so ist es dafür etwas anderes:
nämlich ein richtiges Schlüsselstück; und es
Burgtheater“
hat mich sehr gewundert, daß die Wiener
Eine Tragikomödie nach der anderen
Kritik, der Schlenther einmal den Vorwurf
Nach Schnitzler vill sich auch Otto Ernst
gemacht hat, daß sie zu viel lese und zu¬
tragikomisch geberden; und es ist endlich an
wenig zuschaue, diesen Schlüssel nicht ge¬
der Zeit, wo nicht dem Leser, so doch dem
funden hat, obwohl ihn der Verfasser, wie
Dichter zu sagen, worin denn eigentlich das
wir gleich sehen werden, keineswegs in den
Tragikomische besteht? Daß ein Stück, in
Brunnen geworfen hat. Seine Tragikomödie
dem ernste und komische Szenen miteinander
ist nämlich die von dem Moppchen, der
abwechseln, noch lange keine Tragikomödie
Frau Otto Erich Hartlebens, genau so, wie
ist, weiß am Ende ein jeder; nicht ebenso
sie aus dem Briefwechsel der beiden heraus¬
bekannt aber scheint es zu sein, daß auch
zulesen ist. Ernst hat nur aus der Münchener
ein bloßes Gewirre von tragikomischen
Geliebten, von der Hartleben aus seiner
Charakteren und Handlungen, in denen das
Studentenzeit ein Kind hatte, und aus einer
späteren Jugendgeliebten, dem Ellenkind
Samstag den 28. Oktober: „Die Liebe höret
oder dem Kücken, zu dem er zuletzt wieder
nimmer auf, eine Tragikomödie aus der Bohème von
zurückgekehrt ist, eine einzige Figur mit den
Otto Ernst. (Buchausgabe: Leipzig 1911, Verlag von
L. Staackmann.)
Zügen der niederen Minne gemacht. Der
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Rundschau.
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tim zwischen den bereits als ganz unzuläng¬
Tragische so untrennbar mit dem Komischen
lich anerkannten Beamtenvorlagen und der
verbunden ist, daß der Ernst aus dem Spaß
Erhöhung der Personalsteuern und anderen
und der Spaß aus dem Ernst quillt, noch
Steuervorlagen versucht. Ob dieses Junktim
immer keine richtige Tragikomödie ist. Diese
von der neuen Regierung aufrecht gehalten
liegt überhaupt nicht im Stoff, sondern nur
wird, ob es durchgesetzt werden kann, ist
in der Behandlung. Der Tragikomiker muß
abzuwarten. Daß der Staat neue Ein¬
über seinem Stoff, sowohl über dem Ernst
nahmequellen braucht, so lange es ihm nicht
als über dem Spaß, also auch jenseits von
gelingt die Staatsbetriebe durch Verringe¬
Gut und Böse stehen. Wie die Tragikomödie
rung der Ausgaben rentabler zu machen,
keine reine Stilgattung ist, so wird auch der
ist zweifellos. Es geht schließlich nicht an,
richtige Tragikomiker immer ein Mensch
daß der Staat aus Geldmangel die nötigsten
sein, von dem man nicht weiß, ob man ihn
Investitionen unterläßt, daß zu einer Zeit,
ernst oder komisch nehmen soll. Schnitzler ist
wo bereits in den verschiedensten Gegenden
wirklich so ein Mann: er hat es ja oft genug
des Landes der stärkste Waggonmangel be¬
bitter empfinden müssen, daß ihm seine
klagt wird, auch nicht ein Güterwagen zur
Gegner den Ernst als Pose oder Grimasse
Vermehrung des Fahrparkes bestellt wird
anrechneten und nur das Komische gelten
und daß ein großer Teil der unbedingt in
lassen wollten. Nun kommt aber ein stämmiger
die laufende Gebarung gehörigen Ausgaben
und untersetzter Mann im Radmantel und
dauernd auf den Kreditweg verwiesen wird.
im Schlapphut, auch auf seinen literarischen
Wieder sollen mehrere 100 Millionen Kronen
Wanderungen stets gradausschreitend, immer
Anleihen, teils zur Fundierung alter Schul¬
mit Kind und Kegel, das Alteste ein paar
den, teils zur Bestreitung neuen Bedarfes
Schritte voraus und die Frau mit dem
ausgegeben werden, obwohl die Rentenkurse
Jüngsten, wie es sich für eine brave Frau
unter dem Drucke der alljährlich wieder¬
gehört, ein paar Schritte hinterdrein, ein
kehrenden großen Anleihen sich — wenn
Prediger alles Selbstverständlichen im Leben
man von den letzten Tagen absicht — immer¬
und in der Erziehung, ein Mann ohne Salz
fort verschlechtern. Dabei ist weder für die
und ohne Ironie, der brüllt, wenn er lacht,
Wehrreform noch für die Wasserstraßen und
und im Ernst der richtige Vertreter der pa¬
Lokalbahnen, noch für die Sanierung der
thetischen Satire ist — und der will uns den
Landesfinanzen, noch für manchen anderen,
Tragikomiker vormachen! Wenn einer ein
nicht minder drängenden Bedarf die Be¬
Stück schreibt unter dem Titel: „Die Liebe
deckung vorgesehen. Das Gleichgewicht
höret (wohlgemerkt: nicht „hört, sondern
unserer Budgets ist nur ein scheinbares und
„höret") nimmer auf und wenn er diesem
die Ordnung der Staatsfinanzen ist
Werk die schönen Worte des Korintherbriefes
dringendste Aufgabe des Parlaments.
über die Liebe als Motio vorausschickt,
Reden, welche in den ersten Tagen der Bud¬
dann kann er meinetwegen der größte Dichter
getdebatte von Vertretern mehrerer Parteien
der Welt sein, aber ein Tragikomiker ist
gehalten wurden, berechtigen vielleicht zur
er ganz gewiß nicht. Nein, ein Tragikomiker
Hoffnung, daß das Abgeordnetenhaus sich
ist Otto Ernst nicht.
des Ernstes der Lage bewußt zu werden
Wenn sein Stück auch keine Tragi¬
beginnt.
Walther Federn.
komödie ist, so ist es dafür etwas anderes:
nämlich ein richtiges Schlüsselstück; und es
Burgtheater“
hat mich sehr gewundert, daß die Wiener
Eine Tragikomödie nach der anderen
Kritik, der Schlenther einmal den Vorwurf
Nach Schnitzler vill sich auch Otto Ernst
gemacht hat, daß sie zu viel lese und zu¬
tragikomisch geberden; und es ist endlich an
wenig zuschaue, diesen Schlüssel nicht ge¬
der Zeit, wo nicht dem Leser, so doch dem
funden hat, obwohl ihn der Verfasser, wie
Dichter zu sagen, worin denn eigentlich das
wir gleich sehen werden, keineswegs in den
Tragikomische besteht? Daß ein Stück, in
Brunnen geworfen hat. Seine Tragikomödie
dem ernste und komische Szenen miteinander
ist nämlich die von dem Moppchen, der
abwechseln, noch lange keine Tragikomödie
Frau Otto Erich Hartlebens, genau so, wie
ist, weiß am Ende ein jeder; nicht ebenso
sie aus dem Briefwechsel der beiden heraus¬
bekannt aber scheint es zu sein, daß auch
zulesen ist. Ernst hat nur aus der Münchener
ein bloßes Gewirre von tragikomischen
Geliebten, von der Hartleben aus seiner
Charakteren und Handlungen, in denen das
Studentenzeit ein Kind hatte, und aus einer
späteren Jugendgeliebten, dem Ellenkind
Samstag den 28. Oktober: „Die Liebe höret
oder dem Kücken, zu dem er zuletzt wieder
nimmer auf, eine Tragikomödie aus der Bohème von
zurückgekehrt ist, eine einzige Figur mit den
Otto Ernst. (Buchausgabe: Leipzig 1911, Verlag von
L. Staackmann.)
Zügen der niederen Minne gemacht. Der