VII, Verschiedenes 13, undatiert, Seite 91

13.
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Miscellanos
schaft
hof, 1. Tor.)
tzten
das
Der Kampf gegen „Schund
und Schmutz"
Von Arthur Schnitzler.
Arthur Schnitzler bezog sich in de¬
gestrigen Enquete auf ein Gutachten, das ei
auf,
bei einer früheren Gelegenheit, auf Ver¬
aus¬
anlassung der Ethischen Gesellschaft,
gearbeitet hat. Es wird unsere Leser gewiß
im höchsten Grade interessieren, die Auf¬
fassungen des Dichters kennen zu lernen.
Ist der Begriff der Schmutzliteratur praktisch zu
umgrenzen und wie?
Meiner Auffassung nach fiele unter die Rubrik
Schmutzliteratur manches literarische Erzeugnis, das
mit der Behandlung sexueller Themen nicht das geringste zu
tun hat und das man, wie man früher zu sagen pflegte, jedem
jungen Mädchen ruhig in die Hand geben durfte. Aber es ist
mir wohl bekannt, daß nach dem Sprachgebrauch unter
Schmutzliteratur nur jene Produkte verstanden werden sollen,
die sich ohne künstlerische oder belehrende Absicht mit sexuellen
Themen in solcher Art befassen, daß bei dem hiezu prädesti¬
nierten Leser eine sexuelle Erregung eintritt oder wenigstens
eintreten könnte.
In diesem Sinne läßt sich freilich der Begrif¬
der Schmutzliteratur praktisch nicht um¬
grenzen. Je nach Bildungsgrad, Empfindlichkeit, gutem
Willen des Beurteilers wird der Begriff weiter oder enger ge¬
faßt werden, und ebenso wie es Leute gibt, die zwischen den
obszönen Spässen eines jämmerlichen Witzblattes und der
Büchse der Pandora keinen merkbaren Unterschied
finden vermögen, gibt es wieder andere, die um der künst¬
lerischen Vorzüge eines Werkes willen dem Autor gewisse
Frivolitäten zu verzeihen geneigt sein werden, selbst wenn sie
nicht ganz ohne Absicht eingestreut worden sind.
Schon an dieser Verschiedenheit des Standpunktes wird
ede Möglichkeit scheitern, den Begriff der
Schmutzliteratur zum Zwecke gesetzlicher
Maßnahmen mit juristischer Schärfe zu
präzisieren. Die wesentlichste Schwierigkeit liegt eben
darin, daß die befürchtete Gefahr der sexuellen
Erregung ebenso von einem künstlerisch
bedeutenden als von einem wertlosen
Literaturprodukt ausgehen kann. (Mit den
Werken der bildenden Kunst verhält es sich natürlich ebenso.)
Und gerade den patentierten Sittlichkeitswächtern mangelt
meistens sowohl Fähigkeit als guter Wille, eine Unter¬
scheidung zwischen einem künstlerisch wertvollen und einem
künstlerisch wertlosen Werke zu treffen.