13. Miscellanos
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336
Rundschau.
feuchtfröhliche Dichterkomponist Bruno, der
zuletzt rafft sich das Moppchen, ungleich
bei aller Welt, nicht zum wenigsten auch
ihrem willenlosen Abbild bei Otto Ernst,
bei den Kellnern, den Kredit eines Pracht¬
doch noch auf: sie will der Werbung eines
kers hat, dem niemand auf die Dauer gram
gut bürgerlichen Mannes Gehör schenken,
sein kann, der die eine nicht aufhören kann
aber sie sieht doch bald ein, daß Erich
zu lieben und der doch von der oder den
Schorscht immer noch ihr einzig Geliebter
anderen nicht lassen kann, ist Otto Erich
ist und daß sie keinem anderen mehr an¬
mit Haut und Haaren. Wie dieser über¬
gehören kann. Und nun kommt die eigentlich
windet auch Bruno erst nach mehrjähriger
tragikomische Wendung, die sich kein echter
Liebe die Scheu vor dem Standesamt und
Tragikomiker hätte entgehen lassen. In der
heirate, die Geliebte, aber nur unter der
nicht bloß verständlichen, sondern voll¬
Bedingung der Wahrhaftigkeit und der
berechtigten Sorge um ihre Zukunft muß das
Freiheit, die freilich nur für den Mann
Moppchen dennoch dem Gatten, der Haus
Giltigkeit hat, der nun einmal nicht zur
und Besitz der Geliebten zu verschreiben ge¬
Treue geboren ist. Er lebt in der Bohème
denkt, die harte Pflicht, die er ihr gegenüber
und hat doch Sinn für ein nicht bloß be¬
hat, mit herben Worten zu Gemüt führen,
hagliches, sondern sogar glänzendes Heim,
auf die der schon vom Tod Gezeichnete nur
in dem er auf die peinlichste Ordnung hält
mehr mit den matten Worten erwidert:
und nicht einmal durch eine schief gewickelte
„Das war kein guter Brief." Mit der
Kerze in der Arbeit gestört werden will; und
schreienden Dissonanz einer Geldfrage schließt
wie die Prachtliebe, so war auch die Lust
also im Leben die Tragikomödie von
zu schenken ein Kennzeichen des echten
Moppchen ab. Als Hartleben im Sterben
Hartleben, der wie Bruno die Frau und die
lag, hat seine Geliebte sicher bloß auf sein
Geliebte mit fein ausgewählten Geschenken
Verlangen das Moppchen herbeitelegraphiert,
zu überschütten gewohnt war. Er verlangt
und gewiß wäre sie auch mit Freuden ge¬
von ihr alle Opfer und vermag selber gar
kommen — jetzt war es aber zu spät und
keines zu bringen. Das erste, was er ihr
dem einen Telegramm folgte auf dem Fuße
zumutet, ist, daß sie das Kind aus seiner
das andere nach: „Erich tot.
niederen Liebe ins Haus nimmt und deswegen
So die wahre Tragikomödie vom
auch mit der ledigen Mutter in Verkehr
Moppchen, wie sie nur das Leben selbst zu
tritt. Aber trotz aller Zärtlichkeit und Liebe
schreiben imstande ist. Und der muß kein
schlägt bei der Kleinen doch bald die leicht¬
Herz im Leibe haben, der diese mit zuckendem
sinnige und unseine Art der Mutter durch,
Herzen und mit blutender Seele geschriebenen
die mit ihrem Kinde wuchert, einmal froh
documens humains trotz dem Fuselduft, der
ist, daß ihr dessen Versorgung nicht mehr zur
ihnen entströmt, ohne tiefe Ergriffenheit
Last fällt und es dann irgend welcher Vor¬
lesen kann. Otto Ernst hat zwar das Leben
telle wegen wieder zurückverlangt, bis sie
abzuschreiben versucht, das einzige Tragi¬
endlich dem lange vom Zweifel gequälten
komische an seinem Stück aber ist, daß Otto
Vater die erlösende Gewißheit gibt, daß das
Ernst es gewagt hat, Otto Erich tragikomisch
Kind gar nicht von ihm sei. Und nachdem
zu finden. Denn der Dichter des „Rosen¬
er längere Zeit hinter ihrem Rücken mit der
montag war trotz allein ein echter und ein
anderen Jugendgeliebten korrespondiert hat,
wirklicher Dichter, dem gegenüber Otto Ernst
verlangt er dann weiter von der Frau,
doch nur als ein Oberlehrer erscheint.
daß sie sich noch einmal groß zeige, und
Bei ihm geht ja bis zuletzt auch alles
Moppchen muß nun nicht bloß zusehen,
so zu wie im Leben und doch hat kein
sondern auch zustimmen, daß sich Otto Erich
Hauch des Lebens aus diesen ergreifenden
mit dem Ellenkind ein neues Heim, wiederum
Briefblättern in sein Stück herübergeweht.
im vornehmsten Stil, die Halkonische Villa
Nur was er aus den Briefen einfach ab=
am Gardasee gründet, wie ja auch seinen
schreiben konnte, ist ihm gelungen; durch
Doppelgänger Bruno zuletzt die Lust zum
seine eigenen Erfindungen hat er alles nur
Bauen anwandelt, die freilich auch anderen
entstellt. Sein Moppchen könnte auch von
modernen Dichtern in mehr als einem Sinn=
der Birch=Pfeiffer sein; obwohl sie keine
verhängnisvoll geworden ist. Immer noch
arme Näherin, sondern die Tochter eines
aber glaubt sein Moppchen an ihn und sein
Gerichtspräsidenten und von verarmten
Talent und verbittet sich jedes Mitleid,
Beamtenadel ist, ist sie doch die Gefügigkeit
als seine Schöpferkraft, die sie vergebens
und die Willenlosigkeit selbst. Und sein
auszurufen versucht hat, unter den Folgen
Bruno legitimiert sich zwar durch eine In¬
der Trunksucht zu erlahmen beginnt und
provisation, die von Hartleben sein könnte
auch die Limonade, jetzt sein Lieblingsgetränk,
das Lied von der Sense am Baum ist
nicht mehr zu helfen vermag. Erst ganz
nämlich das schönste in dem ganzen Stück
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Rundschau.
feuchtfröhliche Dichterkomponist Bruno, der
zuletzt rafft sich das Moppchen, ungleich
bei aller Welt, nicht zum wenigsten auch
ihrem willenlosen Abbild bei Otto Ernst,
bei den Kellnern, den Kredit eines Pracht¬
doch noch auf: sie will der Werbung eines
kers hat, dem niemand auf die Dauer gram
gut bürgerlichen Mannes Gehör schenken,
sein kann, der die eine nicht aufhören kann
aber sie sieht doch bald ein, daß Erich
zu lieben und der doch von der oder den
Schorscht immer noch ihr einzig Geliebter
anderen nicht lassen kann, ist Otto Erich
ist und daß sie keinem anderen mehr an¬
mit Haut und Haaren. Wie dieser über¬
gehören kann. Und nun kommt die eigentlich
windet auch Bruno erst nach mehrjähriger
tragikomische Wendung, die sich kein echter
Liebe die Scheu vor dem Standesamt und
Tragikomiker hätte entgehen lassen. In der
heirate, die Geliebte, aber nur unter der
nicht bloß verständlichen, sondern voll¬
Bedingung der Wahrhaftigkeit und der
berechtigten Sorge um ihre Zukunft muß das
Freiheit, die freilich nur für den Mann
Moppchen dennoch dem Gatten, der Haus
Giltigkeit hat, der nun einmal nicht zur
und Besitz der Geliebten zu verschreiben ge¬
Treue geboren ist. Er lebt in der Bohème
denkt, die harte Pflicht, die er ihr gegenüber
und hat doch Sinn für ein nicht bloß be¬
hat, mit herben Worten zu Gemüt führen,
hagliches, sondern sogar glänzendes Heim,
auf die der schon vom Tod Gezeichnete nur
in dem er auf die peinlichste Ordnung hält
mehr mit den matten Worten erwidert:
und nicht einmal durch eine schief gewickelte
„Das war kein guter Brief." Mit der
Kerze in der Arbeit gestört werden will; und
schreienden Dissonanz einer Geldfrage schließt
wie die Prachtliebe, so war auch die Lust
also im Leben die Tragikomödie von
zu schenken ein Kennzeichen des echten
Moppchen ab. Als Hartleben im Sterben
Hartleben, der wie Bruno die Frau und die
lag, hat seine Geliebte sicher bloß auf sein
Geliebte mit fein ausgewählten Geschenken
Verlangen das Moppchen herbeitelegraphiert,
zu überschütten gewohnt war. Er verlangt
und gewiß wäre sie auch mit Freuden ge¬
von ihr alle Opfer und vermag selber gar
kommen — jetzt war es aber zu spät und
keines zu bringen. Das erste, was er ihr
dem einen Telegramm folgte auf dem Fuße
zumutet, ist, daß sie das Kind aus seiner
das andere nach: „Erich tot.
niederen Liebe ins Haus nimmt und deswegen
So die wahre Tragikomödie vom
auch mit der ledigen Mutter in Verkehr
Moppchen, wie sie nur das Leben selbst zu
tritt. Aber trotz aller Zärtlichkeit und Liebe
schreiben imstande ist. Und der muß kein
schlägt bei der Kleinen doch bald die leicht¬
Herz im Leibe haben, der diese mit zuckendem
sinnige und unseine Art der Mutter durch,
Herzen und mit blutender Seele geschriebenen
die mit ihrem Kinde wuchert, einmal froh
documens humains trotz dem Fuselduft, der
ist, daß ihr dessen Versorgung nicht mehr zur
ihnen entströmt, ohne tiefe Ergriffenheit
Last fällt und es dann irgend welcher Vor¬
lesen kann. Otto Ernst hat zwar das Leben
telle wegen wieder zurückverlangt, bis sie
abzuschreiben versucht, das einzige Tragi¬
endlich dem lange vom Zweifel gequälten
komische an seinem Stück aber ist, daß Otto
Vater die erlösende Gewißheit gibt, daß das
Ernst es gewagt hat, Otto Erich tragikomisch
Kind gar nicht von ihm sei. Und nachdem
zu finden. Denn der Dichter des „Rosen¬
er längere Zeit hinter ihrem Rücken mit der
montag war trotz allein ein echter und ein
anderen Jugendgeliebten korrespondiert hat,
wirklicher Dichter, dem gegenüber Otto Ernst
verlangt er dann weiter von der Frau,
doch nur als ein Oberlehrer erscheint.
daß sie sich noch einmal groß zeige, und
Bei ihm geht ja bis zuletzt auch alles
Moppchen muß nun nicht bloß zusehen,
so zu wie im Leben und doch hat kein
sondern auch zustimmen, daß sich Otto Erich
Hauch des Lebens aus diesen ergreifenden
mit dem Ellenkind ein neues Heim, wiederum
Briefblättern in sein Stück herübergeweht.
im vornehmsten Stil, die Halkonische Villa
Nur was er aus den Briefen einfach ab=
am Gardasee gründet, wie ja auch seinen
schreiben konnte, ist ihm gelungen; durch
Doppelgänger Bruno zuletzt die Lust zum
seine eigenen Erfindungen hat er alles nur
Bauen anwandelt, die freilich auch anderen
entstellt. Sein Moppchen könnte auch von
modernen Dichtern in mehr als einem Sinn=
der Birch=Pfeiffer sein; obwohl sie keine
verhängnisvoll geworden ist. Immer noch
arme Näherin, sondern die Tochter eines
aber glaubt sein Moppchen an ihn und sein
Gerichtspräsidenten und von verarmten
Talent und verbittet sich jedes Mitleid,
Beamtenadel ist, ist sie doch die Gefügigkeit
als seine Schöpferkraft, die sie vergebens
und die Willenlosigkeit selbst. Und sein
auszurufen versucht hat, unter den Folgen
Bruno legitimiert sich zwar durch eine In¬
der Trunksucht zu erlahmen beginnt und
provisation, die von Hartleben sein könnte
auch die Limonade, jetzt sein Lieblingsgetränk,
das Lied von der Sense am Baum ist
nicht mehr zu helfen vermag. Erst ganz
nämlich das schönste in dem ganzen Stück